Finanzierungsstrategie unter der Lupe

Zug: ausgabefreudig beim Strassenbau, knausrig beim ÖV

Baudirektor Florian Weber (Fünfter von links) posiert beim Spatenstich der Sanierung der Strasse zwischen Nidfuren und Schmittli mit Gemeinderäten aus Baar und Unterägeri. (Bild: Kanton Zug)

Der Kanton Zug hat sein Sparsäuli für den Strassenbau komplett geplündert. Der Topf für den ÖV und den Langsamverkehr hingegen ist noch fast voll. Ein Zeichen dafür, wo für die Baudirektion die Prioritäten liegen?

Das Auto hat im Kanton Zug eine hohe Bedeutung – schliesslich gibt es in keinem anderen Kanton der Schweiz eine höhere Auto-pro-Kopf-Quote. 730 von 1000 Zugerinnen besassen 2022 ein Auto. Das ist in der Schweiz einsamer Höchstwert.

Vor diesem Hintergrund überrascht es wenig, dass der Kanton Zug viel Geld für den Strassenbau ausgibt. Ein kürzlich veröffentlichter Kreditantrag für den Umbau des Knotens Moosrank liess dennoch aufhorchen (zentralplus berichtete). Denn der Antrag zeigte: Während die für den Strassenbau vorgesehene Geldquelle beinahe versiegt ist, ist der Topf für den ÖV und den Langsamverkehr noch fast unangetastet.

Im Topf für den Strassenbau bleibt nichts übrig

Die entsprechenden Gelder sind im Zuger Strassenbauprogramm festgehalten. Das aktuelle Programm hat der Kantonsrat 2014 beschlossen und hat es zwei Jahre später bis 2026 erstreckt. Auf Kantonsstrassen hat der Kanton für Baustellen aller Art – von Belagssanierungen über Lärmschutzmassnahmen bis hin zu Neubauten – 151 Millionen Franken zur Verfügung. Für den öffentlichen Verkehr und Velowege stehen dem Kanton weitere 65 Millionen Franken zur Verfügung.

Im Januar 2023 ist dieser Betrag von insgesamt 216 Millionen Franken auf 46 Millionen Franken zusammengeschmolzen. Die Ausgaben verteilen sich aber sehr ungleichmässig. Denn im Topf für die Kantonsstrassen waren Ende Januar nur noch knapp drei Millionen Franken. Im ÖV-Topf hingegen noch immer 43 Millionen Franken. Oder anders ausgedrückt: Während die Regierung fast alles Geld, das für den Strassenbau zur Verfügung steht, ausgegeben hat, hat sie erst rund 30 Prozent der für ÖV und Velowege vorgesehenen Ressourcen abgeschöpft.

Die Zuger Regierung, ausgabefreudig beim Strassenbau, dafür knausrig beim ÖV und Langsamverkehr? Oder wie lassen sich die ungleichen Ausgaben erklären? Und füllt nun der Kanton die leeren Strassenbau-Kassen mit Geldern, die ursprünglich für den ÖV vorgesehen waren?

Künftig gibt es nur noch einen Geldtopf

Diese Befürchtung kann Baudirektor Florian Weber entkräften. Für den Strassenbau stehen wieder neue Mittel zur Verfügung, weil der Kantonsrat bereits im vergangenen Jahr ein neues Strassenbauprogramm verabschiedet hat. Dieses gilt für die Periode 2023–2030. Der Gesamtkredit für das Bauprogramm wurde leicht aufgestockt auf neu 237 Millionen Franken.

«Das Projekt bringt dem ÖV und dem Radverkehr viel grössere Mehrwerte, als es der Kostenanteil vermuten liesse.»

Baudirektor Florian Weber zum Projekt Moosrank

Im neuen Programm ist keine Aufteilung in die beiden Bereiche Strassenbau und ÖV mehr vorgesehen. So heisst es im entsprechenden Kantonsratsbeschluss: «Die bisherige Aufteilung auf die beiden Rahmenkredite und deren Unterteilungen hat sich auf Projektstufe als äusserst aufwendig und nicht praktikabel herausgestellt.» Es gibt darum nur noch einen Gesamtkredit für das Strassenbauprogramm. Das bedeutet gleichzeitig, dass grundsätzlich noch mehr Mittel in den Strassenbau fliessen könnten, da es keine Trennung der Ausgaben mehr gibt. Im Bauprogramm heisst es aber, dass der Kostenteiler zwischen Strassenbau und ÖV/Velo gleich bleiben soll, auch wenn beide Bereiche in ein und demselben Geldtopf zusammenfliessen.

