Zuger Gastroszene ärgert sich über Italo-Küchen

«Viele ausländische Wirte glauben ans schnelle Geld»

Nicht überall wo «italienisch» draufsteht, ist auch italienisch drin. Doch den Kindern ist das wohl egal.

 

(Bild: slam)

In Zug werden immer mehr Billig-Gerichte als «italienische Küche» verkauft. Die Strategie geht für Take-Aways und Billiganbieter auf, aber «es ist tragisch» findet man nicht nur bei Gastro Zug, sondern auch beim «guten alten Italiener».

Viele Restaurants öffnen in Zug ihre Türen, um nach kurzer Zeit und einer kulinarischen Bruchlandung wieder zu schliessen. Zu wenig Umsatz lautet oftmals die offizielle Begründung. In den letzten Jahren wehen bei vielen dieser Adressen italienischen Fähnchen vor der Türe oder auf dem Menu, um auch Familien vermehrt anzulocken. Besonders billig hergerichtete italienische Restaurants schiessen dabei wie Funghi aus dem Boden.

«Fast»-Küchen, fast kein Geschmack

Ziemlich fade Funghi, findet einer der am längsten aktiven Wirte, Rocco Catalano aus Cham, denn auch bei einfachen Gerichten, die jeder meint kopieren zu können, gäbe es grosse Unterschiede: «Viele ausländische Wirte glauben ans schnelle Geld mit dem Kopieren der mediterranen Küche. Ihre Zutaten kommen etwa aus China statt aus Italien, doch das schmeckt nach fast gar nichts.» Fast nichts kosten dabei nicht nur die Zutaten, sondern auch die dazu benötigten «Fast»-Küchen.

«Viele schliessen wieder, wenn sie sehen, wie viel Aufwand hinter den Kulissen steckt. Es ist tragisch – tragisch für uns, aber auch für die Gäste.»

Barbara Schneider, Präsidentin Gastro Zug

The Spirit of Family Tradition «la vita e buono» salsa pomodoro!!!

Posted by La Campana on Mittwoch, 15. Juli 2015

Sugo wie zu Nonnas Zeiten. Statt Handarbeit gibt’s vielerorts Zutaten aus China.

Gastro Zug Präsidentin Barbara Schneider bestätigt diese Entwicklung: «Viele, die aus dem Ausland kommen, lernen rasch italienische Gerichte zu kochen, oder sie haben diese bereits in petto. Die Rendite ist bei Pizza & Co. grösser, es braucht weniger Material und Infrastruktur.» Ein Pizzaiolo ist ebenfalls schneller angelernt als ein Koch. Rocco Catalano kennt solche Wirte nur zu gut: «Sie sehen einfach viel weniger Aufwand beim Improvisieren von regionalen Gerichten aus Italien.»

Eine Pizza wurde vor wenigen Jahren plötzlich zwei Franken günstiger gegenüber seines Restaurants angeboten. Er befand sich von da an im zermürbenden Kampf um Qualität, aber vor allem um Rentabilität. Wenig erstaunlich also, dass die Mehrheit neuer Restaurants heute Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs) sind. Sie minimieren so ihr Verlust-Risiko.

50 Restaurants kommen, um zu gehen

Barbara Schneider, Gastro Zug

Barbara Schneider, Gastro Zug

(Bild: zVg)

Die Restaurant-Gäste schauen heutzutage vermehrt auf den Preis. 260 Millionen Franken weniger gaben die Schweizer 2015 im Vergleich zum Vorjahr für Essen und Trinken ausser Haus aus. Dazu komme, dass sie lieber in die Stadt essen gehen, sagt Schneider, die selbst Wirtin im «Rössli» in Oberägeri ist: «Es gibt in den Städten einen Boom von neuen Restaurants. In Zug waren es 50 Neueröffnungen und Schliessungen, in Zürich sogar 120, allein im letzten Jahr. Die Leute kurbeln den Boom an, wenn sie ständig nur neue Sachen ausprobieren wollen. Doch die Gäste die mal weg sind, bleiben weg, auch wenn ihr neues Lieblingsrestaurant nach kurzer Zeit wieder dichtmacht.» Und das kommt nicht von ungefähr. Unrentabilität plagt die gesamte Branche: «Viele schliessen wieder, wenn sie sehen, wie viel Aufwand hinter den Kulissen steckt. Es ist tragisch – tragisch für uns, aber auch für die Gäste», sagt Schneider.

