Test zeigt: Velowege enden plötzlich, PS gewinnen

So gefährlich sind die Zuger Velowege wirklich

Ivo Egger zeigt auf einer kleinen Velotour durch Zug, weshalb seine Partei eine Veloweg-Initiative eingereicht hat. (Bild: wia)

Vor kurzem wurde mit einer Initiative ein besseres Velonetz für Zug gefordert. Doch wie gefährlich sind die Zuger Velowege wirklich? Um dies zu erfahren, haben wir mit einem der Initianten eine «Tour de Zug» unternommen. Etwas mulmig wurde uns dabei schon zwischendurch.

Die Zuger Alternative – die Grünen (ALG) sind überzeugt: Das Velonetz im Kanton, insbesondere in den städtischen Gebieten ist ungenügend. «Innerorts enden Velowege oft ausgerechnet an Gefahrenstellen, sind nicht durchgehend signalisiert oder grössere Umwege müssen in Kauf genommen werden», schreibt die Partei im Rahmen einer Initiative, welche vor einer Woche bei der Zuger Staatskanzlei eingereicht wurde.

«Von Velofahrenden wird zum Beispiel erwartet, dass sie Fussgängerstreifen benutzen, um sicher auf die andere Strassenseite zu gelangen», heisst es in einer Mitteilung. Geht es nach der ALG, soll sich das bald ändern.

Ein durchgehendes Veloverkehrsnetz bis 2030

2’150 Personen haben die Velonetz-Initiative unterschrieben (zentralplus berichtete). Der Vorstoss fordert für den Kanton Zug bis ins Jahr 2030 ein sicheres, direktes und durchgehendes Veloverkehrsnetz. Wohn- und Arbeitsorte sollen miteinander verbunden, Velos vom Auto- und Fussverkehr getrennt werden. An Zielorten sollen genügend Veloparkplätze entstehen.

Doch ist es denn wirklich so schlimm? Wir wollen es genau wissen, satteln den Drahtesel und treffen Ivo Egger. Der ALG-Kantonsrat ist nicht nur im Zuger VCS-Vorstand, sondern auch Mitglied von Pro Velo.

Die Tour beginnt beim Brüggli in Zug. Denn hier liegt, insbesondere für Velofahrerinnen mit Anhänger, ein ziemliches Pièce de Résistance: Die Fussgänger-Unterführung, welche man als Fahrradfahrer vom Brüggliweg nehmen muss, um zur gleichnamigen Badi zu gelangen, ist mit dem Anhänger fast unmöglich zu bewerkstelligen.

Ivo Egger, ein zweifacher Vater aus Baar, weiss es aus eigener Erfahrung. Auch heute hängt ein Kinderanhänger an seinem E-Bike. «Die Rampe, auf der man sein Velo hochschiebt, ist sehr steil und für manche Veloanhänger ausserdem zu schmal.» Er selber nehme daher jeweils den Umweg im Westen via Chamerstrasse, oder aber fahre bis zum Schutzengel, wo er die Strasse queren müsse.

Wir bleiben der Unterführung fern, denn wir müssen sowieso ins Stadtzentrum. Genauer gesagt zur alten Post.

Diese «Velo»-Unterführung beim Brüggli ist alles andere als praktisch. (Bild: wia)

Der schöne Veloweg hört abrupt auf

Es ist 16.30 Uhr, der Feierabendverkehr nimmt langsam Fahrt auf. Das ist uns zunächst jedoch egal. Die Velostrecke vom Brüggli bis zum Regierungsgebäude wird getrennt geführt vom Autoverkehr.

Einziges Verbesserungspotenzial gemäss Egger: «Hier, bei der Katastrophenbucht, wäre es gut, wenn auch Fussgänger und Velos getrennte Spuren hätten. Tatsächlich absolvieren Wochenend-Biker und «Gümmeler» hier bei schönem Wetter oft einen Spiessrutenlauf um flanierende Spaziergängerinnen herum. Ansonsten jedoch ist die Strecke prima, und auch die Szenerie lässt sich sehen. Doch die Fahrfreude nimmt ein abruptes Ende, als wir uns dem Regierungsgebäude nähern.

«Grundsätzlich gibt es einige Ost-West-Querungen, die für Velofahrende mühsam sind.»

Ivo Egger

Denn wir müssen zum Postplatz und der Veloweg führt bloss in Richtung Altstadt. Also absteigen, das Velo an der Bushaltestelle vorbeischieben, geduldig auf Grün warten, damit wir die beiden Strassenabschnitte bis zum Postplatz bewältigen können. Eine ziemlich mühsame Prozedur. «Grundsätzlich gibt es einige Ost-West-Querungen, die für Velofahrende mühsam sind», bekräftigt Egger.

