Scheue Katze in Luzerner Wäldern

Von der Littauer Waschküche ins Emmental: Die Wanderung des Luzerner Luchses

Ein eurasischer Luchs und sein Junges. (Bild: Adobe Stock)

In einer Waschküche in Malters ist vor zwei Jahren ein junger, abgekämpfter Luchs gefunden worden. Im Juli 2019 wurde das Tier von der Wildhut wieder ausgesetzt. Seither streunt es im Kanton herum und hat auch schon ein Lamm gerissen. Eine Spurensuche.

Ein Lamm. Das ist der einzig bestätigte Nutztierriss eines Luchses im Kanton Luzern in den vergangenen Jahren. Verglichen mit den 420 dem Bund gemeldeten – und entschädigten – Wolfrissen in der Schweiz, verursacht die scheue Wildkatze kaum Schäden bei Schaf, Ziegen und Alpakas. Das sind alles Nutztiere, die von der Grösse her durchaus auf ihrem Speiseplan erscheinen könnten. 24 Fälle aus dem Jahr 2019 sind im ganzen Schweizer Alpenraum bekannt, wo sich nach Schätzungen bis zu 175 Luchse tummeln. In diesem Jahr soll ein Luchs 11 Schafe am Niesen im Berner Oberland gerissen haben.

Der Riss vom 12. Juli 2019 bei Schwarzenberg geht auf ein Männchen zurück, das kurz zuvor in der Nähe wieder ausgewildert worden war (zentralplus berichtete). Das bestätigt der kantonale Wildhüter Daniel Schmid auf Anfrage.

Im Visier der Jäger, weniger der Bauern

Auch wenn es selten ist, dass der Luchs ein Nutztier tötet, tauchte die grösste europäische Wildkatze im Vorfeld der Abstimmung zum neuen Jagdgesetz wieder in der Diskussion auf. Tierschützer vermuteten, dass sie wie der Wolf auf die Abschussliste geraten könnte – vor allem, weil Luchse effiziente Erbeuter von Wildtieren wie Rehen, Gämsen, Füchsen oder Hasen sind. Und damit vielen Jägern inzwischen ein Dorn im Auge, weil sie sich seit ihrer Wiederansiedlung in den 80er-Jahren gut vermehren.

«Ältere, residente Luchse vertreiben junge Einwanderer, wenn sie sich zu weit in ihr Revier wagen.»

Daniel Schmid, kantonaler Wildhüter Luzern

Da das neue Jagdgesetz im September bachab geschickt wurde, muss der junge Wilde aus Malters mit dem Codenamen LLL keine Konsequenzen fürchten. Wie der Wolf gehört er zu den bedrohten Tierarten und geniesst den höchsten Schutzstatus, den das Schweizer Gesetz kennt – und das bleibt vorerst so.

Man merkt, dass er da ist

Dass die Anwesenheit des Luchses durchaus Einfluss auf den Wildtierbestand haben kann, zeigt sich, wenn man sich auf die Spur von LLL begibt. Das ist möglich, weil dem Tier bei seiner Freilassung im Schwarzenberg ein Sender umgehängt wurde. Und weil der Kanton auch Fotofallen aufgestellt hat, auf denen das Tier immer wieder identifiziert wurde, das 2018 heruntergekämpft in einer Waschküche aufgefunden worden war.

Zudem sind auf der Seite des Kora, das sich mit Raubtierökologie und Wildtiermanagement beschäftigt, auch die in toten Wildtieren wie Rehen nachgewiesenen DNA-Spuren gelistet.

Bis zu 60 Rehe pro Jahr

Dass er ein guter Jäger ist, bewies LLL gleich, als er wieder ausgesetzt wurde. Innerhalb eines Monats wurden in seinem möglichen Revier, das sich von Malters aus in Richtung Entlebuch erstreckt, sechs tote Wildtiere und ein Lamm gefunden. Davon wurden DNA-Proben genommen, die Risse selbst wurden laut Schmid anhand der GPS-Daten dem Luchs zugewiesen. Meist waren die Opfer des nachtaktiven Jägers Rehe, aber auch Füchse und ein Gämskitz standen auf seinem Speiseplan.

Daraus lässt sich erahnen, dass ein einzelner Luchs durchaus seine Spuren in seinem Habitat hinterlässt. Experten gehen davon aus, dass ein einzelner Luchs rund 50 bis 60 Rehe pro Jahr reisst.

Entscheidend, wie hoch der Druck durch den Luchs auf den Wildtierbestand ist, hängt davon ab, wie viele Tiere sich tatsächlich in unseren Wäldern bewegen. LLL war der einzige bestätigte Luchs zwischen Malters und Flühli, wo zuvor kaum Risse in der Statistik erfasst wurden. Ab Flühli war bisher vor allem Amor aktiv, ein 9-jähriges Männchen, das ebenfalls mit einem Sender ausgestattet ist, dessen Batterien inzwischen aber leer sein dürften. Dafür tappe Amor noch einige Male in die Fotofallen der Wildtierbeobachtung.

Weitere Risse und Sichtungen von anderen Tieren im Kanton Luzern stammen meist aus dem voralpinen Raum am Pilatus und im Entlebuch, wo weitere Luchse aktiv sind. Wildhüter Daniel Schmid erklärt, dass in der Regel nur ein Tier gleichen Geschlechts in einem bestimmten Gebiet auf der Jagd ist. «Ältere, residente Luchse vertreiben junge Einwanderer, wenn sie sich zu weit in ihr Revier wagen.»

Geringe Luchsdichte im Einzugsgebiet

Eine genaue Schätzung, wie viele Tiere es gibt, ist dennoch schwierig. Auch hält sich der Luchs natürlich nicht an Kantonsgrenzen. Das Gebiet, das den möglichen Luzerner Boden abdeckt, ist als «Zentralschweiz West» erfasst. Es umfasst 951 km2.

Alle drei Jahre wird im Einzugsgebiet ein Luchsmonitoring durchgeführt, mittels Fotofallen, Auswertungen von Wildtierrissen und Funden von toten Luchsen. Das Gebiet wies dabei im aktuellsten Luchsmonitoring von 2019 eine im Vergleich sehr geringe Luchsdichte aus. Sie ist im Vergleich zu den Vorjahren sogar gesunken: 1,44 Luchse sollen sich pro 100 km2 bewegen. Kurz: Mehr als drei, vier erwachsene Tiere dürften es nicht sein, die sich dauerhaft auf Luzerner Boden niedergelassen haben.

Wo sind LLL und Amor jetzt?

LLL taucht in der aktuellsten Auswertung des Monitorings noch nicht auf. Auch in diesem Jahr ist noch keine Sichtung von ihm bekannt. Das kann laut Wildhüter Daniel Schmid verschiedene Gründe haben: «Da der Sender zu Beginn relativ intensiv Daten erfasste und sendete, kann es sein, dass die Batterie leer ist. Zudem ist ungewiss, wo sich der Luchs derzeit aufhält, zumal er sich beim Ausstieg des Senders auf Berner Boden im Emmental bewegte.»

In diesem Jahr wurden in Flühli bisher drei verschiedene Individuen nachgewiesen. Die letzte Meldung stammt vom April. Aber Amor ist nicht dabei. Dass er von LLL vertrieben wurde, der sich zeitweise auch im Sörenberg bewegt hat, hält Schmid für unwahrscheinlich. Eher ist er schlicht nicht mehr in eine Fotofalle gelaufen, hat sein Revier gezügelt – oder er ist verstorben.

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