Keine Linie wirft Gewinn ab

So defizitär ist der Zuger und Luzerner ÖV wirklich

Nicht alle Busse der ZVB sind so gut gefüllt wie dieser. Das finanzielle Loch muss der Kanton stopfen. (Bild: Zuger Verkehrsbetriebe)

Dass der öffentliche Verkehr von Bund und Kantonen subventioniert wird, ist bekannt. Zahlen des Bundes zeigen, wie teuer der ÖV in Zug tatsächlich ist.

Vielleicht hast du das auch schon erlebt: Du sitzt ausserhalb der Stosszeiten im Bus und ausser dir befindet sich nebst der Buschauffeurin niemand anderes im Fahrzeug. Zwar ist es nett, einen Bus ganz für sich alleine zu haben – macht aber weder ökologisch noch ökonomisch Sinn.

In solchen Momenten stellt sich die Frage: Braucht es diese Busverbindung wirklich, wenn sie ausser mir niemand nutzt? Nein, wäre die Antwort, wenn die Busse zu jeder Uhrzeit und auf allen Linien so wenig ausgelastet wären.

Doch dann gibt es auch Situationen, in denen der Bus rappelvoll ist und kaum noch ein zusätzlicher Passagier in den Bus passt. In solchen Momenten stellt sich weniger die Frage nach der Wirtschaftlich- als nach der Bequemlichkeit. Und für die ÖV-Betriebe ist es Jahr für Jahr die grosse Herausforderung, in diesem Spannungsfeld ein Angebot auszuarbeiten.

Kaum eine Linie macht Gewinn

Kostendeckungsgrad, heisst dabei das magische Wort, an dem sich die Betriebe orientieren. Dieser Grad gibt an, zu welchen Teilen sich eine Linie über die Auslastung und die Ticketverkäufe selbst finanziert. Liegt der Kostendeckungsgrad höher als bei 100 Prozent, wirft eine Linie Gewinn ab. Ansonsten ist sie defizitär.

Zahlen des Bundesamts für Verkehr (BAV) zeigen den Kostendeckungsgrad für das Jahr 2021. Der Bund legt zudem offen, welche Kosten pro Linie bei Bund und Kantonen anfallen. Die Zahlen zeigen nur jene Linien, an denen sich der Bund finanziell beteiligt. Es sind dies vor allem Linien, die nicht bloss Haltestellen innerhalb einer Ortschaft, sondern verschiedene Ortschaften miteinander verbinden. Und ein Blick auf die Zuger Zahlen zeigt: Keine der Linien fährt auch nur annähernd im kostendeckenden Bereich.

Die Linie 1 nach Oberägeri ist die teuerste

Am besten schneidet in Zug die Buslinie 1 nach Oberägeri ab. Der Kostendeckungsgrad liegt da bei 60 Prozent (Information zu den Zahlen, siehe Box). Diese Linie war bereits in den vergangenen Jahren die am meisten nachgefragte Verbindung (zentralplus berichtete).

Allerdings ist es auch die mit Abstand teuerste Linie der Zugerland Verkehrsbetriebe (ZVB). Die Linie 1 verursacht bei dieser Auslastung ein Defizit von rund 1,8 Millionen Franken. Circa ein Drittel davon übernimmt der Bund, über 1,1 Millionen Franken muss der Kanton Zug dafür berappen. Die Linie 2 nach Menzingen kostet den Kanton mit 660’000 Franken Defizit nur rund die Hälfte. Der Kostendeckungsgrad dieser Linie beträgt 52 Prozent.

«Der ÖV richtet sich grundsätzlich nicht alleine nach dem Kostendeckungsgrad, sonst würden im Regionalverkehr in der ganzen Schweiz nur noch wenige Linien verkehren.»

Florian Weber, Zuger Baudirektor

Einen besonders tiefen Kostendeckungsgrad weisen die ZVB-Linien im Seetal und im Freiamt auf. Die Kosten sind hier nur zu 20 Prozent durch die Ticketerlöse gedeckt. Noch tiefer ist der Grad auf der Buslinie zwischen Rotkreuz und Immensee sowie zwischen Rotkreuz und Brunnen. Auf letzterer liegt er nur gerade bei 10 Prozent. Das kostet den Kanton Zug aber überraschend wenig. Mit knapp 63’000 Franken unterstützt er diese Linie. Den grösseren Teil des Defizits übernimmt in diesem Fall der Kanton Schwyz.

Wohl das schlechteste Auslastungs-Nutzen-Verhältnis im Kanton Zug weist die Linie 31 zwischen Baar und Sihlbrugg auf. Deren Kosten sind nur knapp zu einem Drittel durch Ticketverkäufe gedeckt. Die Linie kostet den Kanton darum jährlich rund 640’000 Franken.

