Zug will die Tunnel löschen – aus Angst vor Enteignung
In blau gestrichelt der Verlauf des geplanten Tunnels in Unterägeri. (Bild: Synopse zur Richtplananpassung)
Die vom Volk abgelehnten Umfahrungen stehen noch immer im Zuger Richtplan. Jetzt will der Kanton die Planungslinien aus Furcht vor Rechtsstreit streichen. Doch es gibt Widerstand.
Was im kantonalen Richtplan steht, darf gebaut werden und was gestrichen wird, nicht. Genau deshalb ersucht der Kanton nun, die beiden Umfahrungen Zug und Unterägeri zu streichen. Sie wurden im März 2024 an der Urne abgelehnt. Es sei die logische Konsequenz des Volksentscheids, so die Baudirektion im Bericht zur Anpassung des Richtplans, der noch bis Mitte März öffentlich aufliegt.
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Ausserdem fürchtet der Kanton einen Rechtsstreit. Im Bericht steht: «Würden die Baulinien beibehalten, könnten verschiedene Grundeigentümerschaften Entschädigungsansprüche an den Kanton richten.»
Baulinien der Tunnel werten Grundstücke ab
Der Grund: Die Baulinien der beiden Tunnel beeinflussen, wie die Grundstücke bebaut werden dürfen, über die sie verlaufen. Denn einst sollten die Linien das Land für die Umfahrungen sichern.
Trotz abgelehnter Tunnel hätten die Eigentümer nun «erhebliche Einschränkungen», mahnt die Baudirektion im Bericht. In Zukunft könnte es gar zu «materiellen Enteignungen» kommen. So nennt man es, wenn der Wert eines Grundstücks durch ein Planungsvorhaben sinkt.
Gegen eine Enteignung dieser Art können Eigentümer rechtlich vorgehen und Ausgleich verlangen. Das birgt ein Risiko. Denn: «Die Höhe der zu leistenden Entschädigungen ist sehr schwer abzuschätzen», so der Bericht. Wenn der Kanton die Baulinien jetzt streicht, ist er dieses Risiko los.
Entscheiden kann der Kanton Zug aber nicht allein. Nach der zweimonatigen öffentlichen Auflage müssen erst der Kantonsrat und dann der Bund die Anpassung des Richtplans gutheissen.
Bürgerliche Politiker kündigen Widerstand an
Im Kantonsrat formiert sich bereits Opposition aus Unterägeri. SVP-Kantonsrätin Esther Monney-Rogenmoser und SVP-Kantonsrat Thomas Werner reichen zum Verbleib der UmfahrungUnterägeri diese Woche eine Motion ein, wie Mooney am Telefon sagt. «Solange wir keine Lösung für das Verkehrsproblem im Ägerital haben, dürfen wir die Baulinien nicht aus dem Richtplan streichen.»
Fabio Iten, Kantonsrat aus Unterägeri und Fraktionschef der Mitte-Partei, sagt: «Für die UmfahrungUnterägeri werde ich mich ganz sicher einsetzen.» Er will dafür in den eigenen Reihen mobilisieren. Jost Arnold, Präsident der örtlichen FDP und Kantonsrat, sieht es gleich. Auch er will dafür Mehrheiten in der eigenen Fraktion organisieren.
Unterägeri hat den Bau seiner Umfahrung mit 59 Prozent angenommen. Eine zweite Chance für den Tunnel sei daher angebracht, findet Jost Arnold. Andere Karten habe die Umfahrung in der Stadt Zug. «Sie wurde nun zum wiederholten Mal abgelehnt. Hier muss man nun genau analysieren, wohin der Weg gehen soll in Zukunft.» Fabio Iten zweifelt ebenfalls am Verbleib der Stadtzuger Umfahrung im Richtplan.
Doch was sagen die Politiker zu den Befürchtungen des Kantons, es könne zu materiellen Enteignungen kommen?
«Das ist eine schwierige Frage. Ich bin für den Eigentumsschutz – wenn man nun aber den Tunnel aus dem Richtplan streicht, verbaut man sich diese Möglichkeit endgültig. Dies gilt es abzuwägen», meint Arnold. «Auf ewig kann man die Flächen sicher nicht freihalten, aber wenn man auf absehbare Zeit ein neues Projekt lancieren würde, lässt sich das auf jeden Fall vertreten», findet Iten. Ähnlich sieht es Esther Monney-Rogenmoser.
Aktuell keine Anzeichen für einen zweiten Versuch in Unterägeri
Dass es zu einem Neustart der UmfahrungUnterägeri kommt, ist zurzeit unwahrscheinlich. Vom Kanton gibt es keine Zeichen in diese Richtung. Gemäss Bericht zur Richtplananpassung plane die Baudirektion die Mobilitätspolitik des Kantons «ohne Umfahrungen».
Vielmehr setzt die Baudirektion auf Fokusstudien im Bereich Mobilität und verschiedene Projekte für den ÖV und Langsamverkehr. In ihrer Motion fordern die zwei SVP-Kantonsräte, erst den Abschluss der «ÖV-Studie 2040» und der Fokusstudie für das Ägerital abzuwarten, bevor die Baulinien gestrichen werden. Sonst verbaue man sich Korridore, die vielleicht noch einmal interessant werden.
Ausserdem hat der Kanton Zug ein Institut beauftragt, die gescheiterte Abstimmung zu den Umfahrungen zu untersuchen. Hier ihre Ergebnisse:
Hinweis: Dieser Artikel wurde nachträglich um den Absatz zum Inhalt der Motion ergänzt.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.