Waren Asylsuchende nicht kooperativ?

Verweigerung von Nothilfe: Luzerner Regierung weist Vorwürfe zurück

Regierungsrat Paul Winiker weist die Vorwürfe vehement zurück. (Bild: bic)

Der Verein «Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern» wirft dem Amt für Migration die systematische Verweigerung von Nothilfe und unzulässige Zwangsmassnahmen vor. Der Regierungsrat weist die Kritik nun vehement zurück.

Die «Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern» richtete sich letzten November in einem offenen Brief schwere Vorwürfe an das Amt für Migration. So sollen die Behörden Asylsuchenden «systematisch und rechtswidrig» die Nothilfe verweigert sowie unzulässige Zwangsmassnahmen angewandt haben. Konkret ist zum Beispiel von einer eritreischen Frau sowie einem Iraker die Rede, denen eine Auszahlung verweigert worden sei.

Anspruch auf Nothile von zehn Franken pro Tag und eine Unterkunft haben beispielsweise Personen, deren Asylgesuch abgewiesen worden ist. Weil die nicht geleistet worden sei ihrem Schreiben hatte der Verein «Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern» dem Kanton sogar mit rechtlichen Schritten gedroht.

«Nothilfe ist nicht bedingungslos»

Doch von Verfehlungen will der Regierunsrag nichts wissen. «Wir distanzieren uns mit Nachdruck von den öffentlich geäusserten Vorwürfen», schreibt Regierungspräsident Paul Winiker in seiner Stellungnahme an den Verein. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement habe die Eingabe als aufsichtsrechtliche Anzeige entgegen genommen und zu den geschilderten Einzelfällen Abklärungen gemacht.

Diese Überprüfungen hätten ergaben, dass eine systematische Verweigerung von Nothilfe und damit verbunden der Vorwurf von Willkür in keiner Art und Weise erkennbar sei. «Nothilfe ist nicht bedingungslos geschuldet», führt Regierungspräsident Winiker aus. Denn es werde eine Mitwirkung gefordert, welche das Sozialhilfegesetz explizit vorsieht, um die Bedürftigkeit abzuklären und letztlich eine Bewilligung erteilen zu können.

Haben Asylbewerber die Mitwirkung verweigert?

«Die von der Sans-Papiers-Stelle gerügte Verweigerung der Nothilfe war gemäss den Abklärungen grösstenteils im unkooperativen Verhalten der Gesuchsteller begründet. Im Übrigen verweist ein von der Sans-Papiers-Stelle selber in Auftrag gegebenes Gutachten auf die Mitwirkungspflicht», ergänzt die Justiz- und Sicherheitsdirektion.

Auch die Vorhaltung, einem jungen Afghanen seien vor dessen Rückführung verstörende Bilder von gefesselten Personen gezeigt worden, konnte gemäss Kanton nicht belegt werden. «Ein angeblicher Augenzeuge war beim Gespräch nicht im Raum anwesend und die behaupteten psychischen Probleme der betreffenden Person sind nicht aktenkundig und wurden auch zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht», so die Erklärung.

Regierungsrat bietet Aussprache an

Ebenso habe sich der Vorwurf geklärt, wonach einem Gesuchsteller das Handy abgenommen und durchsucht worden sei. «Gemäss der – vom Betroffenen im Übrigen handschriftlich bezeugten – Protokolle hat der Gesuchsteller sein Handy selber entriegelt und dem Mitarbeiter des Amts für Migration übergeben», schreiben die Behörden dazu. Gemäss diesen Protokollen habe er selbst bestimmten können, welche Bereiche des Handys angeschaut werden durften.

Das Antwortschreiben des Regierungsrates hält weiter fest, dass Einvernahmen, Gesuchs- oder Ausreisegespräche für alle Beteiligten eine kommunikative und menschliche Herausforderung darstellen. Der Regierungsrat unterbreitee der Sans-Papiers-Stelle Luzern ein Gesprächsangebot, um die im Schreiben geäusserten Themen gegebenenfalls zu vertiefen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von estermap
    estermap, 17.03.2020, 09:11 Uhr

    Der Bericht stützt sich vermutlich auf die kantonale Mitteilung
    https://newsletter.lu.ch/inxmail/html_mail.jsp?id=0&email=newsletter.lu.ch&mailref=000fpr00000ti000000000000bp6lxtw

    Diese Kurzfassung steht in einzelnen Passage im Widerspruch zum darin erwähnten ausführlichen Anhang.
    1. Es wird vom Amigra zugegeben, dass Nothilfe verweigert bzw verzögert gezahlt wurde. Die Begründung “fehlende Mitwirkung” ist Ermessenssache, die Mitwirkung sieht Amigra evt weiter gefasst als das Gesetz und wird ja auch in Gutachten zu “gewisse Mitwirkung” relativiert.
    2. Ein Durchsuchen des Handys muss (gegenwärtig noch!) vom Richter bewilligt werden. Dass Amigra vom Besitzer eine “Einwilligung” eingeholt hatte zeigt, dass Amigra weiss sich auf dünnem Eis zu bewegen. Genauso wie Amigra in Schlüssen “davon ausgehen” kann, kann auch ein aussenstehender Beobachter davon ausgehen, dass dies mit Druck erfolgte; zumal es keine Zeugen gibt.
    3. RR Winiker: “Nicht belegt werden konnte auch die Vorhaltung, einem jungen Afghanen seien vor dessen Rückführung verstörende Bilder von gefesselten Personen gezeigt worden.” Weiter lässt sich Winiker zitieren, dass “der anwesende Einsatzleiter der Polizei diese Bilder auf A4 vergrössert und vorgelegt” habe. Am 15.11.2019 wurde sein Amigra-Chef in der Luzerner Zeitung zitiert, dass dieser angeordnet hatte, die Bilder aus der Bundesbroschüre mit den Bildern von Gefesselten gezeigt werden. Lieb: “Das Zeigen dieser Bilder kann natürlich als Drohung wahrgenommen werden.”

    Amigra habe “Vorgehensweise und Gesprächsführung standardisiert”. Diese Standards sollten offen gelegt werden.

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