Kein Kanton hat mehr Autos pro Kopf

Verkehrsideen des Bundes: Auto-Kanton Zug winkt ab

Ist der Kanton Zug ein Auto-Kanton? Der Zuger Sicherheitsdirektor Beat Villiger bestreitet dies. (Bild: Andreas Buslinger)

Gleich zwei Verkehrs-Vorschläge des Bundes lehnt der Kanton Zug ab. Der Regierungsrat legt eine autofreundliche Haltung an den Tag, sieht Zug aber nicht als Auto-Kanton. Die Zahlen zeigen aber ein anderes Bild.

Der Zuger Regierungsrat ist gegen eine vereinfachte Einführung neuer Tempo-30-Zonen im Kanton Zug. Die Sicherheitsdirektion gibt der Idee des Bundes im Rahmen der Vernehmlassung keine Chance (zentralplus berichtete). Auch gegenüber einem zweiten Verkehrs-Vorschlag zeigt sich die zuständige Sicherheitsdirektion autofreundlich.

Die zweite Idee des Bundes betrifft Fahrgemeinschaften, das sogenannte Carpooling. «Zur Verringerung von Verkehrsüberlastung und Umweltbelastung ist die Bildung von Fahrgemeinschaften wünschenswert», so die Haltung des Bundes. Um also das Carpooling zu fördern, sieht der Bundesrat eine spezielle Behandlung dafür vor.

Neues Verkehrssymbol für Carpooling

Dazu will er eigens ein neues Verkehrssymbol für Carpooling schaffen. Das Symbol soll anzeigen, wo Autos, in denen beispielsweise mehr als zwei Personen sitzen, trotz Fahrverbot fahren dürfen. Die Fahrgemeinschaften werden in diesem Fall vom Verbot ausgenommen. Die Ausnahmeregel könnte auch auf Busspuren oder bestimmten Parkplätzen angewendet werden, so die Idee des Bundes. Auf diesen Parkplätzen dürften demnach nur Autos parkieren, in denen mehrere Personen sitzen.

So soll das neue Symbol aussehen, das anzeigt, wo Mitfahrgemeinschaften trotz Fahrverbot fahren dürfen. (Bild: Bund)

Die Kantone Tessin und Genf haben das Carpooling-Symbol im Rahmen eines Pilotprojekts ausprobiert. Die ersten Erfahrungen seien positiv, heisst es dort.

«Wir verschliessen uns dieser Idee nicht grundsätzlich, aber im Moment sehen wir den Bedarf im Kanton Zug nicht.»

Beat Villiger, Sicherheitsdirektor Kanton Zug

Dessen ungeachtet sträubt sich der Kanton Zug gegen die Idee des Bundes. «Wir verschliessen uns dieser Idee nicht grundsätzlich, aber im Moment sehen wir den Bedarf im Kanton Zug nicht», sagt Sicherheitsdirektor Beat Villiger (Mitte) auf Anfrage. Darüber hinaus hat er Bedenken, wie die Polizei diese neue Regel wirksam kontrollieren soll.

Keine einfacheren Verfahren für neue Tempo-30-Zonen, keine Spezialbehandlung für Mitfahrgemeinschaften. Der Kanton Zug zeigt sich in der Vernehmlassung autofreundlich und hält am Status Quo fest. Ist Zug also ein Auto-Kanton?

Regierung hat andere Prioritäten

Villiger dementiert. Grund für die Ablehnung der Bundes-Vorschläge sei nicht eine autofreundliche Haltung der Regierung, sondern eine unterschiedliche Prioritätensetzung: «Hintergrund unserer Stellungnahme sind andere Prioritäten bezüglich Verkehr im Kanton Zug.» Der Kanton wolle sich vorerst für bessere Velowege und für mehr Sicherheit von Fussgängerinnen einsetzen. Auch beim Fahrverbot für Velos auf dem Trottoir sieht Villiger Handlungsbedarf. «Diese Fragen halten wir im Moment für dringender», so Villiger.

Anders als Villiger sieht es ALG-Kantonsrat Luzian Franzini: Er findet es zwar «sehr erfreulich», dass die Erhöhung der Sicherheit für Velofahrerinnen und Fussgänger «endlich zumindest rhetorisch» eine hohe Priorität geniesst. Er ergänzt aber, dass sich dieses Engagement und die Ideen des Bundes nicht gegenseitig ausschliessen würden.

«Der Kanton Zug ist klar ein Auto-Kanton.»

Luzian Franzini, Kantonsrat ALG-Zug

«Im Gegenteil: In Tempo-30-Zonen steigt die Sicherheit für Velofahrer und Fussgängrinnen», hält Franzini fest und führt weiter aus: «Auch Carpooling erhöht die Attraktivität massiv, da schlussendlich weniger Autos auf den Strassen unterwegs sind.»

