Luzerner Parlament will an Tempo 50 festhalten

Streit im Kantonsrat wegen «unnötiger» Tempo-30-Bemerkung

Wenn es nach der Stadt Luzern geht, soll auf der Seebrücke Tempo 30 gelten. Anders sieht es das Luzerner Kantonsparlament. (Bild: Aura / Emmanuel Ammon)

Tempo 30 sorgte am Montag im Luzerner Kantonsrat einmal mehr für hitzige Diskussionen. Grund dafür war eine Bemerkung der Verkehrskommission, die aus Sicht der Regierung unnötig ist – angenommen wurde sie dennoch.

«Wenn wir in der Politik nicht mehr wissen, worüber wir sprechen sollen, dann sprechen wir halt über Tempo 30 auf Kantonsstrassen.» Mit diesem Satz fasste Kantonsrätin Korintha Bärtsch (Grüne) die Debatte im Luzerner Kantonsrat am Montagmorgen ziemlich gut zusammen.

Bemerkung, die schon lange gilt

Denn einmal mehr stritten sich die Parlamentarier über das Tempo auf Kantonsstrassen – eine Frage, die zu einer Grundsatzdiskussion verkommen ist. Mit der dieses Mal absurden Folge, dass das Parlament nicht etwa über ein konkretes Projekt oder eine Initiative debattierte. Sondern über eine einfache Bemerkung der Bau- und Verkehrskommission im Rahmen der Beratung des kantonalen Bauprogramms 2023-2026.

«Auf Hauptverkehrsachsen gilt innerorts grundsätzlich eine Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern.» Mit sieben zu sechs Stimmen hat sich diese Bemerkung in der Kommission hauchdünn durchgesetzt.

«Das ist eine versteckte Botschaft an die Regierung, künftig ja keine Tempo-30-Zonen mehr zu bewilligen.»

Samuel Zbinden, Kantonsrat Grüne

Als Verkehrsteilnehmer magst du dir nun denken: «Und wo ist jetzt hier die News?» Denn der Grundsatz von Tempo 50 innerorts besteht in der Schweiz seit den 80er-Jahren. So ist es auch im Strassenverkehrsgesetz festgehalten.

Linke finden Antrag überflüssig

«Warum soll eine solche Bemerkung aufgenommen werden, wenn es das eh schon gibt?», fragte deshalb der Kantonsrat Samuel Zbinden (Grüne) seine Parteikollegen. Er hat den Antrag gestellt, die Bemerkung der VBK abzulehnen: Für seine Partei sei die Bemerkung weder schlüssig noch nötig.

Es sei denn, und damit lancierte Zbinden die Debatte definitiv, man lese die Bemerkung so, wie sie wohl eigentlich gemeint ist. «Das ist eine versteckte Botschaft an die Regierung, künftig ja keine Tempo-30-Zonen mehr zu bewilligen.» Und Zbinden ergänzt: «Man kann auch direkt sagen, was man will.»

«Es geht darum, dass jetzt nicht plötzlich in allen Gemeinden Tempo 30 auf Kantonsstrassen eingeführt wird.»

Urs Marti, Kantonsrat Mitte

Unterstützung erhielt Zbinden vonseiten der SP und der GLP. Hasan Candan (SP) versuchte gar die Brücke zur bürgerlichen Ratsseite zu schlagen und verwendet ausnahmsweise nicht das Argumentarium Klimaschutz und Lebensqualität. Sondern er appellierte an die Hauseigentümer im Rat und meinte: «Dieser Antrag ist ein Eigentums-Vernichtungs-Antrag. Denn es ist erwiesen, dass der Wert einer Liegenschaft mit jedem zusätzlichen Dezibel Strassenlärm sinkt.»

Tempo 30 soll nur in Ausnahmefällen gelten

Urs Marti (Mitte) liess das unbeeindruckt. Er und seine Fraktion sind der Ansicht, dass es gut sei, diese Bemerkung im Bauprogramm festzulegen. Kantonsstrassen seien dazu da, den Verkehr flüssig zu halten. Zwar gelte innerorts schon heute Tempo 50, doch werde dieses Temporegime immer mehr aufgeweicht. «Es geht darum, dass jetzt nicht plötzlich in allen Gemeinden Tempo 30 auf Kantonsstrassen eingeführt wird.»

Es sei denn, und darum komme dem Wort «grundsätzlich» in der Bemerkung eine hohe Bedeutung zu, dass eine Temporeduktion förderlich für den Verkehrsfluss ist. Ausnahmen vom Tempo-50-Grundsatz sollen also möglich sein. Doch er mahnte, dass der Kantonsrat den Verkehr übergeordnet anschauen muss. Es sei darum falsch, in dieser Frage die Brille einer Gemeinde aufzusetzen, die Tempo 30 aus anderen Gründen als zur Erhöhung des Verkehrsflusses fordert. So etwa zum Beispiel zur Reduktion des Strassenlärms.