«Um zu überleben, sind wir auf ausländische Mithilfe angewiesen. Wir sind deshalb gegen die geplante Kontingente der Masseneinwanderungsinitiative.»

Barbara Schneider

Gemäss der Webseite von Zug Tourismus isst man bei jedem zehnten Restaurant «italienisch». Doch eigentlich sind es viel mehr, bestätigt uns Barbara Schneider: «Von den sogenannten italienischen Angeboten sind 80 Prozent eher Pizzerien und 20 Prozent gehobene italienische Küche. Bei genauerem Hinsehen und kurzem Blättern im lokalen Lifestylemagazin wird einem die Realität schnell vor Augen geführt: Heute zählt nicht das Essen, sondern der Erlebnis-Faktor.

Gastro Zug wünscht sich deshalb statt einer «Plage von Eintagsfliegen» in der Gastroszene wieder mehr Regionales, aber vor allem wieder konstantere Abwechslung für Zug. Es sei schade, denn es gäbe exzellente Italiener – teilweise kämen diese auch ohne Pizza oder Pasta prima aus. Für Innovation und Qualität bezahlten einige aber einen teuren Preis: den der Liquidation. Oder sie werden zum Verkaufen ihres Etablissements genötigt.

Familienmitglieder als Billiglöhner

Vor einiger Zeit hätte praktisch jeder ein Restaurant aufmachen können und hätte das Gefühl gehabt, das komme gut, weiss die Zuger Verbandspräsidentin. Doch auch sie ist sich im Klaren, dass der Preis für die Kunden wichtiger geworden ist. Da kommt es beispielsweise asiatischen Restaurants oder Take Aways und Pizzerien gerade recht, dass ausländische Kurzaufenthalter günstiger arbeiten, auch ohne formelle Vorkenntnisse. Auch Verwandte müssten in vielen Betrieben wie dem ihren auch mit anpacken.

«Die Kinder sagen heutzutage, wo die Familie essen geht. Und Kinder lieben eben Pizza.»

Barbara Schneider

LAB created & made by CATALANO

Posted by La Campana on Mittwoch, 12. November 2014

«Kreative» Beispiele italienischer Küche

«Familienmitglieder helfen auch bei uns im Betrieb mit, doch anders als viele andere zahlen wir allen gerechte Löhne. Das ist in anderen Familienbetrieben ganz anders. Man kann das auch nicht kontrollieren, aber wir wünschen uns hier mehr Struktur.» Während sich günstige Take Aways und Restaurants sowie Neuwirte kannibalisieren, gibt es weitere Trends, die die Gastronomen in Teufels Küche bringen.

Zurück in die kulinarische Zukunft

Dass Pizza & Co. so beliebt sind, erstaunt die seit drei Jahren im Amt stehende Gastro-Präsidentin nicht: «Es ist eine von mehreren Trends, die wir bei Gastro Zug, aber auch in der Schweiz feststellen: Die Kinder sagen heutzutage, wo die Familie essen geht. Und Kinder lieben eben Pizza.» Schon hat man also den Salat? Wohl eher eine fade Billig-Pizza, wenn es nach den erfahrenen Wirten geht.

Letztlich gibt es auch Licht am Horizont der einheimischen Gastroszene: Nicht zuletzt profitieren vom günstigen Italo-Boom gerade auch traditionelle Küchen, bestätigt Schneider: «Die Leute mögen viele der neuen Billigküchen nicht und kommen auf der Suche nach Qualität und authentischem Essen zurück zum Altbewährten.» Vielleicht wissen die Restaurant-Gänger bei allem Preisbewusstsein eben doch, wo sich Qualität langfristig auszahlt, auch für ihre Zukunft beziehungsweise jene ihrer wählerischen Kinder.

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