Parkplätze sollen Solardächer erhalten

Solarstrom: ALG will Energiewende nach deutschem Vorbild

Schwebt der Zuger ALG vor: Mit Solaranlagen überdachte Parkplätze, wie hier auf dem Parkhaus der Firma Galliker in Altishofen. (Bild: Galliker)

Die Zuger ALG fordert, dass Parkplätze künftig mit Solaranlagen überdacht werden. Die Idee haben sie abgeschaut - im grünen Bundesland Baden-Württemberg.

Woher soll unser Strom kommen? Wohl über keine Frage wird in der Schweiz aktuell so heiss diskutiert, wie über diese. Der Ukraine-Krieg führt die Abhängigkeit der Schweiz vom Ausland vor Augen. Dessen Folgen gehen so weit, dass die Rationierung des Stroms im Winter zu einem realistischen Szenario geworden ist.

ALG: Nach den Dächern die Parkplätze

Die politischen Reaktionen auf die Energiekrise sind gespalten. Manche fordern ein Comeback von Atomkraftwerken (zentralplus berichtete). Andere wollen den Stromengpass kurzfristig mit neuen Gaskraftwerken überbrücken. Und wieder andere fordern einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Zum Beispiel die Zuger ALG.

Das Strompotential von überdachten Parkplätzen ist gross. (Bild: Energie Zukunft Schweiz)

Mit einem Vorstoss fordert die Partei, dass grössere Parkplatzflächen künftig mit Solaranlagen überdacht werden sollen (zentralplus berichtete). Die Regel soll sowohl für neue als auch für bestehende Parkplätze gelten. Von der Massnahme wären alle Flächen mit mehr als 20 Parkplätzen betroffen. Die dort zur Verfügung stehenden Flächen sollen zu mindestens 60 Prozent mit Solaranlagen überdacht werden.

«Parkplätze gibt es sowieso schon und wird es auch in Zukunft geben. Wir wollen deren Potential zur Stromproduktion ausschöpfen.»

Tabea Zimmermann-Gibson, ALG-Gemeinderätin

Bereits im vergangenen Herbst hat die ALG mit einer Motion eine Solaroffensive auf Zuger Dächern gefordert. Bei allen Neubauten sowie allen Sanierungen von Gebäuden sollen Solaranlagen installiert werden. Heute schöpft der Kanton Zug lediglich fünf Prozent des Energiepotentials von Solarstrom aus. Das will die Partei ändern. Und dazu braucht es offenbar nicht nur die Dächer, sondern auch die Parkplätze.

Keine «Entweder-Oder-Frage»

Tabea Zimmermann-Gibson ist ALG-Gemeinderätin und kandidiert für einen Sitz im Regierungsrat. Sie begründet den Vorstoss: «Um bei der Stromproduktion möglichst unabhängig zu sein vom Ausland, sollen wir das ganze Solarpotential nutzen und nicht nur Solaranlagen auf den Dächern bauen.» Auch grosse Parkplatzflächen seien dafür geeignet. Zimmermann betont: «Das ist keine Entweder-Oder-Frage.» Es brauche beides.

Tabea Gibson Zimmermann präsidiert den Grossen Gemeinderat Zug. (Bild: zvg)

Wie bei den Dächern sei es so, dass die Infrastruktur schon zur Verfügung stehe: «Parkplätze gibt es sowieso schon und wird es auch in Zukunft geben. Mit diesem Vorstoss wollen wir deren Potential zur Stromproduktion ausschöpfen.» Als mögliche Beispiele zählt Zimmermann bestehende Areale rund um den Bahnhof Zug oder den Parkplatz beim Einkaufszentrum Zugerland auf. Der produzierte Strom könnte dort gleich vor Ort im Einkaufszentrum genutzt werden.

Parkplätze haben grosses Potential für Solarenergie

Tatsächlich werden Parkplätze in der Schweiz bisher kaum genutzt für die Stromproduktion. Dabei ist ihr Potential beträchtlich.

