Steinhausen: Pirat Thöni scheitert mit Motionen

Von diskriminierten Gartengeräten, «Lautbläsern» und Kuh-Notstrom

«Dorfrebell» Stefan Thöni am Mikrofon in der Gemeindeversammlung. Im Hintergrund Gemeindepräsidentin Barbara Hofstetter. Jetzt will Thöni Richter werden.

(Bild: woz)

Es war die erste Steinhauser Gemeindeversammlung im neuen Dreiklang-Saal. Doch statt harmonischen Klängen gab es am Donnerstagabend auch Dissonanzen, und einige der 227 anwesenden Stimmberechtigten zeigten sich recht debattierfreudig. Dabei durfte sich «Dorfrebell» Stefan Thöni von der Piratenpartei trotz politischer Niederlage bestätigt fühlen.

«Ich glaube, Männer haben einfach lieber ein Spielzeug in der Hand als zu schaffen», sagte John Stutzer am Mikrofon des Rednerpults. Und hatte sofort die Lacher der 227 Stimmberechtigten auf seiner Seite. Doch das war noch nicht alles. Stutzer kritisierte nämlich nicht nur das Einladungsheft Steinhausens zur Gemeindeversammlung als «Werbebroschüre», sondern warf dem Gemeinderat auch vor, eine viel zu einseitige Position zugunsten des Gewerbes einzunehmen.

Um was ging es eigentlich? Um Traktandum sechs der Gemeindeversammlung, dem Top Act am Donnerstagabend. Sprich: Die Motion von Pirat Stefan Thöni zum Verbot von Laubbläsern in der Gemeinde Steinhausen.

85 Dezibel sind zu laut

Genauer gesagt forderte der wuschelköpfige Politiker, dass der Gebrauch von Laubbläsern mit einem Lärmpegel von über 85 Dezibel in der Umgebung von Wohngebäuden verboten wird (zentralplus berichtete). Grund: In Steinhausen gebe es regelmässig eine starke Lärmbelästigung durch solche Laubbläser mit einer Schallemission zwischen 80 und 100 Dezibel.

«Bereits Lärm ab 60 Dezibel ist gesundheitsschädlich», sagte Thöni. Und betonte, dass solche Laubbläser zudem besonders viel gesundheitsschädlichen Feinstaub aufwirbeln. Thöni plädiert deshalb in seiner Motion künftig für nur noch leise und umweltschonende Elektromotorbläser.

Gut geblasen ist halb gerecht? Eine Menge Laub.

Gut geblasen ist halb gerecht? Eine Menge Laub.

(Bild: flickr.com)

Doch diese leisen Töne stiessen bei der Gemeinde Steinhausen nur bedingt auf Gegenliebe. Die Argumente tönten allerdings nicht alle unbedingt überzeugend.

Laubbläser haben keine Emissionsgrenzwerte

«Das vom Motionär verlangte Verbot würde für alle, nämlich für private Haushalte, für Unternehmen und für den öffentlichen Unterhaltsdienst gelten», heisst es in der Stellungnahme des Gemeinderats, die Sicherheitschef Hans Stub vortrug.

Lärmemissionen von Geräten und Maschinen im Freien seien zwar laut Umweltschutzgesetz soweit zu begrenzen, «wie dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist.» Andererseits würden Laubbläser in der Schweiz in die Kategorie von Maschinen und Geräte fallen, die ohne Emissionsgrenzwerte verwendet werden dürfen.

Premiere: Die erste Gemeindeversammlung im neuen Steinhauser Dreiklang-Saal.

Premiere: Die erste Gemeindeversammlung im neuen Steinhauser Dreiklang-Saal.

(Bild: woz)

Ausserdem achte die Gemeinde Steinhausen schon jetzt darauf, dass lärmige Haus- und Gartenarbeiten nur an Werktagen von 7 bis 12 Uhr und von 13 bis 19 Uhr gestattet seien. Zudem wies Staub daraufhin, dass die Männer des gemeindlichen Werkhof auch schon vermehrt umweltschonende Elektrobläser einsetzen. «Durch das geforderte Verbot würde auch Rechtsunsicherheit entstehen, weil die Forderung «um Wohngebäude» unklar sei und anderswo dagegen wieder geblasen werden könne.

«Die privaten Interessen eines Einsatzes von Laubbläsern aller Kategorien sind höher zu gewichten.»

Gemeinderat Steinhausen

Grundsätzlich spreche sich die Gemeinde, so in ihrer Antwort auf die Motion, wenn immer möglich, gegen Verbote aus. «Die privaten Interessen eines Einsatzes von Laubbläsern aller Kategorien sind letztlich höher zu gewichten gegenüber dem öffentlichen Interesse der Lärmreduktion.»

Also, nur viel Lärm um nichts? Mitnichten. Ein Redner gab Thöni mit einem Wortspiel recht – dass es sich nämlich nicht um Laub- sondern um Lautbläser handle.

Ein junger Mann am Mikrofon brach dagegen eine Lanze für die Laubbläser. Denn er kam zum Schluss, dass im Gegensatz zu handelsüblichen Heckenscheren und Rasenmähern Laubbläser eigentlich viel leiser seien und letztere durch die Motion Thönis geradezu diskriminiert würden! Die Motion Thönis wurde bei der Abstimmung dann mit klarer Gegenmehrheit für nicht erheblich erklärt.

