Zahlen steigen

Warum fährst du schwarz? «Damit ich mich spüre»

Immer mehr Menschen lösen vor dem Einstieg in Bus und Bahn kein Ticket. (Bild: mst)

Neue Zahlen zu Schwarzfahrern sorgen für Schlagzeilen. Doch wer fährt eigentlich ohne Ticket? Ein Luzerner Berufspendler mit Nerven aus Stahl erzählt.

«Es sind ökonomische Gründe – bei überschaubarem Risiko. Denn ich fahre immer auf der gleichen Strecke Schwarz. Ich sag lieber nicht, wo, um keine Kontrolleure aufmerksam zu machen.»

Das erzählt zentralplus-Leser Ueli* auf die Frage, warum er zweimal die Woche ohne Billett von Luzern zur Arbeit pendelt. Und das bei einer Strecke, die mit Halbtax hin und retour 20 Franken kosten würde.

Unter Zusicherung der Anonymität erzählt der junge Mann: «Am Anfang habe ich noch ein Billett gelöst, dann aber gemerkt, dass eh kein Kontrolleur kommt. Also habe ich aufgehört und bin bisher damit gut gefahren.»

Auf seiner Linie liegen die zwei Stopps, die er nutzt, direkt hintereinander. Sprich: Er steigt bei der einen Haltestelle ein und bei der nächsten wieder aus. Das senke das Risiko, meint Ueli.

«Man kann schon beim Einsteigen schauen, ob ein Kontrolleur drinnen sitzt. Und bei der nächsten Haltestelle schaue ich vorher aus dem Fenster, um zu überblicken, ob jemand dort steht.» Am Einfang sei das stressig gewesen, doch er habe sich daran gewöhnt. Erwischt wurde er noch nie. Damit spart er sich rund 160 Franken im Monat.

Immer mehr Schwarzfahrer werden erwischt

Wie Ueli geht es immer mehr jungen Menschen im Land. Diese Woche hat die Branchenorganisation Alliance SwissPass neue Zahlen aus dem nationalen Schwarzfahrerregister veröffentlicht. Sie zeigen: Schwarzfahren boomt.

Die Datenbank gibt es seit 2019, öffentliche Transportunternehmen sammeln darin Fälle, bei denen Passagiere ohne oder mit teilgültigem Ticket erwischt wurden. Im Jahr 2022 wurden 821'000 Fälle registriert, 2023 waren es 919'000 und 2024 war es rund eine Million. Die Dunkelziffer? Hoch.

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Michaela Ruoss, Mediensprecherin von Alliance Swiss Pass, nannte diese Woche gegenüber dem «Tagesanzeiger» drei Gründe für den Anstieg: «mehr ÖV-Nutzende», «häufigere und effizientere Ticketkontrollen» und «eine allgemeine gesellschaftliche Veränderung zu mehr Risikobereitschaft».

Letzteres gelte vor allem für Jugendliche und junge Erwachsene unter 26 Jahren. Sie hätten im vergangenen Jahr 35 Prozent aller Schwarzfahrerinnen ausgemacht. Viele kommen mehrfach im Register vor, sind also regelmässige Schwarzfahrer. So wie Ueli.

Alles in allem verursache Schwarzfahren in der Schweiz jährliche Einnahmenverluste von 200 Millionen Franken. Dies bei einem Umsatz von 6,7 Milliarden Franken im ÖV-Sektor. Ein ordentlicher Brocken.

In Zug wird geschwiegen, in Luzern steigen die Zahlen

Was sagen die Verkehrsunternehmen in Zug und Luzern dazu? Die Zugerland Verkehrsbetriebe (ZVB) «kommunizieren nicht» zu Schwarzfahrern und Kontrollen.

Die Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) hingegen schreiben: «Auch wir stellen eine Zunahme von Reisenden ohne gültigen Fahrausweis oder mit teilgültigem Fahrausweis fest. Die entsprechende Quote liegt inzwischen annähernd doppelt so hoch wie vor der Coronapandemie und bestätigt damit den gesamtschweizerischen Trend.»

Die VBL würden rund 400'000 Personen im Jahr kontrollieren und damit knapp ein Prozent aller Fahrgäste.

Das passiert, wenn man zum dritten Mal erwischt wird

Wer einmal ohne Billett ertappt wird, muss 100 Franken bezahlen. Beim zweiten Mal sind es 140 und ab dem dritten Mal gar 170 Franken. Ab dem dritten Vorfall innerhalb zweier Jahre müssen Schwarzfahrer überdies mit einer Strafanzeige durch das Transportunternehmen rechnen.

Ueli will es so weit nicht kommen lassen: «Ich habe einen Deal mit mir: Ich mache das nur so lange, bis ich einmal erwischt werde. Die erste Busse ist noch bezahlbar, die zweite ist schon teuer. Und dann vergisst man noch einmal das Ticket und kann angezeigt werden. Das wäre mir das Risiko nicht wert.»

Doch bis dahin werde er weiter machen. Und das, obwohl eine Kollegin auf der gleichen Strecke kürzlich kontrolliert worden sei. Er müsse nun einfach wieder mehr aufpassen: «Mir ist es den Stress Wert: Es ist ein Nervenkitzel im Alltag. Damit spürt man sich mal wieder.»

*Echter Name ist der Redaktion bekannt.

Verwendete Quellen
  • Artikel im «Tagesanzeiger»
  • Schriftlicher Austausch mit VBL, ZVB, Alliance Swisspass und VVL
  • Schriftlicher Austausch mit Ueli*
  • zentralplus-Medienarchiv zum Thema Schwarzfahren
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