Fast jeder Zweite nimmt eigene Getränke mit

Von wegen Chopfab: Am Blue Balls tobt ein Bierkampf

Vor dem Schiffrestaurant Wilhelm Tell wird Bier ausgeschenkt. Die auffällige Werbung musste dabei abgedeckt werden, was mit dem gelben Tuch nur mässig gut gelungen ist. (Bild: esa)

Viele Besucher des Blue Balls nehmen ihr Getränk selbst mit, statt sich an den offiziellen Ständen zu verpflegen. Ein Grund dafür ist der Bierpreis, der auch mit dem neuen Partner Chopfab bei vielen Festivalgängern für Ernüchterung sorgt. Doch ganz verdrängt hat die Winterthurer Brauerei das lokale Bier nicht.

Auch dieses Jahr zieht es wieder viele zehntausende Besucher zum Blue Balls ans Luzerner Seebecken. Das Musikfestival sucht schweizweit seinesgleichen und ist auch bei internationalen Künstlern sehr renommiert. Zur mittlerweile 21. Ausgabe wechselte diesmal der Bierpartner. An den offiziellen Getränkeständen ist nicht mehr Heineken präsent, sondern die Winterthurer Brauwerkstatt Doppelleu mit ihrem Chopfab (zentralplus berichtete).

Unterschiedlicher Andrang

Viele Blue-Balls-Besuchende nehmen ihr Bier und sonstige Getränke auf das frei zugängliche Festivalgelände mit. Eine Stichprobe zeigt: Rund die Hälfte konsumiert Getränke, die nicht von den offiziellen Verkaufsständen stammen. Sie kaufen es zu grossen Teilen bei den Detaillisten und Spezialisten in der Umgebung und am Bahnhof. Der dortige Bierladen geniesst einen enormen Andrang. Zwar möchte das Unternehmen keine Stellung nehmen, gleichwohl ist offensichtlich, wie viele Menschen aus dem Laden ans Festival gehen. Demgegenüber scheinen die Wartezeiten vor den offiziellen Festival-Bierständen ungewohnt kurz. Das mag an dem sehr guten Service und der Baraufteilung liegen, oder an gesunkenem Aufkommen. Ein Bier kostet hier sechs Franken, man erhält 3 Deziliter und bezahlt ein Depot von zwei Franken für den Becher obendrauf. Die Festivalorganisation will sich zum Bierthema und der Preispolitik nicht äussern.

Satte Preisunterschiede

Wer gedacht hätte, dass nach dem Ende der Zusammenarbeit des Blue Balls mit Heineken die Marke nicht mehr präsent ist, wird an diesem Festival eines Besseren belehrt. Auffallend viele Gäste konsumieren Dosen der Heineken-Tochter Eichhof. Gleich an drei verschiedenen Orten unmittelbar um das Pavillon herum kann man Eichhof-Bier für vier bis fünf Franken pro Halbliterdose kaufen.

Die Grossbäckerei gibt sich besonders Mühe, ihr Bierangebot für das Festival anzupreisen – notabene mit derselben Marke wie das Schiffrestaurant ein paar Meter weiter.

Während der Kebabladen seinen Betrieb normal bewirtschaftet, bewirbt der Kiosk der Grossbäckerei sein Bierangebot in besonderem Masse für den Anlass. Das liegt vielleicht auch daran, dass ein paar Meter weiter das Schiffrestaurant auf seinem Landungssteg eine über drei Meter grosse gelbe Eichhof-Dose hingestellt hat. Sie dient nicht nur zur Aufmerksamkeit, sondern auch als Ausschankwagen.

