Kantonsrat Thomas Lötscher zum Finanzausgleich

«Vielleicht muss Zug die Steuern senken, um konkurrenzfähig zu bleiben»

Zug mag nicht mehr die Milchkuh der Nation sein. (Bild: Barbara Wieser)

Die Zuger FDP rüttelt mit aller Kraft am System des Nationalen Finanzausgleichs. Das Resultat: Ein Vorstoss jagt den anderen. Und bis heute ist noch jeder am Widerstand der anderen Kantone gescheitert. Eine aktuelle Motion fordert, dass das System bei den Unternehmen grundsätzlich überarbeitet wird. Ein aussichtsreicher Vorschlag oder mangelnde Solidarität? zentral+ hat mit dem Motionär und FDP-Kantonsrat Thomas Lötscher gesprochen.

zentral+: Ein Ziel Ihrer Motion ist es, dass die Bundesgelder, die den Kantonen zukommen, nicht nach Köpfen, wie bisher, sondern nach dem Bundessteuervolumen der juristischen Personen verteilt werden. Das hiesse ja, dass der Kanton Zug, der sowieso schon finanzstark ist, noch mehr Geld erhalten würde?

Thomas Lötscher: Nein, wir tasten das bisherige System nicht an. Es geht um noch nicht definierte, eventuelle zukünftige Ausgleichszahlungen. Die Steuerausfälle, welche im Zuge der Unternehmenssteuerreform (USR III) zum Tragen kommen könnten, sind die von juristischen Personen, also von Firmen. Davon sind natürliche Personen ausgeklammert. Wenn man dies also kompensieren will, ist es nur logisch diese Kompensationen am Bundessteuerertrag der juristischen Personen zu bemessen. Es wäre falsch, wenn alle Kantone den gleichen Pro-Kopf-Beitrag bekämen. Das würde heissen, dass Kantone Geld bekommen, aber gar nicht wissen warum. Aber das Problem, das beispielsweise Genf wegen seiner hohen Anzahl an Firmen erleiden würde, wäre weiterhin ungelöst und andere Kantone müssten dann in die Bresche springen. Den Kanton Zug würde das Problem weniger betreffen, da Zug bereits tiefe Unternehmenssteuern hat.

zentral+: Dann setzt sich die Zuger FDP also für ein Thema ein, das Zug gar nicht betrifft?

Lötscher: Beim Erhalt von Geldern betrifft es Zug in der Tendenz weniger als andere. Doch beim Einzahlen von Steuern und NFA-Beiträgen dürfte es uns stark betreffen. Wir müssen das Ganze ja mitfinanzieren. Wir wollen, dass der Ausgleich so gezielt wie möglich stattfindet und dass wir nicht einfach willkürlich mit der Giesskanne über alle Kantone giessen. Das wäre sehr viel Geld, und das täte definitiv ziemlich weh.

zentral+: Dieses Motto, dass man nicht für andere Kantone aufkommen möchte, widerspricht das nicht dem ganzen Solidaritätsprinzip des NFAs?

Lötscher: Es war nie unsere Absicht, die Solidarität über den Haufen zu werfen. Wir stehen hinter der Solidarität und wir stehen hinter der Struktur, dass schwache Kantone unterstützt werden. Aber nur diese. Hier haben wir eben wieder dieses Giesskannensystem. Und das ist eines der Themen, die wir anschauen und lösen müssen.

Das ganze Solidaritätsthema in der NFA ist sehr speziell. Wir haben eine Struktur, dass alle 26 Kantone entweder Geld einzahlen oder bekommen. Viele der Kantone, die jedoch in der Mitte der Skala sind, hätten das Geld gar nicht nötig. Es wäre viel sinnvoller, wenn die finanzstärksten Kantone für die ärmsten aufkämen, und in der Mitte eine neutrale Zone wäre. Das wäre fair und solidarisch. Heute jedoch erhält beispielsweise der Kanton Aargau Gelder – ein Kanton im Flachland, das Wasserschloss der Schweiz, ideal zwischen den Wirtschaftszentren Basel, Bern und Zürich gelegen, und er erhält Geld. Warum das so ist? Der Bund braucht die Stimmen des Kantons Aargau, um die Geberkantone zu überstimmen. So kann man mit ihnen machen, was man will.

«Ich kann Ihnen ehrlich sagen, ich hatte schon ein schlechteres Gefühl.»

Thomas Lötscher, Zuger FDP-Kantonsrat

zentral+: Klingt nach Mutmassung.

Lötscher: Das ist jedenfalls das Resultat des heutigen Systems. Es gab noch kein Anliegen im Bezug auf die NFA, das von den Geberkantonen kam und durchgekommen wäre. Es ist in gewissem Sinne schon eine Mutmassung, aber es war wohl schon so geplant als man die NFA entwickelt hat, dass darauf geachtet wurde, dass man bei Volksabstimmungen die Mehrheit hat.

zentral+: Die Zuger FDP ist enorm präsent im Thema NFA. Man hat gar den Eindruck, dass es der FDP weniger um die einzelnen Vorstösse geht als darum, Aufmerksamkeit zu generieren.