Publikation gemeindlicher Traktandenlisten gefordert

Was die zweite Motion von Stefan Thöni betrifft, geht es dem «Pirat» um ein Anliegen, wegen dem er mit der Gemeinde Steinhausen schon länger im Clinch liegt: Um die Akteneinsicht gemeindlicher Protokolle gemäss dem Zuger Öffentlichkeitsgesetz (zentralplus berichtete), für die er zu 2500 Franken verdonnert wurde. Weil er 186 Traktanden einsehen will und der Gemeinde damit den Schweiss auf die Stirn treibt.

In seiner Motion zur Publikation gemeindlicher Traktandenlisten forderte er nun konkret, dass die Traktanden von Gemeinderats- und Kommissionssitzungen unmittelbar nach den jeweiligen Sitzungen veröffentlicht werden. «Damit die Bürgerinnen und Bürger von Steinhausen gar nicht mehr auf ihr Auskunftsrecht pochen müssen», so Thöni bauernschlau.

«Von dieser Transparenz sollen zukünftig alle Einwohner der Gemeinde profitieren.»

Stefan Thöni, Piratenpartei

«Das Bundesgericht hat die Ansicht der Piratenpartei bestätigt», so Thöni, «dass die Einsicht in Gemeinderatsprotokolle nach dem kantonalen Öffentlichkeitsgesetz umfassend gewährt werden muss. Von dieser Transparenz sollen zukünftig alle Einwohner der Gemeinde profitieren.» Deshalb sollte die Gemeinde die Traktandenlisten der Gemeinderatssitzungen im Nachhinein auf ihrer Webseite veröffentlichen.

Dreiklänge pur: Musikschüler Steinhausen wärmten den Saal zu Beginn mit einer Choraufführung.

Dreiklänge pur: Musikschüler Steinhausen wärmten den Saal zu Beginn mit einer Choraufführung.

(Bild: woz)

Auch diese Motion Thönis stiess nicht auf viel Gegenliebe des Steinhauser Gemeinderats. Zum einen argumentierte Gemeindepräsidentin Barbara Hofstetter damit, dass viele der Traktanden, die vom Gemeinderat behandelt werden, nach einer Sitzung noch nicht umgehend veröffentlicht werden könnten. «Denn zum Teil sind die Geschäfte mit dem Gemeinderatsbeschluss noch nicht abgeschlossen», sagte sie. Zum anderen müssten viele Stellen anonymisiert und geschwärzt werden, so dass diese der Öffentlichkeit keinen Nutzen mehr brächten.

Zudem habe sich der Gemeinderat, wie es in der Stellungnahme heisst, bei seinen bisherigen Publikationen immer vom Gedanken leiten lassen, «dass er nur Beschlüsse beziehungsweise Informationen von einer gewissen Relevanz veröffentlicht.» So sei es dem Gemeinderat beispielsweise wichtig, dass Personen, die eine Einsprache gegen ein Baugesuch einreichten, sich darauf verlassen könnten, dass ihre Namen nicht veröffentlicht werden.

Neuer Informationsservice der Gemeinde

Obwohl die vorgebrachte Motion Thönis von der Gemeindeversammlung noch deutlicher abgeschmettert wurde, hat sie doch schon etwas bewegt. Denn der Gemeinderat bietet künftig einen neuen Service in Sachen Informationstransparenz an.

Hofstetter: «Der Gemeinderat ist ab sofort gerne bereit, in Zukunft auf der gemeindlichen Webseite seine an der Gemeinderatssitzung getroffenen Original-Beschlüsse ohne Sachverhalt und Erwägungen zu veröffentlichen, wenn keine überwiegend persönlichen oder öffentlichen Interessen oder andere Vorschriften entgegenstehen.» Na also. Thöni zeigt Wirkung.

Herr Meier, ade…!

Einige Steinhauser Stimmberechtigte zeigten sich auch bei anderen Traktanden am Donnerstagabend recht aufmüpfig gegenüber der gemeinderätlichen Autorität. Besonderes Talent für Situationskomik legte dabei Kurt Clemens Meier an den Tag.

Der fragte nämlich den völlig verblüfften Gemeinderat, ob man auch schon darüber nachgedacht  habe, wie man Kühe im Ernstfall ohne Notstromaggregate melken könne. «Die schreien nämlich fürchterlich bei einem Stromausfall», sagte Meier.

Dabei ging es eigentlich um 1,1 Millionen Franken für die Verlängerung der Mattenstrasse – für die sich Bauchef Andreas Hürlimann den Mund ziemlich fusselig reden musste, bis das Stimmvolk seinen Segen gegeben hatte.

«Das ist für die Katz», so Meier am Mikrofon. «Herr Meier, wir sind hier in einer Gemeindeversammlung, da muss man anständig reden», ermahnte ihn Gemeindepräsidentin Barbara Hofstetter. Es half nichts. Meier kam immer wieder ans Mikrofon. «Herr Meier, ich lasse Ihnen jetzt das Mikrofon abdrehen! Herr Meier, ade…!»

Dabei hatte Herr Meier gar nicht so unrecht – denn auch einige andere beschwerten sich über das Millionenstrassenprojekt. «Die Strasse soll die Bauherrschaft doch selbst bezahlen.» Womit auch John Stutzer nicht ganz unrecht hatte. Denn das i-Pünktchen auf das Ganze setzte schliesslich eine Angehörige der Familie der Bauherrschaft: «Unsere Familie ist gar nicht begeistert über diese Strasse.» Aber hallo?! 

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