Sohn wurde als Beistand eingesetzt

Vertrauen missbraucht: Zuger verprasste das Vermögen seines dementen Vaters (97)

Der Beschuldigte lebt in diesem Haus in Moskau – gemäss dem Verteidiger in einer «Mansarde» und in «tiefster Armut». (Bild: Google Maps)

Statt das Vermögen seiner hochbetagten Eltern in deren Sinne zu verwalten, zweigte ein Zuger fast 700’000 Franken für sich selber ab. Die Staatsanwaltschaft beantragt, den heute 74-Jährigen deshalb ins Gefängnis zu stecken – trotz angeblicher gesundheitlicher Probleme.

Er lebte zeitweise an der Zürcher Goldküste – heute wohnt er anscheinend einsam und verarmt in einer Mansarde in Moskau. Die Geschichte hinter dem Fall, der am Donnerstag vor dem Strafgericht Zug verhandelt wurde, könnte als Tragödie verfilmt werden. Es geht um grosse Träume, Verrat und den tiefen Fall eines Mannes, dem einst die ganze Welt offenstand.

Der Protagonist dieser Geschichte war 66 Jahre alt, als bei seinem Vater – damals 97-jährig – Alzheimer diagnostiziert wurde. Auch seine Mutter hatte mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Deshalb setzte die damalige Vormundschaftsbehörde 2011 den Sohn als Beistand für die beiden ein. Er sollte sich um die finanziellen Angelegenheiten seiner hochbetagten Eltern kümmern.

Dieser Entscheid sollte sich als grosser Fehler erweisen. Misstrauisch hätte man schon werden können, als der Sohn nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2012, den geforderten Schlussbericht nicht einreichte. Die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb), die den Fall 2013 übernahm, schickte mehrfach Mahnungen, unternahm ansonsten aber nichts. Erst im April 2014 stellte ein Kesb-Revisor fest, dass mit den Abrechnungen etwas nicht stimmte.

In diesen zwei Jahren verprasste der Sohn munter weiter das Geld seiner Mutter, die alles geerbt hatte. 2015 kam das ganze Ausmass der Katastrophe ans Licht: Von dem ursprünglichen Vermögen der Eltern war kaum noch was übrig. Der Sohn hatte es für seine eigenen Zwecke missbraucht.

Den Bruder um sein Erbe gebracht

Er machte dies einerseits über Bargeldbezüge und andererseits über angebliche Investitionen. Mit diesen versuchte er zu verschleiern, dass er das Geld für sich ausgab. Die Staatsanwaltschaft beziffert den so angerichteten Schaden auf rund 685’000 Franken.

«Alles, aber wirklich alles, hat er verloren.»

Der Verteidiger

Die Mutter des Beschuldigten ist inzwischen ebenfalls verstorben. Letztlich hat sich der Erbe also teilweise selbst bestohlen. Er hat mit seinem Verhalten allerdings auch seinen Bruder um einen Anteil von rund 330’000 Franken gebracht.

Der Mann hat gestanden, seine Funktion als Beistand missbraucht und eine mehrfache Veruntreuung begangen zu haben. Bereits letztes Jahr wurde er wegen ähnlicher Delikte vom Zuger Obergericht zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beantragt nun, diese um neun Monate zu verlängern und diesen Teil der Strafe unbedingt zu vollziehen.

Die Verteidigung setzt auf das Mitleid der Richterin

Die Verteidigung dagegen ist der Meinung, dass der Mann im Grunde bereits genug gestraft ist. Er sei selber Opfer eines Betrügers geworden und habe so das ganze Geld verloren, das er von seinen Eltern abzweigte.

Zeitweilig lebte der Mann an der Zürcher Goldküste. Seine heutige Lebenssituation könne davon nicht weiter weg liegen, sagt der Verteidiger. «Vom ursprünglichen Vermögen und dem komfortablen Leben ist dem Beschuldigten absolut nichts mehr geblieben. Alles, aber wirklich alles, hat er verloren.»

Und als nichts mehr dagewesen sei, habe ihn auch noch seine langjährige Ehegattin verlassen oder besser regelrecht auf die Strasse gestellt. «Er hatte einige Minuten Zeit, einen Koffer zu packen, und dann war’s das.»

Nicht einmal genug Geld für Früchte und Gemüse?

Der Mann lebe heute in «absoluter Armut» in Moskau. Er habe massive gesundheitliche Probleme. Wegen einer irreparablen Wirbelsäulenschädigung habe er 24 Stunden am Tag immense Schmerzen.

Zudem leide er an einer Niereninsuffizienz, die durch falsche Ernährung entstanden sei. Er habe zu wenig Vitamine gegessen, weil er nicht über die notwendigen Mittel verfüge, um genügend Früchte und Gemüse zu kaufen.

Mit einem Arztzeugnis belegen kann er seine Erkrankungen nicht, weil er sich auch den Arztbesuch nicht leisten könne. Gemäss seinem Verteidiger lebt der Mann von einer AHV-Rente in der Höhe von rund 2000 Franken monatlich.

Kesb machte es dem Täter einfach, das Geld abzuzweigen

Das Verschulden seines Mandanten wiege zudem nicht besonders schwer, findet der Verteidiger. Und zwar, weil es die Kesb und auch sein Bruder ihm so einfach gemacht hätten, die Delikte zu begehen. Die Kesb, indem sie ihre Aufsichtspflicht ungenügend wahrnahm. Und der Bruder, indem er in die USA auswanderte und sich nie um die Eltern gekümmert habe.

Aus diesem Grund sei eine bedingte Geldstrafe von 100 Tagessätzen à je 30 Franken bereits eine angemessene Bestrafung. Die zuständige Richterin kündigte an, das Urteil schriftlich zu eröffnen. Bis es so weit ist, dürfte es Anfang Jahr werden.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Glen Müller
    Glen Müller, 02.12.2019, 09:40 Uhr

    Die Kesb wurden schweizweit am 1.1.2013 eingeführt. Somit konnte der Sohn 2011 nicht von der Kesb eingesetzt werden. Dies war zur damaligen Zeit wohl die Vormundschaftsbehörde. Auch der Schlussbericht hätte er 2012 somit an die Vormundschaftsbehörde und nicht an die Kesb einreichen sollen. 2014 stellte dann tatsächlich ein Revisor der Kesb Unstimmigkeiten fest. Also ein Beleg dafür, dass die Kesb ihre Sache – ganz im Gegensatz zur vielgepriesenen Vormundschaftsbehörde – richtig gemacht hat.

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    • Profilfoto von Lena Berger
      Lena Berger, 02.12.2019, 14:04 Uhr

      Berechtigter Einwand. Die Kesb hat den Fall 2013 übernommen. Wir haben das in der Zwischenzeit korrigiert.

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