In der Debatte befürwortete auch die SVP die Bemerkung der Verkehrskommission. Pius Müller bezeichnete die Tempo-30-Diskussion als «Zwängerei». Er verwies auf die nationale Abstimmung zur VCS-Initiative aus dem Jahr 2001, welche innerorts grundsätzlich Tempo 30 forderte, mit 80 Prozent Nein-Stimmen aber deutlich abgeschmettert wurde. «Jedem ist klar, dass auf Kantonsstrassen nicht Tempo 30 eingeführt werden soll», ergänzte Müller.

Und sein Parteikollege Rolf Bossart fügte an, dass das Problem beim Vorgänger von Baudirektor Fabian Peter auszumachen sei, der Tempo 30 auf Kantonsstrassen überhaupt erst zugelassen habe. Ein «Eigengoal» sei das gewesen, «man hätte das nie aufweichen dürfen, die Höchstgeschwindigkeit innerorts war nämlich geregelt».

Fabian Peter wehrt sich vergeblich gegen Bemerkung

Auf seinen Vorgänger angesprochen, ergriff Fabian Peter das Wort. Wie Zbinden sah auch er keinen Bedarf für die Bemerkung der Kommission. «Temposignalisationen sind nicht Gegenstand des Bauprogramms», betonte Peter und verwies auf die bestehenden Strassenverkehrsgesetze.

Und er ergänzte, dass der Kanton im Rahmen von Lärmsanierungen sowieso nicht um die Tempo-30-Frage herumkomme (zentralplus berichtete). Denn, und so ist es in der Verordnung zum Lärmschutz festgehalten, Lärmüberschreitungen müssen immer an der Quelle bekämpft werden. Bei zu lauten Strassen also an der Strasse selbst. «In erster Linie in Form von Temporeduktionen», fuhr Peter fort. Das Bundesgericht hat das mit entsprechenden Urteilen im Zusammenhang mit Lärmschutzklagen unterstrichen.

Den Ausführungen Peters zum Trotz: Das Parlament stimmte der Bemerkung in der Schlussabstimmung mit 57 zu 51 Stimmen zu. Ändern wird das an der Verkehrspolitik des Kantons voraussichtlich nichts, denn: Was der Kantonsrat heute entschieden hat, gilt seit über 30 Jahren.

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Philipp
    Philipp, 28.11.2022, 15:58 Uhr

    Das war absolut nötig. Ich bin grundsätzlich ein Befürworter von Tempo 30.
    Aber auf Quartierstrassen und nicht auf Hauptstrassen. Selbst für einen funktionierenden ÖV ist dies nicht gerade dienlich.
    Irgendwo muss man einfach mal realistisch und vernünftig bleiben und den Verkehr am laufen halten.
    Es kann zudem nicht sein, dass alle Städte und Gemeinden in letzter Zeit meinen neue Häuser direkt an die Hauptstrasse zu bauen und danach eine 30er Zone zu verlangen. Gisikon / Root ist das Beste Beispiel. Auch da soll nun alles 30 werden nachdem man aus Profitgier X-Wohnblöcke direkt an die Hauptstrasse gestellt hat.

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    • Profilfoto von Martin Meier
      Martin Meier, 28.11.2022, 20:35 Uhr

      Wenn Sie davon ausgehen, dass Sie bis jetzt Tempo 50 in Root fahren konnten, verlieren Sie nun ca. 19 Sekunden pro Weg. Das machen Sie für die Sicherheit der Kinder und auch für die Anwohner, die nicht in den x-Wohnblöcken direkt an der Hauptstrasse wohnen.
      Ich danke Ihnen.

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      • Profilfoto von Roli Greter
        Roli Greter, 29.11.2022, 07:08 Uhr

        In Root geht es nicht um die Sicherheit von Fussgängern sondern um die Lautstärke der Strasse. Wer direkt da einzieht ist sich dessen bewusst.

        Für die Sicherheit fährt man nicht generell 30 statt 50, das Tempo gilt auch nachts.

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        • Profilfoto von Stephan
          Stephan, 30.11.2022, 20:05 Uhr

          Waren sie schon mal am späteren Abend oder nachts in Gisikon/ Root? Da ist tote Hose und mit Glück fährt alle paar Minuten mal ein Auto durch. Mit Lärm hat das nichts zu tun. Das Selbe gilt für 95% der Schweiz. Ab 19.00 ist verkehrstechnisch alles praktisch wie ausgestorben. Einzig dynamische Geschwindigkeitsanpassungen sind sinnvoll, die zu Stosszeiten wenn man sowiso nicht vorwärts kommt die Geschwindigkeit auf 30 begrenzen und anschliessend wieder 50km/h zulassen.

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