Durchgangsbahnhof in Gefahr

Zwei Kopfbahnhöfe übereinander? Luzern in grosser Sorge

Am Bahnhof Luzern ist für alle Züge Endstation. Der Durchgangsbahnhof soll das beheben. (Bild: Leserreporter)

Der Bundesrat hat auf zwei Vorstösse der Luzerner Nationalräte Michael Töngi (Grüne) und Leo Müller (Mitte) geantwortet. Die Antworten lassen aufhorchen.

Wenn es etwas gibt, was die Luzerner Nationalräte eint, so ist es deren Bekenntnis zum Luzerner Durchgangsbahnhof. Vor allem die Ankündigung des Bundesamts für Verkehr, dass im Interesse der Fahrplanstabilität während der nächsten zehn Jahre keine zusätzlichen Projekte realisiert werden können, liess in Luzern die Alarmglocken schrillen (zentralplus berichtete). Kommt der Durchgangsbahnhof später? Oder am Ende gar nicht?

Die Antworten des Bundes vermochten die besorgten Politiker nicht zu beruhigen. Im Gegenteil: Aus Bern klang es plötzlich so, als würde der Durchgangsbahnhof in mehreren Etappen gebaut werden. In Luzern hingegen pocht man auf die Realisierung in einem Stück (zentralplus berichtete).

Nun brauen sich weitere dunkle Wolken am Luzerner ÖV-Himmel zusammen. Denn die beiden Nationalräte Leo Müller (Mitte) und Michael Töngi (Grüne) haben vom Bundesrat Antworten auf ihre jeweiligen Interpellationen zur Realisierung des Durchgangsbahnhofs erhalten. Und diese bereiten den Politikern neue Sorgen.

Bundesrat stellt ein drittes Gleis in Aussicht

Töngi wollte vom Bundesrat mehr Details zur Abfolge der verschiedenen Bauetappen erfahren. Doch der Bundesrat bleibt in seinen Antworten vage. Die SBB führen derzeit eine Studie zur Realisierungsabfolge des Projekts durch. Die Ergebnisse sollen im Herbst 2023 vorliegen und als Grundlage für den nächsten Ausbauschritt, der nebst dem Durchgangsbahnhof weitere Grossprojekte beinhaltet, dienen. Über diesen wird das eidgenössische Parlament voraussichtlich 2026 bestimmen. «Vor dem Start einer nächsten Planungsphase will der Bundesrat Gewissheit über die richtige Reihenfolge aller denkbaren Etappierungen haben», schreibt der Bund in seiner Antwort.

«Es wäre ein absolutes Unding, wenn wir am Schluss in Luzern zwei Kopfbahnhöfe hätten, einer unten, einer oben, die nicht verbunden sind.»

Michael Töngi, Nationalrat Grüne

Gleichzeitig hat der Bund weitere Neuigkeiten für Luzern. So prüft er derzeit auch die Machbarkeit eines dritten Gleises beim Gütsch im Zusammenhang mit dem Bau des Neustadt-Tunnels. Heute ist die Stelle beim Gütsch mit nur zwei Gleisen das Nadelöhr am Bahnhof Luzern. Treten hier Probleme auf, liegt fast der ganze Betrieb des Bahnhofs flach.

So sieht die geplante Linienführung am Durchgangsbahnhof aus. (Bild: SBB)

Bauetappen bereiten Michael Töngi Sorgen

Doch die vermeintlich guten Neuigkeiten über ein drittes Gleis beim Gütsch mögen Nationalrat Töngi nicht über den restlichen Teil der Antwort des Bundesrats hinwegtäuschen. Denn was fehlt, ist ein klares Bekenntnis des Bundesrats dazu, dass in einer ersten Etappe der Dreilinden-Tunnel gebaut wird, der den Bahnhof Luzern überhaupt erst zu einem Durchgangsbahnhof macht. So aber ist es auch möglich, dass der Bund zuerst den Neustadt-Tunnel baut.

