Das Napfgebiet kämpft mit Parkplatzmangel und Wildparkierern. (Bild: Luzern Tourismus AG)
Wildes Parkieren, über Pässe brettern, Motor aufheulen lassen: Das alles geschieht in der Biosphäre Entlebuch, einem der schützenswertesten Orte der Schweiz. Die Gemeinden ordnen das Autoproblem ein.
Seit dem Jahr 1978 ernennt die Unesco besondere Gebiete zu Biosphärenreservaten. In diesen Modellregionen wird erforscht, wie Mensch und Natur nachhaltig zusammenleben können. 748 solche Reservate gibt es heute weltweit. Zwei davon liegen in der Schweiz – das ältere in Luzern.
Das Entlebuch ist eine moor- und sumpfreiche Region. Seit 2001 gilt das Gebiet als Unesco-Biosphärenreservat. Das Gebiet um den Nationalpark im Engadin erhielt diesen Status 2017 definitiv.
800’000 Personen besuchen das Entlebuch pro Jahr
Das Entlebuch ist allerdings mehr als ein Schutzort für wertvolle Moore. Auch der grüne Tourismus boomt in der Region (zentralplus berichtete). Goldwaschen im Napfgebiet, Steinbock-Treks, Wandern auf die Schrattenfluh: All dies und mehr wird online beworben. Einige Gemeinden sind stark vom Tourismus abhängig, wie Flühli-Sörenberg. Sichere Daten zu Besucherzahlen gibt es nicht. Hochrechnungen aber schon.
Weiterlesen, sonst verpasst du:
was die grössten Probleme mit dem Verkehr in der Biosphäre sind
was die Gemeinden dagegen unternehmen
wo man möglicherweise schon bald fürs Parkieren bezahlen muss
Ein Projektbericht der ETH Zürich schätzte zuletzt, dass 365’000 Besucher im Sommer und bis zu 415’000 im Winter in die Biosphäre Entlebuch reisen. Das entspricht in etwa der Anzahl Fahrgäste der Pilatus-Bahnen pro Jahr.
Am liebsten kommen Schweizer zwischen 40 und 50 aus den Städten Luzern, Bern, Zürich oder Basel. Im Sommer nutzt die Hälfte zur Anreise den ÖV, im Winter nur ein Viertel. Auch das zeigt die ETH-Studie. Der Rest setzt dagegen aufs Auto – was zunehmend für Probleme sorgt.
An einem gewöhnlichen Sonntag im Herbst hört man regelmässig an den Passstrassen die Motoren der Hobbyrennfahrer aufheulen. Kennzeichen: meist Luzern, Zug, Nid- und Obwalden. Der Lärm stört nicht nur Urlauber und Anwohner, sondern auch Wildtiere.
Doch wie gross ist das Problem genau? zentralplus hat bei den sieben Gemeinden in der Biosphäre Entlebuch nachgefragt.
So beschreiben die Gemeinden das Autoproblem
Entlebuch: Gemeindepräsident Michael Grau beobachtet, dass der Autoverkehr über den Glaubenbergpass stark zugenommen hat. Mit Hinweistafeln macht die Gemeinde auf die Lärmbelastung aufmerksam. Diesen Herbst haben Autos ausserdem Zufahrtsstrassen und Rettungswege blockiert – wegen der vielen Ausflügler.
Hasle: Gemeindeammann Michael Hofstetter erläutert: «Wenn in unserer Region die Sonne scheint und es in den niedrigen Lagen Nebel hat, kommen viele Leute zu uns an die Sonne. Das führt an einzelnen Tagen zu prekären Parkplatzsituationen.»
Doppleschwand: Ähnliches bestätigt Gemeindepräsident Stefan Dahinden. Die Gemeinde hat bereits Hinweistafeln aufgestellt, damit Besucher die Zufahrtswege für Polizei und Feuerwehr freihalten.
Romoos: Auch Gemeindeschreiberin Marlis Roos hält den Parkplatzmangel für das grösste Problem. «Es gibt Tage, da sind die Parkplätze voll, und es kommt zum Wildparkieren.» Gemeinsam mit angrenzenden Gemeinden im Napfgebiet prüft Romoos daher nun die Einführung einer Parkgebühr.
Flühli: Parkplätze im Gebiet Salwideli und im Chessiloch kommen ebenfalls an ihre Grenzen. Gemeindepräsidentin Hella Schnider kündigt an, dass eine «Bewirtschaftung» in den kommenden Jahren zum Thema werde. Ausserdem kritisiert sie den wachsenden Verkehr und Lärm an den Pässen Glaubenberg und Glaubenbielen. Vor allem durch Motorräder.
Schüpfheim: Geschäftsführer Lukas Meyer sieht die Lage dagegen entspannt. Nur an sonnigen Wochenenden seien Parkplätze an beliebten Orten wie dem Glaubenberg oder Finsterwald knapp, erläutert er. Dann käme es zum wilden Parkieren.
Sechs der sieben Gemeinden im Verband der Unesco-Biosphäre Entlebuch haben zentralplus geantwortet. Escholzmatt-Marbach noch nicht. Was aber sagt der Verband selbst zum Autoproblem?
Gemeindeverband kritisiert leise – und fördert den ÖV
Sandro Bucher, Leiter Tourismus und Mobilität, schreibt, dass alle drei Pässe in der Region – der Glaubenbergpass, der Glaubenbielenpass und der Schallenbergpass – beliebt seien. Bei Radsportlern, aber auch bei Motorrad-, Cabrio- und Oldtimer-Liebhabern. «Hier entstehen natürlich auch unerwünschte Emissionen.» Der Verband kommuniziere darüber aber «dezent und zurückhaltend».
Statt lauter Kritik am Auto setzt der Verband auf ÖV-Förderung. Gäste konnten diesen Herbst zum dritten Mal gratis mit dem ÖV anreisen, wenn sie mindestens drei Nächte in einem Partnerhotel gebucht hatten. Finanziert wurde dies durch das Netzwerk Schweizer Pärke, Fahrtziel Natur sowie die Biosphäre selbst.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der ÖV im Entlebuch noch immer stark ausbaufähig ist. Wer zum Beispiel vom Bahnhof Entlebuch nach Finsterwald möchte, muss tagsüber mehrere Stunden auf einen Bus warten. Denn im Fahrplan existiert ein grosses Loch.
Dies sollte sich ändern. Denn: «Bequemlichkeit ist ein wichtiger Erfolgsfaktor», erklärt Bucher. Damit das Auto stehen bleibt, muss der ÖV attraktiv sein. Gemeinsam mit der SBB und anderen Subunternehmen erprobt der Verband daher auch die Vorabzustellung von Reisegepäck im Entlebuch. Und fördert Car- und Bike-Sharing-Angebote sowie Ladestationen.
seit 2022 im Journalismus, davor Politikwissenschaftler, Weltenbummler und Steinbildhauer. Bei zentralplus vom Praktikanten, zum Volontär bis zum Ressortchef alles durchlaufen. Heute Co-Redaktionsleiter mit einem Hang zu guten Texten.