Luzerner Innenhöfe

Von verbaut bis zugeparkt

Waldstätterstrasse/Sempacherstrasse: Ein zugeparkter Innenhof - typisch für die Luzerner Neustadt. (Bild: mal)

«Messi nimmt Ronaldo den Ball ab, Schuss, Tor!» Diese Wortkombination wird nicht nur an der Fussball-WM in Brasilien zu hören sein, nein. Man hört sie heute schon. Auf Pausenplätzen, wo Kinder in der Pause dem Ball hinterherjagen oder – wo möglich – in Innenhöfen. Doch bieten die Luzerner Innenhöfe überhaupt noch Platz, um ein Fussballspiel auszutragen? zentral+ hat sich die Innenhöfe im Zentrum von Luzern angeschaut. Platz für einen Fussballmatch gibt es dabei nur noch selten.

Die vorgefundenen Innenhöfe zeigen die ganze Palette des Möglichen: Der begrünte Innenhof, der Zugeparkte, der Verbaute oder schlicht: der zu Kleine, um etwas Schlaues damit machen zu können. Dabei sind sich Experten einig: Die Gestaltung eines Innenhofes hat grossen Einfluss auf die Lebensqualität der Anwohner und auf deren sozialen Zusammenhalt. Und obwohl die positiven Auswirkungen von überlegt gestalteten Innenhöfen unbestritten sind, hält sich der Gesetzgeber mit rechtlichen Bestimmungen zur Gestaltung solcher Anlagen zurück.

«Grossartige Erweiterung der eigenen Wohnung»

Dabei würden sich Innenhöfe ideal dazu anbieten, eben mehr daraus zu machen als nur Parkplätze oder gewerbliche Gebäude, wie Alex Willener, Dozent und Projektleiter am Institut für Soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern erklärt: «Grundsätzlich bietet die Blockrandbebauung eine geniale Organisation von halbprivaten und halböffentlichen Räumen, die – geschützt vor Verkehr und Immissionen – durch die Bewohnerschaft vielfältig genutzt werden können. Insofern stellt ein Innenhof eine grossartige Erweiterung der eigenen Wohnung dar.»

Auch Markus Frei, Feng Shui-Experte und Geschäftsleiter der Luzerner Firma «Hüsler & Frei Räume», streicht die Chancen hervor, welche sich mit einer überlegten Innenhofgestaltung bieten: «Im dicht umbauten Wohnraum ist jedes Stück Natur willkommen, auch wenn es noch so klein ist. Auch ein kleiner Baum oder Strauch hat eine belebende Wirkung auf den Menschen. Innenhöfe, wie sie Anfang 1900 gebaut wurden, sind geradezu perfekt, städtischem Verkehr einen ruhigen Gegenpol zu setzen.»

Einfach begrünen reicht nicht

Doch was macht eigentlich die Qualität eines Innenhofes aus? Alex Willener erklärt, dass es nicht einfach reicht, einen solchen zu begrünen: «Eine Begrünung führt nicht automatisch zum Aufenthalt im Innenhof. Es gibt begrünte Innenhöfe, die sind so offen und rundum öffentlich einsehbar, dass sich niemand getraut, sich dort innen zu zeigen oder einen Stuhl hinunter zu stellen.» Entscheidend seien laut Willener die Übergänge zwischen halbprivaten und halböffentlichen Bereichen: «Man soll auch in einer geschützten Ecke ein Buch lesen dürfen.»

Gelingt dies, kommen die Vorteile eines lebenswerten Innenhofes voll zum Tragen. «Durch den Aufenthalt im gemeinsamen Innenhof kommt es zu beiläufigen Begegnungen, man sieht sich, man tauscht sich aus», erklärt Willener weiter. «Kinder finden sich automatisch und spielen zusammen. Diese beiläufigen und ungezwungenen Gelegenheiten sind eine Grundvoraussetzung für gute Nachbarschaftsbeziehungen. Daraus kann mehr entstehen: Gemeinsame Aktivitäten oder Nachbarschaftshilfe.»

Nutzungsdruck auf Innenhöfe ist gross

Die für die Luzerner Neustadt typischen Innenhöfe sind laut Markus Hofmann, Leiter Ressort Baugesuche der Stadt Luzern, auf den Stadtplan von Heinrich Meili-Wapf und Robert Winkler aus dem Jahr 1897 zurückzuführen und obliegen strengen Vorschriften: «Dieses Gebiet befindet sich gemäss der Bau- und Zonenordnung der Stadt Luzern in der Ortsbildschutzzone B und das städtebauliche Muster mit den Blockrandbebauungen und den Innenhöfen ist somit geschützt.» Bauvorhaben in dieser Zone müssen hohe städtebauliche und archetektonische Qualitäten aufweisen und sich laut Hofmann in das Umfeld einfügen. Abbrüche seien in dieser Zone «grundsätzlich nicht zulässig».

