Bundesgericht hält die Schutzbestimmungen weitgehend aufrecht

Viele Änderungen beim Zuger Denkmalschutz sind nur Folklore

Ständiger Zankapfel hinsichtlich einer Unterschutzstellung: Überbauung Alpenblick in Cham, 1964-1969 errichtet (Bild: Wolfgang Holz). (Bild: Wolfgang Holz)

Das Bundesgericht hat kürzlich eine Bestimmung aus dem neuen Zuger Denkmalschutz gestrichen, den Wortlaut des verwässerten Gesetzes aber belassen. Inhaltlich hat das höchste Schweizer Gericht nun verfügt, dass vieles beim Alten bleiben muss.

Das neue Zuger Denkmalschutzgesetz soll die Hürden für die Unterschutzstellung eines Gebäudes erhöhen. Und so Liegenschaftsbesitzern entgegenkommen, die ihre alten Häuser abreissen oder stark umbauen wollten.

Das Gesetz wurde bekanntlich von den Stimmbürgern an der Urne gutgeheissen (zentralplus berichtete). Dagegen haben fünf Private, die schützenswerte oder geschützte Immobilien besitzen, Beschwerde beim Schweizerischen Bundesgericht erhoben und argumentiert, verschiedene Bestimmungen des Gesetzes verstiessen gegen übergeordnetes Recht.

Referendumskomitee meldet sich zu Wort

Kürzlich hat das Bundesgericht jene Bestimmung  aus dem neuen Gesetz gestrichen, wonach ein Bau mindestens 70 Jahre alt sein muss, um geschützt zu werden. Der Rest des Gesetzestexts wurde nicht beanstandet (zentralplus berichtete).

Dennoch bewirkt das Bundesgerichtsurteil, dass beim Denkmalschutz im Kanton Zug vieles beim Alten bleibt. Dies haben die vier Verbände erkannt, welche seinerzeit das Referendum gegen die Aufweichung des Denkmalschutzes ergriffen hatten: Das BauForum Zug, der Zuger Heimatschutz, der Archäologische Verein Zug und der Historische Verein des Kantons Zug.

Grosse Genugtuung

Nach Analyse des Gerichtsurteils kamen sie vergangene Woche «mit einiger Genugtuung» zum Schluss, dass das oberste Gericht der Schweiz «unsere Bedenken gegen das unausgegorene Gesetz» bestätigt habe, die wesentlichen Grundanliegen des Referendums geklärt und die Anliegen des Denkmalschutzes «eindeutig» gestärkt habe.

In einer Medienmitteilung von Mittwoch betonen Sie, dass mit der Streichung der 70-Jahre-Regel das Hauptanliegen des Referendums erfüllt sei. Die Schweiz sei einer der wenigen Staaten in Europa, in denen sich die Baukultur während und nach dem Zweiten Weltkrieg ohne Unterbruch weiterentwickelt habe. «Auf dem Platz Zug waren die namhaften Vertreter dieser Entwicklung Leo Hafner, Josef Stöckli, Hans Peter Ammann, Hanns Anton Brütsch, Fritz Stucki und weitere. Mit der 70-Jahre-Regel wären zahlreiche dieser identitätsstiftenden Bauten ohne Überprüfung ihres Wertes abgerissen worden», schreiben sie.

Das Granada-Abkommen

Ausserdem rufen die Verbände in Erinnerung, gegen welche völkerrechtliche Übereinkunft Teile des Zuger Gesetzes verstossen: nämlich gegen das Granada-Abkommen, das die Schweiz 1996 ratifiziert hat. Darin verpflichten sich die unterzeichnenden Staaten, dem baugeschichtlichen Erbe Sorge zu tragen und es angemessen zu schützen. Konkret heisst das: «Das Abkommen schützt alle Bauwerke von herausragendem geschichtlichem, archäologischem, künstlerischem, wissenschaftlichem, sozialem oder technischem Interesse mit Einschluss zugehöriger Einrichtung und Ausstattungen. Die für diesen Schutz notwendigen Massnahmen beinhalten geeignete Mittel bis hin zum Heimschlagsrecht», heisst es im Communiqué. Und: «Das Abkommen von Granada kennt keine Unterscheidung von lokalen, kommunalen, oder nationalen Schutzobjekten, wie dies im Gesetz von Zug vorgesehen war.»

Nun hatte der Kantonsrat mit verschiedenen neuen Bestimmungen versucht, die Hürden für die Unterschutzstellung eines Baudenkmals zu erhöhen. Es sollte nicht mehr reichen, wenn Gebäude nur von sehr grossem wissenschaftlichen, heimatkundlichen oder kulturellen Wert sind – nein, es sollten mindestens zwei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein. Ausserdem reicht ein «sehr» hoher Wert nicht mehr, der neue Massstab lautet nun «äusserst hoch».