Zeughausgasse: Der PS-Reichere gewinnt

Nun fährt Egger südwärts der Zeughausgasse entlang. Dass die 170 Meter lange, vor einigen Jahren umgestaltete Strasse niemanden so richtig glücklich macht, ist bekannt (zentralplus berichtete). Der Grund: Das Verkehrskonzept ist verwirrend. Die Fahrbahn ist sehr schmal geraten. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass den Velofahrerinnen hier von der Ägeristrasse her jederzeit Autos entgegenkommen können. Ein erstes Mal sind wir froh, dass Eggers Anhänger zurzeit leer ist.

Der ALG-Kantonsrat sagt über die Situation:

Zurück geht's an die Bahnhofstrasse. Eggers Plan: Von dort aus, Richtung Norden fahren und nach links in die Schmidgasse einbiegen. Bei der Bahnhofstrasse handelt es sich um eine zweispurige Einbahnstrasse. Auf einem kurzen Streckenabschnitt befinden sich zwei Bushaltestationen. Wollen Velos am Ende der Strasse links Richtung Bundesplatz, oder eben in die Schmidgasse rein, fahren sie in der Mitte der Strasse, zwischen den beiden Fahrspuren.

Fahrbahn blockieren, leicht gemacht

Das Manöver, das Egger unternimmt, sieht ungemütlich aus. Die meisten der hinter ihm fahrenden Autos trauen sich nicht zu überholen. Das ist zwar gut für seine Sicherheit, aber schlecht für den Verkehrsfluss.

Was könnte seiner Meinung nach die Alternative sein für die bisherige Verkehrslösung? Egger sagt: «Man könnte die Verkehrslösung beispielsweise gänzlich ändern. Dass die Einbahnstrasse etwa über die Poststrasse führt und hier, an der Bahnhofstrasse nur Velos, Busse und Fussgänger zugelassen sind.» Ausserdem könnte das Tempo von bisher 50 auf 30 gedrosselt werden.

Absteigen oder Gubelloch

Nächste Etappe auf unserer Tour de Zug: Der Bahnhof Zug auf der Seite Dammstrasse, inklusive Fahrt in Richtung Baar. Wir brausen östlich am Bahnhof vorbei und passieren stehende Taxis sowie Kurzparker. Die Situation mit den Fussgängerinnen ist eher unübersichtlich. Zwar herrscht hier für Autos Einbahnverkehr. Dass das für Velos nicht gilt, scheinen viele Automobilistinnen jedoch nicht zu wissen.

«Auch hier ist es als Velofahrer mühsam, von Osten nach Westen zu kommen. Entweder, man steigt ab und geht durch den Bahnhof, oder aber man fährt durchs Gubelloch», sagt Egger. Das wiederum heisst, sich als Velofahrer auf dem Streifen zwischen zwei Fahrspuren zu bewegen. Der Velostreifen befindet sich nicht am Rande der Fahrbahn, sondern mitten auf der Strasse.

Huch, wo ist denn der Weg hin?

Um zum Landis+Gyr-Areal zu gelangen, nehmen wir die Velo- und Fussgängerunterführung. Im Norden wieder aufgetaucht, muss man den Veloweg erst suchen, denn man befindet sich plötzlich mitten auf einem Parkplatz wieder.

«Der Fahrradweg hört plötzlich auf», sagt Egger und zuckt mit den Schultern. Orientieren muss man sich an unauffällig platzierten Veloschildern, die auf den Zick-Zack-Kurs aufmerksam machen. Wir manövrieren uns neben einer Schranke durch, müssen dann scharf rechts abbiegen, um 10 Meter weiter wieder scharf links auf den eigentlichen Veloweg einzubiegen, der den Bahngeleisen entlang in Richtung Baar führt. Es dürfte ab und zu vorkommen, dass sich hier Autos und Velos in die Quere kommen.

Links an der Schranke vorbei führt der offizielle Veloweg beim Park and Ride Zug. (Bild: wia)

Unsere Erfahrung auf der Tour de Zug: Die Stadt ist mit dem Velo zwar machbar. Mit Kindern, ob im Anhänger oder auf eigenen Velos, möchte man die Innenstadt jedoch lieber auslassen. Verbesserungswürdige Stellen gibt es einige. Velofahrerinnen sind offensichtlich die schwächeren Verkehrsteilnehmer.

Die Zuger Regierung ist willig

Die Zuger Regierung hat das Thema Veloverkehr in den letzten Jahren stärker priorisiert. Dies nicht zuletzt mit einer kantonalen Velonetzplanung (zentralplus berichtete). Baudirektor Florian Weber dazu: «Der Regierungsrat ist sich der steigenden Bedeutung flächeneffizienter Verkehrsmittel bewusst.» Im März 2022 habe er darum die Weiterführung des bestehenden Legislaturziels, dem Aufbau des Programms «Stadtlandschaft = Velolandschaft» beschlossen. Damit soll in der sogenannten Stadtlandschaft vermehrt auf das Velo als Verkehrsmittel gesetzt werden.