Gemäss einer Schätzung des Bundesamts für Statistik gibt es in der Schweiz rund fünf Millionen Parkplätze. Das entspricht einer Fläche so gross wie die Gemeinden Luzern, Horw und Kriens zusammen. Man muss sich also Luzern inklusive Agglomeration als riesige Parkplatzfläche vorstellen, um das Potential zu erahnen.

Wie eine Studie von Energie Zukunft Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Energie zeigt, liesse sich auf dieser Fläche sechs bis zehn Gigawattstunden Solarstrom produzieren. Zum Vergleich: 2020 haben alle Solaranlagen in der Schweiz knapp drei Gigawattstunden Strom produziert. In dieser Berechnung sind kleine Parkfelder, Parkhäuser oder Längsparkplätze entlang von Strassen nicht berücksichtigt.

Baden-Württemberg macht es vor

Das Potential ist also gross, doch an die Umsetzung hat sich in der Schweiz noch fast niemand gewagt. Weiter ist man in Deutschland, genauer gesagt in Baden-Württemberg. Denn neu ist die Idee der ALG nicht. Die Partei hat für ihren Vorstoss im Klimagesetz des süddeutschen Bundeslandes abgeschaut. Das Gesetz enthält einen Artikel, der die Bauherrschaft dazu verpflichtet, bei Neubauten oder Parkfeldern ab 35 Parkplätzen Solaranlagen zu installieren.

Flächenmässig ist das Bundesland etwas kleiner als die Schweiz. Das Umwelt- und Energieministerium von Baden-Württemberg schätzt, dass allein auf Parkflächen pro Jahr rund 40 Megawatt Solarstrom zusätzlich produziert werden könnten. Das entspricht knapp einem Zehntel der 2020 in der Schweiz installierten Solarenergie.

Die Unternehmen erkennen den Mehrwert solcher Anlagen, die Kosten sparen, weil der produzierte Strom selbst genutzt werden kann.»

Bettina Jehne, Sprecherin Energieministerium Baden-Württemberg

Das entsprechende Gesetz ist seit Beginn dieses Jahres in Kraft und gilt nur für neue Parkplätze. «Das heisst, diese Parkplätze müssen beantragt, gebaut und die Anlage erst installiert werden», sagt Bettina Jehne, Sprecherin des Umwelt- und Energieministeriums des Bundeslandes auf Anfrage. Darum habe man noch keine Erfahrungen mit dem neuen Gesetz sammeln können.

Jehne geht aber davon aus, dass die Massnahme in der Bevölkerung auf Wohlwollen stösst: «Bei Parkplätzen dieser Grössenordnung sind in der Regel Unternehmen und Handel betroffen. Wir erleben unsere Unternehmen überwiegend als sehr engagiert. Sie erkennen den Mehrwert solcher Anlagen, die Einnahmen generieren beziehungsweise Kosten sparen, weil der produzierte Strom selbst genutzt werden kann.»

In Zug ist mit Gegenwind zu rechnen

Das mag sein. Allerdings ist das süddeutsche Bundesland wohl das «grünste» in ganz Deutschland. In keinem Landesparlament sitzen ähnlich viele grüne Parlamentarier wie hier. Und bereits heute werden in Baden-Württemberg rund elf Prozent des Strombedarfs mit Solarstrom gedeckt. Das ist mehr als doppelt so viel wie in der Schweiz oder im Kanton Zug, wo fünf Prozent des Bedarfs mit Sonnenenergie gedeckt werden.

Wie gross stehen also die politischen Chancen für den ALG-Vorstoss im nicht ganz so grünen Kanton Zug? Tabea Zimmermann betont, dass es sich um eine wirtschaftsfreundliche Vorlage handelt. Einerseits soll die Massnahme möglichst unbürokratisch umgesetzt werden. Und anderseits sagt sie: «Es ist im Interesse der Zuger Wirtschaft, dass der Ausbau der eigenen Stromproduktion schnell vorangeht.» Ob das im Zuger Kantonsrat alle so sehen, wird sich zeigen.

Verwendete Quellen
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