Suurstoffi in Rotkreuz: Zu viele Parkplätze für Car-Sharing
Zwei Jahre wurde versucht, die Bewohner vom Suurstoffi-Areal in Rotkreuz von «Sorglos mobil» zu überzeugen. Vergeblich: Der Erfolg bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.
Warum ist das innovative Mobilitätsprojekt «Sorglos mobil» auf dem Suurstoffi-Areal nicht durchgestartet? Ist es die Lage im mondänen Neubauquartier, dessen Bewohner bereits Zweitautos und GAs haben? War es die Corona-Pandemie? Oder war das Angebot nicht attraktiv genug, um die Bewohnerinnen längerfristig zu binden? Die Fragen stehen jetzt im Raum.
Doch kurz zurück: Zwei Jahre lang haben die Projektpartner Postauto, Zug Estates, Mobility und TCS zusammen mit dem Bundesamt für Verkehr (BAV) ein Pilotprojekt getestet. Das Ziel? Herauszufinden, wie es gelingt, geteilte und öffentliche Mobilität attraktiv zu machen. Mit einer App konnten die Bewohnerinnen des Suurstoffi-Areals zwei Elektroautos, sechs E-Bikes sowie den regulären ÖV buchen. Wer sich mit einem Abo längerfristig an das Projekt band, erhielt Rabatte (zentralplus berichtete).
Doch von angepeilten 50 Abo-Abschlüssen, sind nur 16 zustande gekommen. Urs Bloch, Mediensprecher bei Postauto, geht für zentralplus auf Spurensuche.
Schnuppern statt Umdenken
Möglicherweise war unser Ziel etwas zu ambitioniert, sagt Bloch. 50 Abos entsprächen in etwa 10 Prozent der Haushalte im Suurstoffi-Areal. Und das in einem Quartier, das aufgrund seines hohen Einkommensniveaus nicht nur einen sehr hohen Autoanteil, sondern auch einen überdurchschnittlichen ÖV-Abo-Anteil aufweist, schreiben die Autoren im Auswertungsbericht von «Sorglos mobil».
«Die Kundinnen und Kunden haben das Angebot eher in der Freizeit genutzt als für ihren täglichen Arbeitsweg.»
Urs Bloch, Mediensprecher Postauto
Die Bewohner hätten die Angebote zwar verwendet, aber nicht als wirklichen Ersatz für die bisherige Mobilität betrachtet. «Die Kundinnen und Kunden haben das Angebot eher in der Freizeit genutzt als für ihren täglichen Arbeitsweg», erklärt Bloch. Es sei mehr darum gegangen, neue Mobilitätsformen kennenzulernen. Möglicherweise auch, weil klar war, dass das Projekt nur temporär ist.
Wenige Abo-Abschlüsse
Eigentlich scheint das Areal für ein solches Projekt ideal. Denn Nachhaltigkeit ist ein grosses Thema hier: Das markante Wohnhochhaus Aglaya im Zentrum des Areals ist begrünt, Strom wird durch Photovoltaikanlagen gewonnen und das Quartier ist verkehrsfrei. Doch die Bewohnerinnen nutzten die Angebote anders, als es sich die Macher von «Sorglos mobil» vorgestellt hatten.
«Sie wollten das Abo nicht abschliessen, ohne zu wissen, ob sie dann das Guthaben wirklich brauchen.»
Urs Bloch
Individuelle Nutzung sei viel häufiger gewesen als im Rahmen eines Abos, erklärt Bloch weiter. Einer der Gründe: Im ersten Abo-Modell war ein Prepaid-Guthaben vorgesehen. Das gefiel den Nutzerinnen gar nicht. «Sie wollten das Abo nicht abschliessen, ohne zu wissen, ob sie dann das Guthaben wirklich brauchen.»
Doppelnutzung beim Car-Sharing im Suurstoffi
Zudem hätten viele Nutzerinnen bereits einzelne Apps der verschiedenen Anbieter gehabt. Denn die Fahrzeuge des «Sorglos mobil»-Fahrzeugpools konnten auch von Nutzern der bestehenden Mobility- und Carvelo2Go-Angebote verwendet werden.
«Berücksichtigt man nur den quantitativen Aspekt, haben wir das Ziel sicher nicht erreicht.»
Urs Bloch
Das Ergebnis? Die Fahrzeuge wurden zehnmal so oft von Kunden mit anderen Car-Sharing- und Mobilitäts-Apps genutzt als von Personen mit der «Sorglos mobil»-App. «Berücksichtigt man nur den quantitativen Aspekt, haben wir das Ziel sicher nicht erreicht», gesteht Bloch. «Es gibt aber auch den qualitativen Aspekt des Pilotprojekts.» Das Projekt habe viele neue Erkenntnisse gebracht, wie die Mobilitätswende gelingen kann.
Emotionale und rationale Anreize setzen
Zum Beispiel: Emotionale Aktionen seien von den Anwohnerinnen generell stärker angenommen worden als rationale Argumente. Zu diesen zählen Wettbewerbe und Social-Media-Aktionen. Argumente wie Kosteneinsparungen und Umweltgedanken hätten etwas weniger stark gewirkt, um die Leute von der geteilten Mobilität zu überzeugen.
«Rationale Anreize könnten deshalb die Rahmenbedingungen sein, indem man die Zahl von Parkplätzen verkleinert oder diese verteuert.»
Urs Bloch
Zusätzlich habe sich gezeigt, dass es auch rationale Anreize braucht. Auf dem Areal stehen den 514 Wohnungen 612 Parkplätze zur Verfügung. Sofern man sich ein Auto leisten kann, ist der Anreiz zur geteilten Mobilität daher nicht allzu stark. «Rationale Anreize könnten deshalb die Rahmenbedingungen sein, indem man die Zahl von Parkplätzen verkleinert oder diese verteuert», meint Bloch.
Digitalisierung und Zeit
Zuletzt sei auch der Grad der Digitalisierung entscheidend. Um die Leute von einem solchen Mobilitätsprojekt zu überzeugen, müssen die Angebote über eine einzige App «gesucht, gebucht und bezahlt werden können», resümiert der Mediensprecher. «Eine zentrale App muss einfach bedienbar sein und vom Anfang bis zum Schluss ein überzeugendes Kundenerlebnis bieten.»
Schliesslich brauche es auch etwas Geduld, bis die Kundinnen neue, flexiblere Modelle ausprobieren. Das Beispiel von Bike-Sharing zeige, dass sich gute Angebote nach einer gewissen Zeit durchsetzen können.
- Schriftlicher Austausch mit Urs Bloch, Mediensprecher bei Postauto
- Medienmitteilung über «Sorglos mobil»