Kanton Zug macht klare Vorgaben

Wie lässt sich das rechtfertigen? Verantwortlich für den Zuger ÖV ist der Regierungsrat. Und der zuständige Baudirektor Florian Weber (FDP) betont auf Anfrage: «Der ÖV richtet sich grundsätzlich nicht alleine nach dem Kostendeckungsgrad, sonst würden im Regionalverkehr in der ganzen Schweiz nur noch wenige Linien verkehren.»

Tatsächlich zeigt die Liste des BAV, dass der Kanton Zug keine Ausnahme ist. In der Schweiz sind nur gerade eine Handvoll Linien im kostendeckenden Bereich unterwegs. Weber führt darum aus: «Es ist nämlich auch die Aufgabe des öffentlichen Verkehrs, dass die Gemeinden und Wohngebiete in Bezug auf ihre Arbeitsplätze und die Einwohnerzahl angemessen erschlossen werden.»

Florian Weber, Zuger FDP-Regierungsrat. (Bild: sib)

Auch der Bund ist sich dessen bewusst. Er hat darum ziemlich tiefe Ansprüche an die Transportunternehmen. Deren Kostendeckungsgsrad soll mindestens 10 Prozent betragen. Der Kanton Zug hingegen hat höhere Ansprüche. «Gemäss Gesetz über den öffentlichen Verkehr im Kanton Zug soll bezüglich des gesamten Angebots ein Kostendeckungsgrad von mindestens 40 Prozent erreicht werden. Dies war in den letzten 20 Jahren durchwegs der Fall», betont Weber. 2021 lag er bei 47 Prozent.

Besteht auf einer Linie kaum eine Nachfrage, muss die ZVB unter Umständen nachbessern: «Bei Buslinien mit extrem tiefem Kostendeckungsgrad werden Optimierungen angeschaut», sagt Weber. «Eine vollständige Aufhebung einer Linie aufgrund des Kostendeckungsgrads ist denkbar, stösst aber in der Regel auf grossen Widerstand in der Bevölkerung und bei der Politik.» Letztlich sei es der Regierungsrat, der das definitive Busangebot beschliesst.

Der «1er» in Luzern fährt fast kostendeckend

Nicht anders ist die Situation im Nachbarkanton Luzern. Auch hier wirft keine der aufgeführten Linien Gewinn ab. Eine ist jedoch nahe dran. Der Kostendeckungsgrad der Linie 1 zwischen Kriens und Ebikon beträgt knapp 93 Prozent. Unter allen Schweizer Buslinien im regionalen ÖV liegt der «1er» damit unter den besten 20.

Der «1er» ist sozusagen die Paradelinie der VBL. (Bild: sah)

Doch selbst diese Linie verursacht ein Defizit von jährlich rund 300’000 Franken, für das Bund und der Kanton Luzern zu gleichen Teilen aufkommen. Und längst nicht alle Linien der VBL sind so gut ausgelastet wie die Linie 1. Vor der Pandemie betrug der Kostendeckungsgrad auf dem gesamten VBL-Netz rund 69 Prozent, sank aufgrund der Pandemie aber deutlich auf 54 Prozent.

«Wird der minimale Kostendeckungsgrad auf einer Linie nicht erreicht, so sind Massnahmen festzulegen, damit der Kostendeckungsgrad wieder erreicht werden kann.

Luzia Frei, Mediensprecherin Verkehrsverbund Luzern

Weil ein Grossteil des VBL-Netzes nicht in die Kategorie des regionalen Personenverkehrs fällt, kommt hauptsächlich der Verkehrsverbund Luzern im Namen des Kantons für das resultierende Defizit auf. Der Bund beteiligt sich am Verlust des VBL-Netzes kaum. Gemäss Geschäftsbericht der VBL hat der Verkehrsverbund den Stadtluzerner ÖV 2021 mit einem Beitrag von 28,5 Millionen Franken finanziert.

Was sagt der Verkehrsverbund zu den Verlusten?

Das ist eine schöne Stange Geld. Klar, dass der Verkehrsverbund entsprechend versucht, Einfluss zu nehmen auf das Angebot der VBL. Verbundsprecherin Luzia Frei sagt hierzu auf Anfrage: «Der Verkehrsverbund überprüft den gesetzlich vorgeschriebenen minimalen Kostendeckungsgrad von jedem Transportunternehmen – und dies pro Linie.» Den minimalen Kostendeckungsgrad setzt der Luzerner Regierungsrat im ÖV-Gesetz fest. Zur Minimalforderung an die einzelnen Linien gibt der Verbund keine Auskunft.

Luzia Frei, Mediensprecherin Verkehrsverbund Luzern. (Bild: VVL)

Luzia Frei fährt fort: «Wird der minimale Kostendeckungsgrad auf einer Linie nicht erreicht, so sind Massnahmen festzulegen, welche vom Transportunternehmen umgesetzt werden müssen, damit der Kostendeckungsgrad wieder erreicht werden kann. Massnahmen können beispielsweise sein: Einsatz kleinerer Fahrzeuge, um kostengünstiger zu fahren oder die Anpassung eines Angebots.» Die Höhe der Abgeltungen seitens Verkehrsverbund wird dabei jährlich zwischen dem Verbund und den Transportunternehmen wie der VBL oder der Rottal Auto AG ausgehandelt.