Lötscher: Nun, die Aufmerksamkeit über den Kanton hinaus ist sehr wichtig. Aber natürlich geht es um Inhalte; bei der USR III geht es insbesondere darum, dass wir rechtzeitig am Thema dran sind, dass der Regierungsrat hartnäckig bleibt. Wir haben den Eindruck, dass die Kantonsregierung etwas zu sehr darauf wartet, was von Bern kommt. Die FDP wünscht, dass die Regierung ihre Erfahrungen mit dem internationalen Steuerwettbewerb proaktiver einbringt.

Beim Thema NFA hat die Regierung viel gemacht, viel versucht und ist aufgrund der Mehrheiten in Bern immer gegen die Wand gelaufen. Und selbstverständlich geht es auch darum, der Regierung den Rücken zu stärken, und den anderen Kantonen zu zeigen: Wir haben einen massiven Unmut im Kanton, haben Parteien, Politiker, Bürger, die Druck machen. Ich kann Ihnen ehrlich sagen, ich hatte schon ein schlechteres Gefühl.

«Es ist zugegebenermassen eine Problemstellung, zu der wir auch nicht alle Antworten haben, denn wir kennen ja noch nicht mal alle Fragen.»

Thomas Lötscher, Zuger FDP-Kantonsrat

zentral+: Weshalb?

Lötscher: Bisher wurden die Geberkantone immer abgeschmettert mit ihren Anliegen. Auch hatte ich den Eindruck, dass die Anliegen der Geberkantone im Rest der Schweiz nicht wahrgenommen werden, dass es gar niemanden sonst interessiert. Unser Vorstoss mit dem Sperrkonto (zentral+ berichtete), der hat jedoch Echo gezeigt. Zwar wurden wir kritisiert, die Idee sei nicht sehr staatsmännisch, aber wir wurden in der ganzen Schweiz wahrgenommen. Und letzte Woche hat sich die Finanzkommission des Nationalrats für unsere Anliegen eingesetzt (zentral+ berichtete). Ob das ist, weil man aufgrund unseres Vorstosses aufgewacht ist, kann ich nicht sagen. Es könnte geholfen haben.

zentral+: In der aktuellen Motion fordert die FDP, dass das System der NFA parallel zur USR III angepasst wird.  Was heisst das?

Lötscher: Wir sind der Meinung ist, dass man diese beiden Systeme nicht getrennt betrachten kann. Aus Zuger Sicht ist die USR III eine ziemliche Knacknuss. Sie wird dazu führen, dass Anpassungen gemacht werden müssen in den Steuersystemen der Kantone. Vielleicht müssen wir gar mit den Steuern herunterfahren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Das führt zu Einnahme-Ausfällen, und diese müssen kompensiert werden.
Da stellt sich jetzt Frage, wie das passieren soll, denn der Bund hat nicht unbeschränkte Mittel. Wir fürchten, dass er das über die NFA macht, ohne dabei gewisse Reformen der NFA, die nötig wären, an die Hand zu nehmen. Die systemischen Fehler der NFA will man nicht anschauen. Es hat ja alles mit dem Thema Steuerausfälle zu tun. Und es sind happige Ausfälle durch die USR III zu erwarten. Deshalb muss man das ganzheitlich anschauen.

Es ist zugegebenermassen eine Problemstellung, zu der wir auch nicht alle Antworten haben, denn wir kennen ja noch nicht mal alle Fragen. Es geht einfach darum, dass wir bereit sein müssen. Unser Kanton muss im richtigen Moment am richtigen Ort stehen.

zentral+: Der Zuger Finanzdirektor Peter Hegglin kritisiert Ihr Anliegen insofern, als die zeitliche Angleichung der Systeme schwierig zu bewerkstelligen sei. Die neuen Regelungen der NFA gelten ab 2016 für vier Jahre, die USR III wird jedoch erst frühestens 2019 Wirkung zeigen und ist zudem für eine längere Zeitspanne gedacht.

Lötscher: Ich verstehe diese Ansicht im Grundsatz. Regierungsrat Hegglins Betrachtungsweise ist technokratisch korrekt. Man kann auf dieser Ebene schon sagen, dass es keinen direkten Zusammenhang gibt zwischen NFA und USR III. Anderseits stehen beide Themen aus Zuger Sicht in engem Zusammenhang.

Denn wie gesagt, schätzen wir die Situation so ein, dass aufgrund des Drucks, der vom Ausland auf die Schweiz entstehen wird, der Ruf nach Ausgleich laut wird. Da dies der Bund nicht alleine tragen kann, müssen die Kantone das teilweise übernehmen. Und das betrifft dann sicher nicht die finanzschwachen Kantone wie Jura und Uri, sondern die, die bereits jetzt massiv belastet werden. Wenn also für die USR III sowieso am Finanzausgleich geschraubt wird, dann wollen wir auch, dass unsere Kritikpunkte aufgenommen werden.

 

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