Austauschprojekt der Kantonsschule Alpenquai

Vom kalten Luzern ins schwüle Südindien

Im schweizerisch-indischen Tandem werden Themen wie Armut, Ökologie und Religion bearbeitet. (Bild: Benno Bühlmann)

Reisen bildet – getreu diesem Motto besuchten Schüler der Kantonsschule Alpenquai die südindische Stadt Trivandrum. Obwohl der kulturelle Austausch funktionierte, waren sich die Jugendlichen nicht immer einig; zum Beispiel darüber, wer es in der Schule strenger hat.

Zürich – Abu Dhabi – Trivandrum: Nach einem 14-stündigen Flug landen 17 Schüler der Kantonsschule Alpenquai in Südindien. Es ist der 31. Januar 2016, und in der Küstenstadt mit 750’000 Einwohnern erwarten die jungen Luzerner feuchtheisse 30 Grad. Die gleiche Reise, nur in umgekehrter Richtung, hatten vor wenigen Monaten 19 indische Jugendliche auf sich genommen. Vergangenen November waren die Schüler einer Privatschule aus dem südindischen Bundesstaat Kerala zu Besuch in Luzern. Nun wurden also Rollen getauscht: Aus Gastgebern wurden Gäste, aus nasskaltem Winter tropische Grossstadtstimmung.

Arbeit und Sightseeing

Ein dichtes Programm erwartete die Kantischüler – die das Abenteuer dank ihres Ergänzungsfachs «Religion und Ethik» in Angriff nehmen konnten – in Indien: touristische Highlights einerseits und Arbeit an selbst gewählten Projekten andererseits. «Wir hatten keinen Unterricht im eigentlichen Sinn, arbeiteten aber in Gruppen an Themen, die wir selbst gewählt hatten», berichtet der 16-jährige Kantischüler Nicolas Huber. So wurden Themen wie Geschlechterungleichheit, Armut oder Tourismus beleuchtet. Der Aufenthalt dauerte zehn Tage, und die Schüler wurden während dieser Zeit in Gastfamilien untergebracht. Daraus hätten sich spannende Bekanntschaften ergeben, sagt Nicolas Huber.

Kanti tauscht sich mit Privatschule aus

Die «Christ Nagar School» in Trivandrum ist eine Privatschule. Den Austausch mit einer öffentlichen indischen Schule durchzuführen, wäre wohl kaum möglich gewesen, obwohl das vielleicht einen etwas realistischeren Eindruck in die indische Realität gewährt hätte. «Schüler einer öffentlichen Schule hätten sich die Reise in die Schweiz kaum leisten können», erklärt Benno Bühlmann, Fachlehrer für Religionskunde und Ethik, der zusammen mit seinem Kollegen Tommi Mendel, ebenfalls Religionslehrer, das Projekt organisierte.

«Die indischen Schüler sprechen besser Englisch als ihre Lehrer.»

Romana Keiser, Schülerin

Zwar unterstützte die «Stiftung Mercator Schweiz» sowohl die Schweizer wie auch die indische Schule mit gesamthaft 25’000 Franken, so dass die Schüler nur rund 400 Franken selber beisteuern mussten. Für indische Schüler einer öffentlichen Schule wäre das aber zu teuer. Und es gibt einen weiteren Grund: Englisch als Kommunikationsgrundlage für den interkulturellen Austausch zwischen Schweizern und Indern wird an Privatschulen besser gelehrt. «Interessanterweise sprechen die Schüler sogar besser Englisch als die Lehrer, wahrscheinlich dank des Internets», sagt die 18-jährige Schülerin Romana Keiser.

Pilotprojekt mit Potenzial

Als eines von fünf Gymnasien in der ganzen Schweiz wurde die Kantonsschule Alpenquai ausgewählt, indische Schüler zu beherbergen und im Gegenzug selbst in den Süden des asiatischen Landes zu reisen – «Swiss-Indian Classroom» nennt sich das Austauschprojekt. Vier Schüler der an der Teilnahme berechtigten «Religion und Ethik»-Klasse bevorzugten es indes, zuhause zu bleiben. «Der Austausch war nicht obligatorisch», erklärt Bühlmann. Das Ganze war ein Pilotprojekt, doch die beiden Lehrpersonen hoffen, den Austausch in Zukunft regelmässig durchführen zu können.

Viel Zeit investierte der engagierte Lehrer für die Dokumentation der Reise: Auf Facebook postete er zusammen mit den Schülern täglich Texte, Fotos und Videos. So konnten auch die Daheimgebliebenen mitverfolgen, was die Jugendlichen erlebten – den Besuch eines Elefantenrehabilitationszentrums beispielsweise. Der Austausch beschränkt sich aber nicht nur auf die Besuche der jeweils anderen Schulen: Während eines ganzen Jahres sind die indischen mit den Schweizer Schülern per Skype in Kontakt. «Heute ist das Erlernen von interkultureller Kommunikation wichtiger denn je», sagt Benno Bühlmann.  

 Ist das indische Schulsystem härter?

Die Schule in Indien sei viel härter als in der Schweiz, sagt ein indischer Austauschschüler (siehe Video). Stimmt das? «Die schulischen Ansprüche in Indien sind zwar höher, aber sie werden nicht konsequent durchgesetzt. Deshalb kann man nicht sagen, dass sie es strenger haben als wir», findet Nicolas Huber. Auch Romana Keiser ist dieser Meinung: «Wer zum Beispiel eine Prüfung nicht geschrieben hatte, musste sich nicht mal wiederholen.»

«Die schulischen Ansprüche in Indien sind zwar höher, aber sie werden nicht konsequent durchgesetzt.»

Nicolas Huber, Schüler

So ein interkultureller Austausch, wie es so schön heisst, dient ja primär der Beseitigung von Vorurteilen. «Ein Austausch mit Menschen anderer Kulturen lässt einen gängige Sichtweisen hinterfragen und hilft gleichzeitig, die eigene Kultur zu reflektieren», sagt Tommi Mendel. Gibt es dennoch Stereotypen, die sich durch die Reise bestätigten? «Nun, das mit der Pünktlichkeit scheint wirklich ein schweizerisches Phänomen zu sein», sagt Romana Keiser. «Das soziale Gefälle ist kleiner als gedacht», schildert Nicolas Huber seine Eindrücke. «Nun, du hast die Armut einfach nicht gesehen», widerspricht ihm Mendel. Man könne die Küstenstadt Trivandrum, die bekannt ist als ein Zentrum der IT-Industrie, auch nicht Millionenmetropolen wie Mumbai oder Neu-Delhi vergleichen, wo die Armut unübersehbar sei.

Schliesslich bleibt so ein zehntätiger Austausch nur ein winziger Einblick in die vielfältige Kultur dieses Staates mit der weltweit zweitgrössten Bevölkerung. Dennoch war er für beide Seiten eine bereichernde Erfahrung. «It was hard to say goodbye to our good friends. But who knows, perhaps we will meet again in a few years», schreiben die Kantischüler in ihrem letzten Facebook-Post.

In der Slideshow finden Sie einige Eindrücke vom Projekt «Swiss-Indian Classroom»:

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