Für Töngi eine Hiobsbotschaft, wie er auf Anfrage sagt: «Es wäre ein absolutes Unding, wenn wir am Schluss in Luzern zwei Kopfbahnhöfe hätten, einer unten, einer oben, die nicht verbunden sind.» Denn das heutige Problem des Bahnhofs Luzern sei damit nicht gelöst. Von Emmenbrücke nach Ebikon zum Beispiel müsste man mit der S-Bahn nach wie vor in Luzern umsteigen. «Das ist völlig unbrauchbar», so Töngi. «Sollte ein drittes Gleis beim Gütsch einen Vorteil bringen, so kann man das prüfen, aber das ist höchstens eine Ergänzung für unser Kapazitätsproblem.»

«Bisher hiess es beim Bund immer, dass das Geld kein Problem sein wird. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher, ob das stimmt.»

Leo Müller, Nationalrat Mitte

Der grüne Nationalrat hält darum an der Luzerner Parole fest: «Wir brauchen im nächsten Ausbauschritt ein klares Bekenntnis zum Durchgangsbahnhof als integrales Projekt, das als Ganzes geplant und gebaut wird.»

2026 gibt es nur einen Teilkredit

Ins gleiche Horn bläst Leo Müller. Er will, dass der Bund die Finanzierung des ganzen DBL sicherstellt, auch wenn das Parlament 2026 nur erste Etappen beschliesst. Er sagt gegenüber zentralplus: «Wenn wir nicht die gesamte Finanzierung sicherstellen, droht die Gefahr, dass eine erste Etappe beschlossen wird und dann plötzlich neue Prioritäten in anderen Regionen auftauchen und das Geld dafür verwendet wird.»

Der Bund entgegnet: Es gibt nur so viel Geld, wie für die jeweilige Bauetappe gebraucht wird. «Mit dem Beschluss zu einem Ausbauschritt wird jeweils entschieden, welche Projekte oder welche Etappen von Projekten zur Umsetzung – und damit zur Finanzierung – vorgeschlagen werden.» Der Bundesrat will Grossprojekte wie den Durchgangsbahnhof über mehrere Ausbauschritte hinweg planen und finanzieren.

Diese Antwort findet Leo Müller enttäuschend. Auch er kritisiert: «Mir fehlt ein klares Bekenntnis des Bundesrats zum DBL. Ich befürchte, am Ende haben wir eine halbe Lösung, aber keinen Durchgangsbahnhof.» Auch ihn mag das mögliche dritte Gleis beim Gütsch allein nicht überzeugen. «Es ist gut, dass der Bund diese Problemstelle beheben will. Aber für eine bessere Anbindung nach Zürich brauchen wir das gesamte Projekt und nicht nur einen Teil davon.»

Geht dem Bund das Geld aus?

Zuletzt liest der Mitte-Nationalrat ein weiteres Problem aus der Antwort des Bundesrats. Dabei geht es um die Finanzierung des Projekts. 20 Milliarden Franken betragen die Kosten der fünf Grossprojekte, die im nächsten Ausbauschritt realisiert werden sollen. Die Kosten für den Bau des DBL werden auf etwa drei Milliarden geschätzt.

Doch der Bund warnt: Werden alle Projekte auf einmal bewilligt, besteht die Gefahr, dass andere Engpässe nicht behoben werden könnten. «Damit kommt der Nutzen der grossen Investitionen nicht zum Tragen.» Eine gestaffelte Umsetzung dieser grossen Projekte sei darum im Hinblick auf die Mach- und Finanzierbarkeit sinnvoller.

Leo Müller stimmt das skeptisch: «Bisher hiess es beim Bund immer, dass das Geld kein Problem sein wird. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher, ob das stimmt.»

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Michael Töngi
  • Antworten des Bundesrats auf die Interpellationen von Töngi und Müller
  • Schriftlicher Austausch mit Leo Müller
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14 Kommentare
  • Profilfoto von Hansruedi Brunner
    Hansruedi Brunner, 02.11.2023, 10:49 Uhr

    Der Durchgangsbahnhof muss kommen.
    Alles andre ist nicht akzetapel.