Baudirektor verteidigt Ausgaben im Bauprogramm

Bleibt die Frage, ob der Kanton Zug den Fokus im Verkehr einseitig auf den Strassenbau setzt und den ÖV und den Veloverkehr gleichzeitig vernachlässigt. Regierungsrat Florian Weber beschwichtigt und sagt: «Der Kanton Zug setzt Strassenbauprojekte aus einer ganzheitlichen Sicht mit Schwerpunkt auf den Bauwerkzustand und die Verkehrssicherheit um.»

Die Frage des jeweiligen Verkehrsmittels stelle sich dabei also nicht. Und der Kostenteiler täusche über den effektiven Nutzen der einzelnen Projekte hinweg. Weber illustriert das am Beispiel der Sanierung des Knotens Moosrank. 85 Prozent der Kosten belasten das Strassenbau-Konto, 15 Prozent das ÖV/Velo-Konto. Weber betont: «Das Projekt bringt dem ÖV und dem Radverkehr jedoch viel grössere Mehrwerte, als es der Kostenanteil vermuten liesse, da die Führung des Radverkehrs deutlich verbessert und sicherer wird und zwei neue Doppel-Bushaltestellen erstellt werden.»

Weiteres Beispiel dafür ist die Sanierung des Kantonsstrassen-Abschnitts zwischen Nidfuren und Schmittli, das grösste und teuerste Projekt des vergangenen Bauprogramms. Nebst einer umfassenden Sanierung der Strasse und dem Bau eines neuen Kreisels werden auch neue Velostreifen und vier neue Bushaltestellen gebaut.

Was macht Zug jetzt mit dem restlichen Budget?

Von den 150 Millionen Franken, die im vergangenen Bauprogramm für den Strassenbau ausgegeben wurden, profitieren also auch der ÖV und der Langsamverkehr. Und gleichzeitig profitieren Autos von Massnahmen wie Busbuchten oder Velowegen, da der Verkehr so flüssiger und sicherer wird.

Und wofür könnte die stolze Restsumme von 43 Millionen Franken im ÖV- und Velo-Topf des auslaufenden Bauprogramms noch eingesetzt werden? Baudirektor Florian Weber will keine konkreten Projekte nennen. Darum an dieser Stelle ein Vorschlag zur Prüfung: Für die Umsetzung des Luzerner Velonetzes hat die Stadt Luzern ein Budget von rund 20 Millionen Franken zur Verfügung. Mit dem restlichen Geld aus dem Bauprogramm liesse sich also ein Velowegnetz bauen, das nicht nur die Stadt Zug, sondern mindestens auch noch die ganze Gemeinde Baar umspannen würde.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von D. Brunner
    D. Brunner, 18.04.2023, 06:11 Uhr

    Stolperstein Statistik: Dass es im Kanton auf 1000 Einwohner*innen 730 eingelöste Autos gibt, heisst nicht, dass 73 Prozent der Zuger*innen (inkl. Kinder und Hochbetagte, das hiesse bei der übrigen Bevölkeung wohl mehr als 100 Prozent) 2022 ein Auto hatten. Es gibt welche, die haben zwei, und vor allem gibt es Tausende PKW, die auf Firmen eingetragen sind.

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  • Profilfoto von Wolfgang Reuss
    Wolfgang Reuss, 17.04.2023, 18:32 Uhr

    Wie viel sollen Autoflut, Lärm, Abgase, Pneuabrieb, Krankenwesenkostenexplosion noch zusätzlich zunehmen? Haben wir nicht längst das dichteste Strassennetz Europas, und nun noch den Umfahrungsstrassen-Hype (wegen leidender Anwohner, aber auch Motorisierten, die die Staus nerven, obwohl sie selbst . . .)? Wer kann diesbezüglich «medizinsche» Lösungen nennen? Ein Vorschlag: Verursacherprinzip für Wohnende verwirklichen: Wer kein Auto hat, darf ohne Strassenverkehr wohnen. Denn bisher ist es ja so: Wenn ich kein Auto habe, aber von einer (Umfahrungs-)strasse direkt betroffen bin (von der in einem Gemeindepapier steht, der Lärm für die Anwohner sei «unerträglich»), dann habe ich null Anreize, kein Auto zu haben, weil, es bringt mir nichts und allen anderen nichts, die ebenfalls in meiner Situation sind; das heisst, das Anreizsystem ist verkehrt.

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