Bundesgericht hält sich zurück

Diese Verschärfungen relativiert das Bundesgericht erheblich, haben die vier Zuger Verbände erkannt. Nur: Der Wortlaut des neuen Gesetzes blieb bestehen. Warum?

Die Begründung findet sich im Urteil. Das Bundesgericht überprüfe einen kantonalen Erlass im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle grundsätzlich mit freier Kognition, «auferlegt sich aber aus Gründen des Föderalismus sowie der Verhältnismässigkeit eine gewisse Zurückhaltung», heisst es dort.

Freie Auslegung eingeschränkt

Nach der Rechtsprechung sei es massgebend, ob der betreffenden Norm «nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn beigemessen werden kann, der sie als mit dem angerufenen Verfassungs- oder Gesetzesrecht vereinbar erscheinen lässt». Das Bundesgericht hebe eine kantonale Norm nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen oder mit dem höherstufigen Bundesrecht vereinbaren Auslegung entziehe.

Dies war bei der 70-Jahre-Regel nicht möglich, bei den anderen verbalen Verschärfungen schon. Wobei aber keine freie Auslegung des Gesetzestexts möglich ist, sondern nur eine, die mit dem Granada-Abkommen und anderen Bundesbestimmungen vereinbar ist. Ausdrücklich mahnt das Bundesgericht, dass der Kanton Zug auch Schutzbestimmungen aus dem Bundesgesetz über Natur- und Heimatschutz samt den zugehörigen Umsetzungserlassen zu berücksichtigen hat sowie auch die Verordnung über das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz.

Kantonsrat zielte ins Leere

Doch kehren wir zu den beiden umstrittenen Passagen des Zuger Denkmalschutzgesetzes zurück, welche das Bundesgericht nicht kassiert hat. Erstens ist da die Vorschrift, dass zwei von drei denkmalpflegerischen Werten für eine Unterschutzstellung nötig sind. Nun: Laut Bundesgerichtsurteil weist ein Objekt von hohem kulturellem oder heimatkundlichem Wert zwangsläufig immer auch einen hohen wissenschaftlichen Wert auf. Die Verschärfung durch den Kantonsrat läuft also ins Leere.

Weiter bestimmt das Bundesgericht, dass der neu eingeführte Massstab «äusserst», den es in der Schweizer Rechtssprache bisher nicht gab,  für denkmalpflegerisch relevante Themen nicht restriktiver gehandhabt werden darf als der im Granada-Abkommen verwendete Begriff «herausragend».

In der Praxis ändert sich weniger als gedacht

In der Vollzugspraxis dürfte darum die vermeintliche Verschärfung von «sehr» zu «äusserst» bedeutungslos werden, glauben die vier Zuger Verbände. Die vom Referendumskomitee nie bestrittene Möglichkeit des einvernehmlichen Unterschutzstellungsvertrags und die festgelegte Erhöhung der Kostenbeteiligung an die denkmalrelevanten Bauarbeiten bleiben damit die einzigen massgeblichen Änderungen im neuen Denkmalschutzgesetz. Die Abschaffung der Denkmalkommission bleibe ein Wermutstropfen.

Trotz der Zufriedenheit über das Urteil wünscht sich das Referendumskomitee, «dass künftig wieder mehr inhaltlich diskutiert wird und alle Beteiligten zusammen und nicht gegeneinander an der Erneuerung und Weiterentwicklung unseres kulturellen Erbes arbeiten werden».

Im persönlichen Gespräch verweisen Verantwortliche der vier Zuger Verbände darauf, dass sie damit auch den Standpunkt von mehreren Hundert ihrer Mitglieder vertreten. Seitens der Regierung hatte Andreas Hostettler (FDP), Vorsteher der Direktion des Inneren, in den Medien bereits nach Publikation des Bundesgerichtsurteils seiner Erleichterung darüber Ausdruck verliehen, dass nun verschiedene Streitpunkte zum Zuger Denkmalschutz geklärt wurden. Eine Stellungnahme zur neuen Analyse der vier Verbände war von der Regierung bislang nicht erhältlich.

Hier findest du als PDF-Dokument die Stellungnahme des Referendumskomitees «Nein zum Denkmalschutzgesetz» zum Urteil des Bundesgerichts über die Beschwerde gegen das Gesetz über Denkmalpflege, Archäologie und Kulturgüterschutz des Kantonsrats des Kantons Zug vom 31. Januar 2019 (GS 201 9/085).

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