Impfdebatte spitzt sich zu

Von wegen Masern-Hotspot: Luzerner Dorf wehrt sich

Das Bundesamt für Gesundheit hat eine erhöhte Anzahl an Masernfällen festgestellt.

(Bild: BAG)

Nach zwei Maserntoten in der Schweiz berichtete eine Sonntagszeitung von Hotspots im Kanton Luzern. In der betroffenen Gemeinde Malters will man dies nicht auf sich sitzen lassen und kritisiert die verzerrte Auswertung. Derweil geht die politische Debatte um einen Impfzwang weiter. 

Nirgends in der ganzen Schweiz gibt es so viele Masernfälle wie im luzernischen Malters. Diese Feststellung machte die aktuelle «Sonntagszeitung» (zentralplus berichtete). Der Bericht über die Masern-Hotspots reiht sich ein in die wiederaufgeflammte Diskussion. Diese war nach einer Epidemie in einer Steinerschule in Biel entstanden, mittlerweile hat das Bundesamt für Gesundheit auch von weiteren Fällen berichtet, darunter zwei tödlich verlaufene Erkrankungen. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Anzahl der Masernerkrankungen versiebenfacht.  

In Malters kommt der Artikel gar nicht gut an. «Das hat mit der heutigen Realität nichts zu tun», heisst es in einer Mitteilung des Gemeinderats. In den letzten fünf Jahren gab es keinen einzigen Masernfall, seit 2010 einen. Das Ergebnis lasse sich mit der im Artikel gemachten Messmethode erklären: So wurden die Fälle der letzten 30 Jahren berücksichtigt. Und Malters war von der Epidemie im Jahr 2008 stark betroffen.

Der Luzerner Kantonsarzt Roger Harstall macht die gleiche Feststellung. «Für das laufende Jahr sind bisher drei Fälle von Masern im ganzen Kanton aufgetreten.» Seit 2010 bewege sich die Zahl zwischen null und sechs pro Jahr, 2009 waren es noch über 200 Fälle, erklärt Harstall.

Um die Impfquote zu erhöhen, informiere man die Bevölkerung mit verschiedenen Massnahmen. Eine davon ist das freiwillige Schul-Impfprogramm.

Malteser Arzt befürwortet Impfungen

Die Ärzte des Ärztezentrum Malters würden sich wie alle andern Hausärzte an die entsprechenden Weisungen des BAG bezüglich Impfungen halten, sagt Arzt Bernhard Estermann (siehe Box). «Impfablehnungen gehören seit Beginn unserer hausärztlichen Tätigkeit zum Alltag, ein korrekter respektvoller Umgang damit ist eine Selbstverständlichkeit», sagt Estermann. «Es geht um eine optimale Beratung für die zum Teil stark verunsicherten Eltern.»

«Wir haben in den vergangenen Jahren keine Zunahme von Impfablehnungen wahrgenommen und gehen davon aus, dass die Quote von Eltern, welche ihre Kinder nicht impfen möchten, in Malters nicht anders ist als in den Nachbargemeinden und im Kanton Luzern generell», sagt Estermann.

Bund empfiehlt Impfung

Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, die Masern zu eliminieren. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt deshalb die Impfung, Ziel ist, dass 95 Prozent der Bevölkerung geimpft ist. Eine Impfung ermöglicht einerseits, sich selbst vor der Krankheit und den allenfalls damit verbundenen schweren Komplikationen zu schützen. Andererseits schützt man mit einer Impfung auch andere Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht selbst impfen lassen können (Säuglinge, Schwangere, immunsupprimierte Personen), denn so wird die Übertragung des Virus in der Bevölkerung eingedämmt.

Er kontrolliert im Rahmen der schulärztlichen Aufgaben Impfausweise und empfiehlt bei Bedarf eine Impfung. Diese bezahlt der Kanton. Er attestiert den Ärzten in dieser Frage eine beratende Rolle. Der Entscheid liegt letztendlich immer bei den Eltern. Für ihn ist jedoch klar: «Impfungen machen Sinn.» 

Fehlende Solidarität?

Estermann sagt: «Die im deutschen Sprachraum relativ hohe Quote von Impfablehnungen ist zumindest teilweise auch eine Folge des eigenen Erfolgs der Medizin: Dank der relativ hohen Durchimpfung der Kinder gegen Masern werden die katastrophalen Folgen der Krankheit Masern gar nicht mehr erlebt und wahrgenommen.» Wenn wie in gewissen Entwicklungsländern aktuell wieder schwere Masernepidemien Hunderte von Todesopfern und Schwerstbehinderungen zur Folge hätten, würde eine Bereitschaft zur Impfung praktisch für alle einleuchtend und alle Eltern wären unglaublich dankbar.

«Die Verunsicherung bezüglich Impfungen bei den Eltern ist seit Jahrzehnten da und belastend», führt Estermann aus. Und konkret darauf angesprochen, bestätigt er, dass das Argument, wer nicht impft, von all jenen profitieren würde, welche sich impfen lassen, nicht von der Hand zu weisen sei. Hier von fehlender Solidarität zu sprechen, sei zwar vertretbar, aber nicht zielführend, weil zu konfrontativ.  

Luzerner SVP-Nationalrätin kämpft seit Jahren

Genau auf diesen Punkt weist die Aargauer CVP-Nationalrätin Ruth Humbel diesen Montag im Gespräch mit dem «Blick» hin. Sie sagt: «Wer seine Kinder nicht impft, ist asozial.» In Deutschland wird aktuell auch über ein Bussensystem für Impfverweigerer diskutiert.

Yvette Estermann, Luzerner SVP-Nationalrätin und Ärztin, hat für solche Vorschläge kein Verständnis. Sie wehrt sich seit Jahren aktiv gegen das Impfen. «Es macht für gesunde Kinder keinen Sinn», erklärt sie. «Wir sind in einem freien Land, in dem die Eltern frei entscheiden können. Ein Impfdiktat, wie es derzeit gefordert wird, wäre ein riesiger Eingriff in die persönliche Freiheit.»

Estermann hat die Vorwürfe und Beschimpfungen von Impfgegnern satt. «Man tischt den Leuten ein völliges Trugbild auf», sagt die Krienserin. Sie sieht die Impfgegner als Gruppierung, welche keinem politischen Lager zugeordnet werden könne. Für Estermann ist klar: «Wer Angst vor Kinderkrankheiten hat, soll seine Kinder impfen. Alle anderen nicht.»

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