Der Nutzen eines Innenhofes für die Anwohner ist mittlerweile auch beim Gesetzgeber angekommen. So dürfen neue Parkplätze nur noch unterirdisch angelegt werden. «Der Nutzungsdruck auf Innenhöfe ist gross», erklärt Hofmann, «sie dienen den Bewohnern als ruhiger Rückzugsort, bieten sich an für Parkplätze und Anlieferungen und teilweise beherbergen sie Kleinbauten mit Arbeitsnutzungen. Ziel der Stadt ist es, diese Nutzungen in Einklang zu bringen.» Diese Theorie wurde in der Praxis, sprich in der Luzerner Neustadt, nur selten angetroffen. Dabei wäre die Forderung seitens Städtebau klar: «Grundsätzlich sollen die Innenhöfe den Anwohnern dienen und wenn immer möglich begrünt werden», sagt Hofmann.

Bei all den von zentral+ angetroffenen, trostlosen Innenhöfen stellt sich die Frage, ob mit zusätzlichen Vorschriften dafür gesorgt werden müsste, dass diese für Anwohner freundlicher gestaltet werden könnten. Neuen Reglementen steht aber selbst Alex Willener von der HSLU kritisch gegenüber: «Ob dies durch Vorschriften zu erreichen ist oder eher durch Information und Sensibilisierung von Bauträgern, ist für mich eine offene Frage. Generell wäre ich beim Bauen eher für weniger als für mehr Vorschriften.» Grundsätzlich gilt: Was gebaut ist, ist gebaut und somit geschützt. Spielraum gibt es laut Beat Wicki, Geschäftsleiter vom Mieterinnen- und Mieterverband Luzern, bei neuen Bauvorhaben: «Betroffene Mieter haben die Möglichkeit beim Baubewilligungsverfahren Einsprache zu erheben.»

Die Begrünten

Es gibt sie, die Oasen. Grün soweit das Auge reicht. Auffallend dabei: Es sind nicht nur Innenhöfe in älteren Wohnanlagen, sondern auch neue Überbauungen, welche im Innern eine einladende Gestaltung ausweisen, anstatt den Hof kommerziell zu nutzen. Allen voran muss hier der Innenhof an der Ecke Moosmattstrasse/Voltastrasse erwähnt werden, der hinter vorgehaltener Hand auch gerne als der schönste Innenhof Luzerns bezeichnet wird. Obwohl der Innenhof auf den ersten Blick «wild» wirkt, erfüllt er – gerade deswegen – die Idealbedingungen für Alex Willener: «Das heisst aber nicht, dass diese Räume perfekt und clean durchgestaltet sind – im Gegenteil: sie dürfen auch roh oder wild sein, damit auch die Bewohnerschaft mitgestalten kann.»

Das Prachtsexemplar und in den Augen von vielen der schönste Innenhof in Luzern: Ecke Moosmatt- und Voltastrasse.

Das Prachtsexemplar und in den Augen von vielen der schönste Innenhof in Luzern: Ecke Moosmatt- und Voltastrasse.

(Bild: mal)

Ein erfreuliches Beispiel eines neugestalteten Innenhofes findet sich bei der Neustadt- und Spannortstrasse. Dort wurde hinter die neue Bebauung ein wahres Prachtstück von einem Innenhof angelegt.

Bei diesem Bauprojekt lag der Fokus der Innenhof-Gestaltung ganz auf der Lebensqualität (zwischen Neustadt- und Spannortstrasse).

Bei diesem Bauprojekt lag der Fokus der Innenhof-Gestaltung ganz auf der Lebensqualität (zwischen Neustadt- und Spannortstrasse).

(Bild: mal)

Die Zugeparkten

Man pflastere den Innenhof zu, nehme gelbe Farbe und zeichne so viele Parkplätze wie nur möglich. Dieses Bild ist im Zentrum der Stadt Luzern sehr oft anzutreffen. Auf die Frage, ob die kommerzielle Nutzung von Innenhöfen in Zukunft Schule machen wird, meint Feng Shui-Experte Markus Frei: «Darum wird man wohl nicht herumkommen. Wenn das Bewusstsein über den grossen Nutzen für die Bewohner vorhanden ist, lässt sich hier einen gültigen Kompromiss finden», hofft er. Diese Hoffnung ist gut begründet, denn auch Alex Willener von der HSLU stellt klar: «Ein verparkter Innenhof hat keinerlei Aufenthaltsqualität – das Potenzial des Innenhofs kommt nicht zum Tragen.» Als repräsentatives Beispiel soll an dieser Stelle der Innenhof zwischen der Obergrund- und Birkenstrasse gelten.