Übrigens: Es gibt in der Zentralschweiz nur eine einzige Linie, die kostendeckend fährt. Errätst du, welche das ist? Gib deinen Tipp in den Kommentaren ab.

Hinweis

Bei den hier publizierten Zahlen zum Kostendeckungsgrad handelt es sich um Annahmen. Diese basieren auf den Offerten der Transportunternehmen. Weil diese einige Zeit im Voraus eingereicht werden, ist der Einfluss der Corona-Pandemie hier nicht berücksichtigt.

Verwendete Quellen
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6 Kommentare
  • Profilfoto von Zuger
    Zuger, 03.09.2022, 17:18 Uhr

    Es sollten mal die Ticketpreise überdenkt werden. Ich würde ja öffter den Bus nehmen. Sofern mal aber kein Abo hat sind die Preise so hoch dass es günstiger kommt mit dem Auto.

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  • Profilfoto von remo.gubler
    remo.gubler, 02.09.2022, 14:28 Uhr

    Es könnte auch mal gefragt werden, wieso die Gesellschaft überhaupt den ÖV oder privaten Verkehr (externe Kosten), somit den Verkehr allgemein, subventionieren muss. Auch Flat-Rates wie das GA oder Monatsabi sind irrwitzig. Totale Giesskanne, die zu einem Wettrüsten zwischen ÖV und PV führt, zu einem dauernden Wachstum und irren Fehlentwicklungen in der Siedlungspolitik. Es sollte auch hier das Verursacherprinzip gelten, wie bei der Sackgebühr. Sozialpolitik sollte dann über die Steuerpolitik erfolgen.

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    James' Meinung, 31.08.2022, 22:37 Uhr

    Endlich einmal ein ehrlicher Bericht, betreffend Auslastung der Buslinien. Man würde besser zu den Stosszeiten mehrere Busse aufbieten, als diese den ganzen Tag, auch während den Nebenzeiten, im 4-Minutentakt fahren lassen. Überall das gleiche Bild; Bus der vorne fährt und zeitweise bis zu 20 Autos, die dem Bus nachdümpeln. Anstatt das ein Auto in kürzester Zeit von A nach B navigiert und möglichst umweltschonend fährt (ja, Autofahren per se ist nicht umweltschonend), bringt man das ganze Konstrukt zum Erliegen. So macht weder Autofahren noch Busfahren spass. Man weiss, dass die VBL nach Haltestellen bezahlt werden…darum ist es auch einfach zu erklären, wieso mittlerweile jeder Block eine eigene Haltestelle hat…die einzige Linie, die wahrscheinlich Kostendecken ist, ist das Post 73! Irgendwie sieht der Bus von Luzern nach Adligenswil/Udligenswil immer gut befüllt aus.

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  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 31.08.2022, 16:14 Uhr

    Bei Linien mit sehr tiefem Kostendeckungsgrad, aber auch bei wenig gefragten Kursen zu Randzeiten könnte man ein Call-Bus-System ausprobieren: Kleinbusse fahren zu fixen Zeiten die Linie nur dann ab, wenn sie per App bestellt werden.

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  • Profilfoto von schaltjahr
    schaltjahr, 31.08.2022, 09:10 Uhr

    Trotz relativ guter Kostendeckung der Linie 1 in Luzern wird null und nichts dafür getan, die Atraktivität zu Verbessern und das eigentliche Ziel; die Kostendeckung zu Erreichen. Notorische Verspätungen und kein flexibles Streckenmanagement ( Vorzeitiges Wenden / Eisatzbusse nach Kriens / Schnellkurse ) werden in Betracht gezogen. Lieber fährt man 30 Minuten gar nicht und lässt dann 3 Busse im Minutentakt nach Obernau fahren.
    Ich hoffe sehr, dass der Verkehrsverbund seinen Plan wahrmacht und diese Line baldmöglichst neu Ausschreibt … VBL hat es nun lange genug Probiert …

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  • Profilfoto von Albus
    Albus, 31.08.2022, 07:25 Uhr

    Dennoch: auch halbleere Busse (ehrt zu Randzeiten) sparen der Gemeinschaft kosten, da die Leute die zu diesen Zeiten fahren eben kein Auto kaufen müssen (also auch zu Stosszeiten nicht zu dem Stau und Strassenbau beitragen, und auch weniger Emissionen verursachen, und auch die Treibstoffpreise weniger in die Höhe treiben).

    Aber mit solchen komplexen Nebenwirkungen und Gedanken können halt nur wenige umgehen…

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