«Mit der kantonalen Velonetzplanung wurden hierfür die konzeptionellen Grundlagen geschaffen. Erkenntnisse daraus fliessen in laufende Planungen ein.» Als nächster Schritt soll, so Weber, das überarbeitete kantonale Velonetz behördenverbindlich im kantonalen Richtplan festgesetzt werden.

Rennt die ALG mit ihrer Initiative also offene Türen ein? Dazu sagt der ALG-Co-Präsident Andreas Lustenberger auf Anfrage: «Der Kanton Zug ist immer dann Willens, wenn die Wahlen vor der Tür stehen. Im politischen Alltag führt das Velo im Kanton Zug ein Schattendasein und es wird viel zu wenig priorisiert.» Während bei Strassenbauprojekten sogar Landenteignungen zur Debatte stünden, seien die Verhandlungen für einen 2-Meter-Velostreifen jeweils aussichtslos, bemängelt der Kantonsrat.

Das Velo: Entlastung in vielerlei Hinsicht

«An unzähligen Orten bricht der Veloweg im Kanton Zug ab, das Velo wird von der Regierung noch immer als ein Spass- und Freizeitgerät betrachtet. Stattdessen birgt es ein unglaubliches Potenzial», ist Lustenberger überzeugt. Klima, ÖV und Strassen würden entlastet, die Gesundheit nebenbei gefördert.

«Wenn wir offene Türen einrennen, dann umso besser.»

Andreas Lustenberger, Zuger ALG-Co-Präsident

Zum Zuger Mobilitätskonzept sagt er: «Seit vier Jahren von der Baudirektion versprochen, musste sie den ersten Entwurf wieder zurücknehmen, weil dieser so verrissen wurde.» (zentralplus berichtete). In einigen Monaten soll die Regierung das Konzept zum zweiten Mal vorlegen. «Wenn wir offene Türen einrennen, dann umso besser. Dann können Regierungsrat und Kantonsrat die Initiative ja zur Annahme empfehlen und so den 2’157 Zugerinnen und Zugern gerecht werden.»

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Kommentarschreiber
    Kommentarschreiber, 14.06.2022, 10:53 Uhr

    @Biobiker
    Typischer Gümelerkommentar! Für jeden Furz und immer mit dem Auto unterwegs und in der Freizeit dann, bei schönem Wetter, mit dem Rennvelo die Radwege usurpieren und sich über die Veloanhänger aufregen. Als Alltagsvelofahrer finde ich auch, dass Gelbnummernraser auf die Strasse gehören, genau so wie Gümelerraser. Und was ist mit der «Scheuklappenmentalität der ideologisierten» Autofetischisten? Fakt ist, dass der Langsamverkehr immer mehr zunimmt, ob Sommer oder Winter und berechtigterweise seine Platzansprüche geltend macht.

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  • Profilfoto von Biobiker
    Biobiker, 13.06.2022, 07:55 Uhr

    Dieser Herr ist ja gar nicht mit einem echten Velo unterwegs. Sein hochmotorisiertes E-Bike mit gelbem Schild ist für 45 km/h zugelassen, gehört also auf die Strasse wie ein Töffli, umso mehr, als er mit seinem breiten Anhänger für Velofahrer auf schmalen Radwegen eine Gefahr darstellt beim Kreuzen und Überholtwerden. Es ist unmöglich, extrabreite Radwege für Velos mit Anhänger zu bauen. Da fehlt schlicht der Platz.
    Hinzu kommt, dass von November bis März fast keine Velofahrer zu sehen sind. Man sollte also die Relationen respektieren. Ich fahre ganzjährig mit dem Rennvelo im Kanton und darüber hinaus und habe null Probleme mit einem angeblich ungenügenden Velonetz. Die Scheuklappenmentalität der ideologisierten Velofahrer ist mir fremd.

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    • Profilfoto von Thomas Aeberhard
      Thomas Aeberhard, 13.06.2022, 08:36 Uhr

      Ich bin nicht sicher, ob Lastenvelos mit 45km/h oder Rennvelos ein grösseres Hindernis für den Strassenverkehr darstellen. Gümmeler glauben ja sowieso, die Pflicht zur Nutzung von Velowegen gelte für sie nicht und fahren bevorzugt in der Strassenmitte.

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  • Profilfoto von Albert von Hasle
    Albert von Hasle, 13.06.2022, 06:35 Uhr

    Ein faszinierender Bericht.

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