«Win-Win-Win-Win»-Situation für Zug und Unterägeri?

Tunnel-Milliardenprojekt: Harsche Kritik von der ALG

Mit Tunneln will die Zuger Regierung die Ortszentren von Zug und Unterägeri vom Verkehr entlasten. (Bild: Symbolbild Adobe Stock)

Die Zuger Parteien beurteilen die angedachten grossen Strassenprojekte in Zug und Unterägeri sehr unterschiedlich. Auch am Tempo scheiden sich die Geister.

990 Millionen Franken. So viel sollen die beiden Umfahrungen Unterägeri und Zug kosten (zentralplus berichtete). Das Preisschild erinnert ein bisschen an die Schoggi-Aktionen beim Grossverteiler. Franken 9.90 tönt besser als Franken 10. Aber 990 Millionen Franken sind de facto eine Milliarde Franken. Das ist auch für den Kanton Zug viel Geld. Sehr viel Geld sogar.

Klar ist: Die beiden Strassenprojekte werden in nächster Zeit die Bevölkerung und die Parteien beschäftigen. Grund genug, um nachzufragen, was die Zuger Parteien von diesen beiden Grossprojekten halten.

FDP sieht viele Profiteure

Die FDP befürwortet den Bau der beiden Umfahrungen Unterägeri und Zug, hält FDP-Parteipräsident Cédric Schmid fest: «Darum freut es mich, dass der Regierungsrat hierzu voll auf das Gaspedal drücken will. Es handelt sich um dringend notwendige Investitionen. Mit den beiden Projekten wird die Lebensqualität von uns Zugerinnen und Zugern massiv erhöht.»

«Die Hunderten von Lastwagen für den Aushub und die zehnjährige Baustelle: Das wird die Lebensqualität massiv schmälern.»

ALG-Kantonsrat Luzian Franzini

Rund 75 Prozent des Verkehrs werde so von den beiden Zentren in die Umfahrungstunnels verlagert. Dies erhöhe die Lebensqualität der beiden Zentren massiv. Für Freizeit, Handel und Gewerbe würden die Rahmenbedingungen attraktiver werden.

Es handle sich hier um eine «Win-Win-Win-Win»-Situation. «Es profitieren der ÖV wie auch alle privaten Verkehrsteilnehmer – also die Fussgänger, der Rad- und der Autoverkehr. Die beantragten 989.8 Millionen Franken können problemlos aus dem Eigenkapital finanziert werden. Es braucht hierfür kein teures Fremdkapital.»

SVP träumt von einem unterirdischen Kreisel

Auch die SVP begrüsst die Bestrebungen des Regierungsrates, schreibt SVP Präsident Thomas Werner auf Anfrage. Das verwundert nicht, schliesslich hat die Partei die Idee des «Stadttunnels 2.2» lanciert (zentralplus berichtete).

«Das Bevölkerungswachstum der letzten Jahre war immens und wirkt sich zunehmend negativ auf die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger des Kantons Zug aus», meint Werner. «Damit die Mobilität auch in Zukunft gesichert ist, sind nach Meinung der SVP beide Projekte – Zug und Unterägeri – zu realisieren.»

Im Detail seien die Projekte in der Fraktion der SVP noch nicht besprochen worden. «Zu diskutieren gibt allenfalls die Langvariante N+ in Unterägeri, welche durchaus noch durch einen Zentrumsanschluss  – also einen unterirdischen Kreisel – erweitert werden könnte.» Eine Kreisellösung in der Stadt Zug hingegen ist vom Tisch (zentralplus berichtete).

GLP bedauert das Fehlen des Mobilitätskonzepts

Die Mitte hat die Vorlage in der Fraktion noch nicht behandelt, sagt Präsidentin Laura Dittli. «Dies weil die Kommissionsarbeit noch ausstehend ist und die Vorlage gemäss Terminplan erst nächstes Jahr in den Kantonsrat kommt.»

Die Mitte-Fraktion habe sich zumindest bereits zur entsprechenden Richtplananpassung vernehmen lassen. Dort lässt sich zum Beispiel nachlesen, dass die Mitte im Fall von Unterägeri die Langvariante N+ befürwortet. Diese Variante weise in Sachen Siedlungsverträglichkeit Vorteile auf.

«Innerstädtisch muss der Trend zu immer mehr Individualverkehr gestoppt werden.»

SP-Vizepräsident Zari Dzaferi

Auch GLP-Präsidentin Tabea Estermann betont, dass ihre Partei sich intern zuerst noch absprechen müsse, bevor sie ihre offizielle Haltung in dieser Frage kommuniziere. Grundsätzlich lasse sich aber festhalten, dass für die Grünliberalen eine ganzheitliche Verkehrsplanung zentral sei: «So bedauern wir sehr, dass der Kanton kein Mobilitätskonzept hat, respektive die entsprechende Publikation ständig weiter nach hinten verschiebt.» Es gebe in der Bevölkerung ein grosses Bedürfnis nach Mobilität und diesem müsse Rechnung getragen werden. «Jedoch müssen alle Verkehrsträger einbezogen werden. Und vor allem soll es auch Anreize für klimaneutrale Mobilität und den Langsamverkehr geben.»