Innenhof oder Parkplatz-Anlage? Beispiel zwischen der Obergrund- und Birkenstrasse.

Innenhof oder Parkplatz-Anlage? Beispiel zwischen der Obergrund- und Birkenstrasse.

(Bild: mal)

Die Verbauten

Kein Platz ist zu klein, um ein neues Gebäude zu erstellen. Eine kommerzielle Alternative zum Anbieten von Parkplätzen stellen Überbauungen im Innenhof dar. Von denen gibt es in Luzerns Zentrum einige zu entdecken. «In diesen Fällen ist es besonders wichtig, dass der freie Raum zwischen dem Wohnblock und den Innenhofbauten nicht nur als Zufahrt und Parkplatz dient», erklärt Alex Willener. In Luzern findet man sowohl ästhetisch in den Innenhof integrierte Bauten, aber auch Gebäude, welche so nah wie möglich an die Wohnblöcke gezogen wurden und wo der verbliebene Platz für Parkplätze genutzt wird. Als gelungenes Beispel soll in dieser Kategorie das Innenhofgebäude an der Habsburgerstrasse 52a dienen, während der Innenhof an der Zentral- und Habsburgerstrasse jeglicher von Willener genannten Anforderungen widerspricht.

Schickes Häuschen im Innenhof - Beispiel für eine gelungene, gewerbliche Nutzung (Habsburgerstrasse 52a).

Schickes Häuschen im Innenhof – Beispiel für eine gelungene, gewerbliche Nutzung (Habsburgerstrasse 52a).

(Bild: mal)

Bebauter Innenhof, Parkplätze aber kein einziger grünser Strauch (Ecke Habsburger- und Zentralstrasse).

Bebauter Innenhof, Parkplätze aber kein einziger grünser Strauch (Ecke Habsburger- und Zentralstrasse).

(Bild: mal)

Die Exoten

Einen abgeschirmten, begrünten und ausschliesslich für die Anwohner gestalteten Innenhof lässt sich an der Winkelriedstrasse (zwischen Murbacher- und Habsburgerstrasse) finden. Zugänglich ist der Innenhof nur über einen Lift, denn unter ihm befinden sich Verkaufsflächen von Geschäften. Zudem ist es der einzig vorgefundene Innenhof, welcher auch bei Regenfall genutzt werden kann, da er überdacht ist.

Überdeckt und abgeschottet - eine echte Oase und eigene Welt an der Winkelriedstrasse (Ecke Winkelried- und Murbacherstrasse).

Überdeckt und abgeschottet – eine echte Oase und eigene Welt an der Winkelriedstrasse (Ecke Winkelried- und Murbacherstrasse).

(Bild: mal)

Ebenfalls unter die Exoten fällt der Innenhof hinter dem Kino Moderne an der Pilatusstrasse. Wer sich im Kinosessel den neusten Blockbuster ansieht, sitzt im Innenhof. Denn die Räumlichkeiten des Kinos liegen grösstenteils im dahinter liegenden Innenhof. Dieser spezielle Fall gilt dann wohl auch als eine kommerzielle Nutzung.

Bitte Platz nehmen: Der Saal des Kinos Moderne im Innenhof an der Ecke Pilatus- und Hirschmattstrasse.

Bitte Platz nehmen: Der Saal des Kinos Moderne im Innenhof an der Ecke Pilatus- und Hirschmattstrasse.

(Bild: mal)

Die Kleinen

Gefunden werden konnten auch Innenhöfe, welche wohl auch bei bestem Willen nicht dazu geeignet sind, für die Anwohner einen Mehrwert zu bieten, da sie schlicht zu klein sind. Besonders aufgefallen ist in dieser Kategorie der Innenhof hinter dem Café Meyer an der Winkelriedstrasse.

Keiner zu klein, um ein Innenhof zu sein. Gefunden hinter dem Café Meyer an der Winkelriedstrasse.

Keiner zu klein, um ein Innenhof zu sein. Gefunden hinter dem Café Meyer an der Winkelriedstrasse.

(Bild: mal)

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