Verdrängungskampf im Schwimm-Mekka der Zentralschweiz

Vom Campus verbannt: Der Schwimmclub Sursee muss aufgeben

Das neue 50-Meter-Olympia-Beckenin der Sportarena des Campus Sursee. (Bild: Facebook Campus Sursee)

Im April hat die moderne Schwimmsportarena des Campus Sursee ihren Betrieb aufgenommen. Keinen Zutritt mehr erhielt der Schwimmclub Sursee, der jahrelang das alte Hallenbad im Campus genutzt hatte. Konsequenz: Der Verein wird nun aufgelöst, die Gründerin verliert alles – selbst ihre Wohnung.

Es umfasst ein riesiges 50 Meter langes Olympia-Becken, ein 25-Meter-Becken mit Ertrinken-Erkennungssystem und ein angegliedertes Spa: das neue Schwimmzentrum auf dem Campus Sursee, das im April dieses Jahres eingeweiht wurde. Der Luzerner Gesundheits- und Sportdirektor Guido Graf (CVP) bezeichnete es in einer Festschrift zur Eröffnung als «Schwimm-Mekka der Zentralschweiz», als «neues Magglingen».

Auch die meisten Besucher sind zufrieden, loben die moderne Infrastruktur, auch wenn sie oft über die hohen Eintrittspreise meckern. Auf Google Maps, wo bisher 38 Bewerter die Sportarena beurteilt haben, erhält diese 4,4 von 5 Sternen – das ist mehr als nur gut.

Für Betrieb auf sich allein gestellt

Freuen über die neue Infrastruktur können sich allerdings nur jene, die sie benützen dürfen. Das gilt nicht für alle. Bereits lange vor Eröffnung der neuen Sportarena wurden drei Schwimmschulen der Gegend und der Schwimmclub Sursee vom Campus benachrichtigt. Künftig könnte ihnen nicht die gleiche Wasserfläche zu Verfügung stehen, man wolle eventuell eine eigene Schwimmschule gründen.

«Wir waren bekannt vom Kanton Luzern bis weit in den Aargau hinein.»

Gabriella Colombo-Herzog, Schwimmclub Sursee

Was Anfang 2018 auch passierte. Der Campus bietet alles aus einer Hand an, von Schwimmkursen für Anfänger bis zum Leistungssport. Sämtliches, was Erträge generiert, macht die Sportarena selbst. Denn der Campus erhielt zwar für den Bau der neuen Bäder Millionen von der öffentlichen Hand, muss aber für den Betrieb ohne staatliche Beiträge auskommen. Guido Graf nennt das in seiner Festschrift «ein nachhaltiges ökonomisches Betriebskonzept».

Hauptmieter im alten Bad

Dem Schwimmclub Sursee, der einst rund 500 Mitglieder hatte, wie die Gründerin Graziella Colombo (geborene Herzog) sagt, hat dieses Konzept nun das Genick gebrochen. Per Ende August tritt der Schwimmclub aus dem Schweizerischen Schwimmverband aus. Per Ende Jahr wird er aufgelöst. Er hat keine Wasserflächen zum Mieten gefunden – und kann somit keine Dienstleistungen mehr für seine Mitglieder anbieten.

«Dass so eine 18-jährige Aufbauarbeit vernichtet wird, macht mich traurig und wütend zugleich», sagt Colombo. Der Verein fokussierte sich früh auf das alte Hallenbad des Campus, belegte zeitweise über 50 Prozent der verfügbaren Wasserfläche. «Wir richteten 1700 Trainingslektionen pro Jahr aus», sagt Colombo. «Wir waren bekannt bis weit in den Aargau hinein.»

Wassermiete nicht bezahlt

Der Bruch kam 2017. Der Schwimmclub Sursee rechnete eigentlich damit, noch 2018 Wasserflächen zu bekommen – zumal das neue Leistungsschwimmzentrum erst 2019 eröffnet würde.

Doch der Campus Sursee begann mit der eigenen Schwimmschule noch im alten Bad. Der Schwimmclub Sursee konnte die reservierten Wasserflächen des zweiten Halbjahrs 2017 nicht bezahlen. «Wir waren ein nicht gewinnorientierter Verein», sagt Colombo. «Wir lebten von der Hand in den Mund.»