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  • Profilfoto von Franziska Greising
    Franziska Greising, 16.05.2023, 10:17 Uhr

    Das dritte Gleis im Gütschtunnel muss absolute Priorität haben. Es ist nicht nur ein Nadelöhr, nein, das Gütschtunnel ist eine echte Todesfalle. Ein Quäntchen Unaufmerksamkeit und zwei Züge rasen im viel zu schmalen Tunnel ineinander.

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  • Profilfoto von Paul Stopper
    Paul Stopper, 14.05.2023, 12:57 Uhr

    So kommen die Luzerner nie zu einem Ausbau des Schiennetzes in der Zentralschweiz. Der Durchgangsbahnhof ist eine reine Fatamorgana, die niemand je wird zahlen können, noch wollen. Solange die Luzerner Politik aber auf dieses tote Pferd setzt, wird kein Meter Schienen neu verlegt. Luzern benötigt dringend die durchgehende Doppelspur am Rotsee, einen neuen zweispurigen Gütschtunnel und die Planung einer NEAT-Zufahrt via Stans – Altdorf. Nur mit der Einbindung von Luzern in die Nord-Süd-Achse bleibt Luzern im internationalen Bahnverkehr ein Faktor. Dazu müssen aber viele Politiker vom Kehrtunnel, genannt Durchgangsbahnhof, Abschied nehmen.
    Das fällt vielen schwer. Sie kreisen lieber weiter im Kehrtunnel – bis sie gestorben sind.

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  • Profilfoto von Hugo Ackermann
    Hugo Ackermann, 14.05.2023, 11:53 Uhr

    Der Standort DBL liegt auf Stadtgebiet.
    Zu den in der Vergangenheit eingebrachten
    Standortvorschlgen hat die Stadt nie
    Stellung genommen.Die Stadtbevölkerung
    Blieb dazu bis heute ungefragt.
    Mit einem Standort DBL „Sentimatt“
    (zentralplus 1/8/22) anstatt wie bisher
    „Bestehender Sackbahnhof“ wären viele
    Standortvorteile verbunden.
    Für die Stadt: Projekt ohne weitere
    Verschleppungen realisierbar,keine Gefährdung der städtischen Wirtschaft
    während der Bauzeit,Optimierung von
    Dtandorten(Neues Theater,Carparkierungs
    anllage),Entlastung der Innenstadt vom
    nicht stadtteirelevanten Verkehr,keine
    ersatzlose Aufhebung stadtbetriebsnot
    wendiger Anlagen (Bahnhofparking).
    Vielzahl städtebaulicher und stadtöko
    logischer Aufwertungen.
    Für die Bahn:
    Für alle Linien funktionierende Mobiilitäts
    drehscheibe Zentralschweiz,bekannt
    sicherer Baugrund,durch Etappierung
    ungestörterr Bahnbetrieb während der
    ganzen Bauzeit möglich.
    Für die SteuerzalerInnen:
    Realisierung des verkehrsorganisatoriisch-
    städtebaulichen Jahrhundertprojekt
    zu einem Bruchteil der aktuell geschätzten
    Kosten.
    Alle Entscheidungsträger haben den
    Lösungsvorschlag „DBL Sentimatt bisher
    totgeschwiegen.

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  • Profilfoto von Franz
    Franz, 13.05.2023, 17:36 Uhr

    Luzern ist nicht der Nabel der Welt, nicht mal der Schweiz. Das Geld fällt nicht vom Himmel. Dieses Megaprojekt verursacht enorme Immissionen, ist nicht finanzierbar und v.a. unnötig. Übung abblasen!