SP vermisst Alternativen zu Umfahrungen in Zug und Unterägeri

Für die kantonale SP antwortet Vizepräsident Zari Dzaferi: Die SP des Kantons Zug werde die Vorlage in den kommenden Wochen noch intensiv studieren. Dies auch im Kontext des Mobilitätskonzepts. Bei Strassenbauprojekten sei das unabdingbar. Es gehe dabei um wichtige Fragestellungen.

An der kommenden Kantonsratssitzung erfolge ja «erst» die Überweisung an die Kommission. Dzaferi legt zudem den Finger auf die Terminierung: Die Regierung lege diese wichtigen Projekte nämlich zu einem «recht ungünstigen» Zeitpunkt auf. Jetzt stehe ja gerade der Legislaturwechsel an.

Visualisierung SBB-Unterführung und Portal Gubelstrasse
Visualisierung SBB-Unterführung und Portal Gubelstrasse. (Bild: Kanton Zug)

Inhaltlich hat sich auch die SP im Rahmen der erwähnten Vernehmlassung im Mai dieses Jahres ausführlich geäussert. Zur Umfahrung Unterägeri heisst es dazu unter anderem: «Es werden mit dem Bau eines Tunnels in jedem Fall nicht nur Probleme gelöst, sondern andernorts neue erst geschaffen.» Und weiter: «Im heutigen Zeitpunkt kann keine Variante überzeugen.»

In Bezug auf den geplanten Zentrumstunnel Zug schreibt die SP, sie vermisse entsprechende Alternativen. «Innerstädtisch muss der Trend zu immer mehr Individualverkehr gestoppt werden.» Die vorliegende Tunnellösung sei nur wenig mehr als eine Neuauflage der alten Stadttunnelidee.

ALG ist sehr kritisch

Der Stadtzuger ALG-Kantonsrat Luzian Franzini weist darauf hin, dass die ALG zu diesen Strassenprojekten noch keine definitive Stellungnahme vorgenommen habe. Die ALG stehe aber beiden Projekten sehr kritisch gegenüber.

«Die Verkehrsherausforderungen der Zukunft lösen wir nicht mit mehr Strassenkapazität, sondern mit intelligenten Massnahmen zur Verkehrsreduzierung und zur Verlagerung. Tunnels schaffen an ihrem jeweiligen Anfang und Ende neue Probleme», so Franzini. Zudem sei wissenschaftlich belegt, dass entsprechende Kapazitätssteigerungen auch zu Mehrverkehr führten.

Für die ALG ist der Zeitpunkt falsch gewählt: «Einerseits stehen zwei unbeantwortete Postulate zur Thematik im Raum. Andererseits ist das Mobilitätskonzept noch immer ausstehend. Ein solches aber bildet die Grundlage für eine langfristige Verkehrsplanung.» Das erwähnte Mobilitätskonzept müsste eigentlich vonseiten des Regierungsrates präsentiert werden, so Franzini. «Der Zeitplan musste jedoch mehrmals angepasst werden.»

Der hausgemachte Verkehr

Es sei zudem absolut inakzeptabel, dass hier kein zweistufiges Verfahren gewählt werde. Mit «zweistufigem Verfahren» meint Franzini die Unterteilung in einen Projektierungs- und einen Objektkredit. «Gleichzeitig den Baukredit, den Landerwerb und den Bau zu beschliessen, obwohl noch so vieles unklar ist, ist heikel.»

Mit den beiden Projekten wird die Lebensqualität von uns Zugerinnen und Zugern massiv erhöht.»

FDP-Parteipräsident Cédric Schmid

Klar sei zudem, dass insbesondere der Stadttunnel für die Bevölkerung während der Bauphase ein Problem darstellen werde. «Die Hunderten von Lastwagen für den Aushub und die zehnjährige Baustelle: Das wird die Lebensqualität massiv schmälern.» Zudem sei ein Grossteil des Verkehrs in der Stadt hausgemacht. «Dieser lässt sich nur bedingt mit einem Stadttunnel vermindern.»

Verwendete Quellen
  • Schriftliche Auskünfte von Cédric Schmid (FDP), Thomas Werner (SVP), Laura Dittli (Mitte), Tabea Estermann (GLP), Zari Dzaferi (SP) und Luzian Franzini (ALG)
  • Vorlage «Umfahrung Unterägeri» und «Umfahrung Zug»
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Tao Gutekunst
    Tao Gutekunst, 28.11.2022, 17:20 Uhr

    Mobilität im Fokus
    Es ist an der Zeit, dass das Mobilitätskonzept des Kantons Zug im nächsten Jahr mit der Anpassung des Richtplans festgesetzt wird. Es ist zu begrüssen, dass nach der öffentlichen Mitwirkung die diversen Eingaben und Vorstösse überprüft wurden und teils in die Vorlage eingeflossen sind. Die Mobilität ist auch Thema in den laufenden Ortsplanungsrevisionen, die aufgrund von politischen Vorstössen zu den beiden Vorlagen der Umfahrungen von Unterägeri und Zug geführt haben. Der Zeitpunkt ist logisch und gut. Denn so wird ermöglicht, die Mobilität umfänglich und unter Berücksichtigung der wichtigsten Einflüsse zu diskutieren. Gerade für den ÖV, Langsamverkehr und den Anspruch auf eine qualitative Aufwertung in den Zentren bietet dies ein transparentes und gesamtheitliches Vorgehen. Ich bin froh, haben die Zuger Regierung und das Parlament den Mut, die Weichen für unsere zukünftigen Generationen zu stellen und die dringenden Herausforderungen anzupacken.

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