Der Campus profitierte

Es folgten juristische Auseinandersetzungen. Der Schwimmclub, der früher zwölf Leute beschäftigte, musste im Dezember 2017 seinen Schwimmlehrerinnen und Schwimmlehrern kündigen, weil er keine Wasserfläche mehr hatte. Einige hörten auf, der Rest wurde von der Schwimmschule des Campus Sursee übernommen. «Sie haben von unserem Know-how profitiert», sagt Colombo.

Ihre Spezialität war es, Anfängern das Schwimmen in tiefem Wasser beizubringen – normalerweise beginnt man mit dem Unterricht im Nichtschwimmerbecken, das es im alten Campus aber nicht gab.

Hoffen auf schuldenfreien Abgang

Dem Schwimmclub blieb nichts anderes, als die Mitglieder darüber zu unterrichten, dass man künftig keine Dienstleistungen mehr erbringen könne. Sitzen bleibt er auf einem Darlehen von 30’000 Franken, mit dem Unterrichtsmaterial und Abzeichen angeschafft wurden.

Weil der Lieferant auf seine Forderung verzichtet, hofft der Schwimmclub Sursee nun, den Verein ohne Schulden liquidieren zu können. Vermögenswerte sind keine vorhanden. Dennoch will der Campus Sursee die alte Schuld für die Wasserbenützung via Betreibungsamt und Bezirksgericht eintreiben.

Keine Chance

Für die Gründerin des Schwimmclubs Sursee kommt es aber noch dicker. Gabriella Colombo, 59 Jahre alt, hat andere Jobs gesucht, ist aber trotz vieler Bemühungen gescheitert. «Ich erhalte weder als Schwimmlehrerin noch anderswo eine Anstellung», sagt sie.

Sie hat kürzlich geheiratet. Ihr Mann hat nur sporadisch Arbeit. Ihre Wohngemeinde ist der Ansicht, dass ihre Wohnung zu teuer sei, um sie fremdzufinanzieren. Sie muss sie künden. Am Telefon weint sie.

Kooperation mit Migros

Bleibt die Frage, wie es der Sportarena auf dem Campus Sursee wirtschaftlich geht. Die Schwimmschule spannt mit der Migros zusammen, kann so zusammen mit der Klubschule preiswerte Kurse anbieten. 

Viele Gemeinden der Region arbeiten mit dem Campus bezüglich Schulschwimmen zusammen ­– was im Lehrplan 21 verbindlich vorgeschrieben wird. Nur dass die Gemeinden eben eigene Lehrkräfte delegieren – und nicht die Schwimmlehrer des Campus buchen.

Oft ist das Bad leer

Ausserdem gibt es immer noch viele Leerzeiten in den Bädern, wie auch die Dame am Empfang sagt: «Wir sind eben eine grosses Schwimmzentrum.»

Der Verantwortliche für die Sportarena, der ehemalige Spitzensportler Mathias Hecht, ist für zentralplus nicht zu sprechen.

Die letzten Neuigkeiten vom Campus erreichten uns im Juni: Der Geschäftsführer Daniel Suter, ein Mann mit hervorragenden Referenzen, lässt sich kommendes Jahr mit 60 frühpensionieren.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von ERNST Ruedi
    ERNST Ruedi, 05.09.2019, 15:10 Uhr

    .. wenn Ökonomie keinen Spielraum offen lassen will für ein wichtiges und unterstützungswürdiges Projekt, das dem Interesse der Allgemeinheit dient (Bewegungsmangel begegnen), dann stimmt das SEHR nachdenklich. Spricht nicht für den Campus.

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  • Profilfoto von Ekkehard Blomeyer
    Ekkehard Blomeyer, 04.09.2019, 08:00 Uhr

    Mist!
    Ich sehe immer wieder, dass man die Grossen (hier die Migros) einfach nicht unterstützen darf. Sie verdrängen andere, um selbst zu wachsen. Hätte es da nicht Möglichkeiten gegeben, Hand zu bieten? Wir werden unsere Probleme nur gemeinsam lösen können. Umweltverträgliches Wachstum bezieht die Umwelt mit ein.

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