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  • Profilfoto von Walter Albrecht
    Walter Albrecht, 13.05.2023, 17:21 Uhr

    Doppelspur Rotsee bis Einmündung Reussbühl. Abzweigung beim Sedel nach Emmenbrücke für S-Bahn von Sursee nach Baar. Zusätzlich 3.. Tunnel bis Gütsch oder
    Reussbühl, um das Nadelöhr zu entschärfen. Ersparen wir uns die jahrelange
    Riesenbaustelle um den bisherigen Bahnhof,
    das Seebecken und die für den Tourismus und die Stadtbevölkerung zu erwartenden massiven Einschränkungen.Fazit: weniger ist oft sinnvoller

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    • Profilfoto von Reto
      Reto, 13.05.2023, 18:46 Uhr

      Dafür mehr in den strassenverkehr??

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  • Profilfoto von Sapperlotta
    Sapperlotta, 13.05.2023, 16:56 Uhr

    Der Tiefbahnhof, salle modulable und neuerdings das Luzerner Theater : Projekte die kläglich zu scheitern drohen, weil Kritik und Alternativvorschläge abgewürgt wurden. Nie wurde das zukunftsfähige „Bahndreieck“ ( gare du nord) ernsthaft erwogen. Warum um Himmels Willen muss man alle ins Zentrum karren. Die SBB plante mal einen Halt VOR Zürich in Altstetten und in Wankdorf VOR Bern, wo viele eigentlich hin wollen/ müssen.

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  • Profilfoto von Andreas Bründler, Kriens - Bleiche
    Andreas Bründler, Kriens - Bleiche, 13.05.2023, 15:31 Uhr

    Es fehlt an Geld. Das ist jetzt klar. Weil die ganze Immigrationssituation den Bund 4 Milliarden Franken im Jahr kostet. Irgendwo muss man dieses Geld streichen. Jetzt trifft es den Durchgangsbahnhof Luzern.

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  • Profilfoto von Peter Bühlmann
    Peter Bühlmann, 13.05.2023, 13:27 Uhr

    Das ist nun die ernüchternde Wahrheit nach dem unsere beiden Ständeräte ziemlich vorschnell ihr Lobbying in Bern abgefeiert haben…

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  • Profilfoto von Markus
    Markus, 13.05.2023, 12:01 Uhr

    Für jeden scheiss ist Geld vorhanden

    Aber für etwas das wichtig ist hat man kein Geld

    Kein wunder wenn man so viel Geld aus dem Fenster wirft mit der Politik

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  • Profilfoto von Fritz Meyer
    Fritz Meyer, 13.05.2023, 10:45 Uhr

    Das sind doch tolle Nachrichten!
    Jetzt bekommt Luzern doch noch die Gelegenheit, dieses unsinnige Projekt zu stoppen und dann den Bedarf, die Sinnhaftigkeit, die Qualität von Planung und Ausführung und vor allem die Auswirkung auch die Stadt Luzern ohne Scheuklappen zu prüfen.
    Die Belastung dieses Projektes würde alleine die Stadt Luzern tragen. Die Stadt Luzern hätte eine Dekade eine riesige Baustelle an zentralster Stelle.
    Das muss nicht sein und macht keinen Sinn.

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  • Profilfoto von Paul
    Paul, 12.05.2023, 20:52 Uhr

    Hopla. Das gibt sicherheit….. oje mine .. da möchte sich keiner festlegen. Schön unsere heutige Politik. Alle reden viel, aber verantwortung übernimmt keiner. Danke fürs nachhaken herr müller und herr töngi

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  • Profilfoto von Dolfino
    Dolfino, 12.05.2023, 19:50 Uhr

    Da soll das Geld beim Bund fehlen für luzern, aber es sind Milliarden vorhanden für die CS. Und wenn der svp Hessen aus Bern kommt und im Raum Bern und die A 1 generell auf 6 Spuren ausbauen will ist der Bundesrat mit Rösti an der Spitze sofort Feuer und Flamme. Wo sind da eigentlich die zentralschweizer Politiker die jetzt mal zusammen stehen und in Bern klar und deutlich sagen , dass beim DGB luzern kein flickwerk gemacht wird.

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