Nirgends gibt es pro Kopf so viele Autos

Er bedauert daher die ablehnende Haltung der Regierung gegenüber den Vorschlägen des Bundes und hält fest: «Der Kanton Zug ist klar ein Auto-Kanton». Dabei verweist er auf die Statistik. Diese bestätigt seine Aussage: In keinem anderen Kanton gibt es im Vergleich zur Bevölkerungszahl mehr Autos (zentralplus berichtete). Auf 1'000 Einwohnerinnen kommen in Zug 709 Autos. Mit rund 650 Autos sind es in den Kantonen Schwyz und Wallis bereits deutlich weniger. Im Schweizer Durchschnitt sind es mit 541 Autos pro 1'000 Einwohner nochmals viel weniger.

Seit 2012 ist der Schweizer Durchschnitt kaum noch gestiegen. In Zug hingegen ist der Wert von damals 617 Autos pro 1'000 Einwohnerinnen bis 2021 um rund 15 Prozent angestiegen.

Klar zeigt sich im Motorisierungsgrad nicht nur die grundsätzliche Haltung der Bevölkerung gegenüber dem Auto, sondern auch deren Wohlstand. Im Fall des Kantons Zug trägt dieser zum Spitzenwert beim Autobesitz bei.

Zug erhält neues Mobilitätskonzept

Franzini will dies nicht als Ausrede gelten lassen. Er weist auf das Energieleitbild des Kantons hin. Darin hält die Regierung fest, dass die Mobilität im Kanton Zug bis 2035 energieeffizient erfolgen und möglichst geringe CO2-Emissionen verursachen soll. Konkrete Massnahmen seien aber bisher ausgeblieben, kritisiert Franzini.

«Genau das Carpooling könnte dazu beitragen, dass die Staus abnehmen, weniger Parkplätze besetzt sind und die Luftqualität besser wird», sagt der ALG-Politiker. Er ergänzt: «Ich bin überzeugt, dass solche Lösungen auch von der Bevölkerung gewünscht werden.» 

Sicherheitsdirektor Beat Villiger wiederum hält dem entgegen, dass die Zuger Regierung ein neues Mobilitätskonzept erarbeitet. «Geplant sind auch Massnahmen zur effizienteren Nutzung von Verkehrsflächen, dies auch im Sinne der Nachhaltigkeit», verspricht er. Wie autofreundlich die geplanten Massnahmen sind, bleibt abzuwarten.

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Emilio Sprunger
    Emilio Sprunger, 16.03.2022, 08:37 Uhr

    Als ob es auf die Anzahl Autos pro Kopf ankäme. Das ist wie bei den Paar Schuhen und den Kleidern, man/frau kann immer nur eines tragen. Neben dem neuen E-Auto steht für alle Fälle noch der Verbrenner in der Garage. Neben dem SUV noch das Cabi für den Sommer. Entscheidend ist allein, wie viel gefahren wird. Im kleinen Kt. ZG sind das fast ausschliesslich Kurzstrecken.
    Hinzu kommt: Bei Doppelverdiener-Haushalten hat jedes sein Auto. Soll das verboten werden? Viele Leute mögen nun mal den öV nicht, besonders in Grippe- oder eben Pandemiezeiten. Und auch das Velofahren ist für die meisten nur während max. 8 Monaten wirklich angenehm.

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    • Profilfoto von Hans Peter Roth
      Hans Peter Roth, 17.03.2022, 12:13 Uhr

      Ich gehe von der Annahme aus, dass eine Mehrzahl der täglichen Autofahrten unnötig ist, weil diese durch umweltfreundlichere Arten der Mobilität, zu Fuss, per Velo oder ÖV, erledigt werden können. Es stellt sich somit die Frage: Ist es erlaubt, angesichts der globalen Klimakrise von jedem einzelnen etwas weniger Bequemlichkeit zu verlangen? Um meiner eigenen Bequemlichkeit vorzubeugen, habe ich vor 36 Jahren mein letztes Auto verkauft und fahre seither nur noch in dringenden Fällen mittels Mobility vierrädrig durch die Gegend. Und ich bin damit sehr gut gefahren!

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  • Profilfoto von Alois Iten
    Alois Iten, 15.03.2022, 16:37 Uhr

    Dass es in Zug so viele Autos je Einwohner gibt, liegt vor allem an der Vielzahl der hier tätigen Firmen. Auf diese sind die Wagen eingelöst, die Fahrer aber wohnen häufig nicht in Zug. Vergleicht doch einfach mal die Zahl der auf Privatpersonen eingelösten Autos!

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  • Profilfoto von Daniela Übersax
    Daniela Übersax, 15.03.2022, 16:33 Uhr

    Beat Villiger weiss also nicht, wie die Polizei wirkungsvoll kontrollieren soll, ob 3 oder mehr Personen in einem Auto sitzen. In etwa gleich wie die Vignette, Handy-Nutzung oder die Gurtenpflicht: Einen Polizisten an den Strassenrand stellen und machen lassen. Aber as will man auch von jemandem erwarten, der nicht mal den Fahrausweis seines Verhältnisses kontrollieren konnte.

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