Verlagerung des Geschäfts

Eduard Räber, der Wirt des Schiffrestaurants, wurde gebeten, bei der übergrossen Eichhof-Dose das Branding, also die Markenzeichen, abzudecken. Anscheinend wurde sie als zu aufsehenerregend taxiert. Räber versucht, der Bitte so gut wie möglich nachzukommen. «Wir stehen, wie viele Luzerner, hinter Eichhof, auch wenn es zu Heineken gehört. Dort arbeiten immer noch viele ansässige Familien», sagt Räber. Nach dem Motto: «Wenn es denen gut geht, geht es auch uns gut» ist das Schiffrestaurant seit Jahrzehnten ein treuer Kunde der Luzerner Brauerei, und ebenso hat es viele Stammkunden, die während des Festivals bewusst am Landungssteg ihr Bier holen – auch wegen Eichhof. «Normalerweise ist das ‹Wilhelm Tell› ein Speiselokal mit Barbereich», erklärt Räber. «Dadurch dass wir hinter all den Ständen am Quai verdeckt werden, haben wir eine Verlagerung des Umsatzes – statt gegessen wird mehr getrunken.»So werde das Tagesgeschäft zum Abendgeschäft.

Lokaler Zusammenhalt

Zwar findet Räber Chopfab ein gutes Bier, aber: «Wenn man schon bei Luzern Tourismus nach Geldern fragt, sollte man auch Luzerner Firmen unterstützen.» Räber will nicht über alle Vorgänge öffentlich reden, dennoch sagt er: «Wenn man nicht das nötige Geld hat, sollte man das Ganze vielleicht ein bisschen kleiner machen, gesundschrumpfen.» Persönlich fände er es besser, wenn die Konzerte am Pavillon nicht mehr gratis wären. «Einerseits ist es ein generelles Problem, dass viele Leute heutzutage nicht mehr bereit sind, etwas zu honorieren. Andererseits sieht man, dass viele Spirituosen- und Weinflaschen herumliegen.» Solche Zustände goutiert Räber nicht. «Wenn Leute an ein frei zugängliches Konzert gehen, sollten sie das honorieren und einen Pin kaufen.»

Die Marke Chopfab ist am Blue Balls sehr präsent.

Er selbst sei kein formeller Gönner des Blue Balls, aber er kaufe immer einen Festival-Pin. Räber würde es dem Blue-Balls-Kopf Urs Leierer gönnen, wenn genügend Einnahmen für die Pavillon-Konzerte generiert werden könnten. Leierer wiederum sprach an einem Medienanlass kürzlich von Redimensionierung hinsichtlich der Festivalzukunft. Er könne sich durchaus lösen von der Idee des Grossanlasses (zentralplus berichtete).

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Wanner
    Wanner, 27.07.2019, 22:11 Uhr

    Viele Leute nicht mehr bereit, etwas zu honorieren. Die Geiz ist geil Mentalität holt uns nun ein. Auch, dass irgend jemand – inkl. Staat – fast alles gratis zur Verfügung stellen sollte. Steuern zahlen und KK Prämien die Anderen.
    An der « Fasnachts Chilbi das selbe Problem. Die Organisatoren haben den Aufwand, die Wilden den Profit. Wann endlich schnallen die Verantwortlichen den Puck?
    Beste Grüsse für die Zukunft
    LAZY

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  • Profilfoto von M. Moser
    M. Moser, 27.07.2019, 00:18 Uhr

    Schon wieder? Ich glaube die Festivalorganisation um Urs Leierer tritt von einem Fettnäpfchen ins andere. Luzern hat eine Biertradition und die heisst Eichhof, in der Zentralschweiz ist Eichhof ein Brand der sich nicht so einfach aus dem Markt verdrängen lässt, auch wenn Herr Leierer das vielleicht möchte. Herr Leierer schlägt weiter einen um den anderen Sargnagel in sein Blue Balls… Auch das er sich den Fragen der Presse und somit auch der Öffentlichkeit nicht stellen will, deutet nicht auf eine Entspannung hin… Ich prophezeie deshalb… bye bye, Blue Balls… und Herr Leierer, nicht Luzern ist daran schuld an der Misere des Blue Balls, dies haben sie ganz alleine hingekriegt.

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