Luzern: Premiere des Stücks «Tanz 22: Up/Beat»

Von unten herauf zum Höhenrausch

Die erhöhte Sichtweise im «Globe» verändert gemäss Choreograph Georg Reischl die Wahrnehmung der Schwerkraft.

(Bild: Gregory Batardon)

Die neueste Choreographie von Georg Reischl feierte am Freitag im «Globe» Premiere. Das Stück «Tanz 22: Up/Beat» elektrisierte Tänzer wie Zuschauer. Vincent Glanzmann an der Perkussion schien den Tänzern jeweils eigene Klänge zuzuspielen.

Oben in diesem «Globe», in den sich das Luzerner Theater für den Saisonauftakt verwandelt hat, kommt Fluglust auf. Vom 1. oder 2. Rang kann der Blick zu den Tänzerinnen und Tänzern schweifen. Diese bewegen sich weiter unten auf Wolken, schwerelos zu sphärischen Klängen des Live-Perkussionisten.

Die himmlische Illusion (Bühne: Natascha von Steiger, Licht: David Hedinger) hat einen ganz irdischen Ursprung. Nachdem alle Gäste ihre Plätze in den Rängen und auf den Gerüsten gefunden haben, nehmen 14 Tänzerinnen und Tänzer unten auf der erweiterten Bühne ihren Raum ein. Nicht in Bikini und Badehose, sondern in bunter Unterwäsche erscheinen sie auf dem schwarzen Boden.

Ihre Baumwollteile sind so unspektakulär, dass man nochmals genauer hinschaut – und dann die muskulösen Körper fokussiert, die den Ort durchschreiten. Unter ihnen ist auch Vincent Glanzmann. Der Perkussionist dreht sich um ein hell beleuchtetes Becken und initiiert eine Klangatmosphäre, deren Spannung 60 Minuten lang anhalten wird.

Spürbar wird sie, die Lust am Klang und an der Bewegung.

Spürbar wird sie, die Lust am Klang und an der Bewegung.

(Bild: Gregory Batardon)

Während der Musiker mit seinem Ensemble aus 14 Klangbecken, einer Kesselpauke und einem präparierten Schlagzeug jetzt vom Bühnenrand aus den Rhythmus vorgibt, werden die Tänzerinnen und Tänzer selber zu Instrumenten: Mit Schuhen über den schwarzen Baumwollsocken trommeln sie auf den Boden.

Auf die dunklen Regenschirme, die ebenfalls Geräusche entfachen, hätte man verzichten können. Sie verstauben nur die Atmosphäre. Wobei die «Anleihen an Filmklassiker» hier noch eine andere Funktion haben: Aufgespannt bieten sie Schutz vor ständiger Beobachtung und eventuellen Klanggewittern.

Verzerrte Perspektive

Erst am 2. August starteten die Proben zum Stück. Gemeinsam haben sich Ton und Bewegung entwickelt. «‹Up› heisst oben und beschreibt die Sichtweise der Zuschauer, die das Stück ausschliesslich von oben erleben», erklärt der österreichische Choreograph Georg Reischl im Programmheft. «Durch die erhöhte Sichtweise verzerrt die Perspektive nicht nur alle vertikalen Ebenen der Darstellung, sondern sie verändert auch die Wahrnehmung der Schwerkraft.» Im «Globe» würde jeder Zuschauer durch seinen ausgewählten Platz eine ganz persönliche Sicht auf das Stück, auf die Tänzer und die Schlaginstrumente erleben.

Alle Energien im Einklang: Im Hintergrund Perkussionist Vincent Glanzmann.

Alle Energien im Einklang: Im Hintergrund Perkussionist Vincent Glanzmann.

(Bild: Gregory Batardon)

Tatsächlich wirkt es auch, als ob der Perkussionist allen Tänzerinnen und Tänzern eigene Klänge zuspielen würde. Inzwischen uniform in coole graue Hosen gekleidet, entwickeln sie einen persönlichen Ausdruck. Eine Gruppe aus Individuen, befeuert durch die Lust am Klang und an der Bewegung. Arme entfalten sich auf der Bühne zu kräftigen Flügeln. Körper werfen sich in den Raum und verdrehen unsere Sehgewohnheiten. Ekstatisch schon fast: Nehmen wir gerade an einem Musikritual eines polynesischen Stammes teil?

Der Perkussionist – ihr Guru?

14 internationale Tänzerinnen und Tänzer schreiten im Luzerner Theater nun auf den in Japan geborenen Schweizer Perkussionisten zu. Ihr Guru? Zumindest scheinen alle Energien in Einklang zu sein. Wohin der vorläufige Höhepunkt führt? Nach einem Funken kompletter Stille in neue Formen hinein! Alles müsse beweglich bleiben, selbst in der Ruhe, sagt Vincent Glanzmann später auch in Hinblick auf die kommenden Aufführungen. Damit diese dynamisch bleiben, will er seinen «Spielraum» nutzen. Je nach Atmosphäre, die er im jeweiligen «Globe» wahrnimmt, ändert er die einen oder anderen Töne.

Bis Mitte Oktober

Weitere Aufführungen von «Tanz 22: Up/Beat» am Luzerner Theater: 25., 27., 28. September; 2., 4., 5., 7., 12., 13., 14. und 16. Oktober (Einführung jeweils 45 Minuten vor der Vorstellung).

An der Premiere der Uraufführung sind die Funken bereits rüber- respektive hochgesprungen. Das Publikum reagierte begeistert. Dabei ist das halbe Ensemble um die künstlerische Leiterin Kathleen McNurney neu besetzt. Mit einer öffentlichen Probe, der Einführung zum Stück und der Premierendisco danach geht man auch perfekt auf die Luzernerinnen und Luzerner ein.

Der Funke ist an der Premiere gesprungen, das Publikum war begeistert.

Der Funke ist an der Premiere gesprungen, das Publikum war begeistert.

(Bild: Gregory Batardon)

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