Schweizer Bahn-Pionier drängt auf Tunnelsystem unter Luzern
Paul Stoppers Plan gelingt ohne Grossbaustelle im Zentrum der Stadt. (Bild: kok)
Paul Stopper ist ein legendärer Verkehrsplaner. Der heutige Zürcher Tiefbahnhof geht auf ihn zurück. Nun hat der Pensionär ein Tunnelsystem für Luzern entwickelt – den Durchgangsbahnhof hält er für eine Schnapsidee.
Den Kaffee trinkt er kurz und schwarz, die Brille liegt auf der Nasenspitze, aus seinem Rucksack zieht der 78-Jährige eine Schweizer Landkarte und erklärt mit den Fingern eines erfahrenen Verkehrsplaners, wo die Bahnlinien durchs Land führen – und wo neue Trassen dringend nötig wären.
Paul Stopper gilt als einer der Väter der Zürcher Durchmesserlinie, die 2014 fertiggestellt wurde. Der ETH-Absolvent hatte die Idee schon in den 1990er-Jahren entwickelt. Seit sechs Monaten beschäftigt sich der pensionierte Planer nun mit dem geplanten Luzerner Durchgangsbahnhof (DBL) – und hat ein ehrgeiziges Gegenprojekt entwickelt.
Der DBL ist ein 3,3-Milliarden-Franken teurer Tiefbahnhof mit zwei Tunneln und einer geschätzten Bauzeit von 11 bis 13 Jahren. Im Laufe der Planung wurden von Bund, den SBB und dem Kanton Luzern bereits zig verschiedene Varianten untersucht. Das heutige Projekt gilt als das Bestmögliche.
Mit der Botschaft 2026 wird das Parlament in Bern festlegen, ob der DBL ab Anfang der 2030er-Jahre gebaut werden kann. Kürzlich haben Kantonsrat und Regierung eine Standesinitiative zur schnellen Umsetzung des Projekts in grosser Einigkeit beschlossen (zentralplus berichtete).
Der DBL soll einen Viertelstundentakt nach Zürich ermöglichen, schnellere Verbindungen ins Tessin und die Engstelle am Gütsch entlasten, den zweigleisigen Abschnitt kurz vor dem Bahnhof Luzern. Stopper allerdings hält das Projekt nicht für die beste Variante. «Dass Luzern eine Verbesserung braucht, ist unbestritten. Das Geld liesse sich aber deutlich klüger einsetzen», findet er. Und weiss bereits, wie.
So plant Paul Stopper das Tunnelsystem rund um die Stadt Luzern
Seine Idee trägt den Namen «Eisenbahnkreuz Innerschweiz» und sieht einen Halbkreis an Fernverkehrsbahnhöfen in Emmenbrücke, Littau und Kriens vor, die durch Tunnel verbunden sind und zum Umsteigen dienen. «Die Grundidee ist, dass man vom Durchgangsbahnhof im Zentrum wegkommt», so Stopper.
In einer ersten Etappe soll eine unterirdische Bahnstrecke entstehen, vom Rotsee über die Agglomeration bis ins Zentrum. Im Vollausbau wird der neue Littauer Bahnhof zum Umsteigebahnhof für den Fernverkehr. Dort kreuzen sich die Linien aus Basel, Bern und Zürich. Auf der heutigen Bahnlinie beim Gütsch sollen dann vor allem S-Bahnen fahren und an neuen Haltestellen stoppen: beim Südpol, Kreuzstutz oder Paulusplatz.
Der dritte Ausbauschritt – das ist Stoppers eigentliches Ziel – beinhaltet dann eine neue Bahnstrecke Richtung Stans, die zwischen dem unterirdischen BahnhofKriens und der Haltestelle Südpol abzweigt. Dies wäre der Beginn einer Bahnverbindung bis ins Untertal und zum Gotthard-Basistunnel. Also eine neue Zufahrt zur Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat). Stopper forderte diese Verbindung bereits 2016 in einem Brief an den ehemaligen Luzerner Baudirektor Robert Küng (zentralplus berichtete).
Einst gab es die Idee einer Zugverbindung von Luzern nach Altdorf
Heute besteht die Neat vor allem aus drei Tunneln: dem Lötschberg-Basistunnel (seit 2007), dem Gotthard-Basistunnel (seit 2016) und dem Ceneri-Basistunnel (seit 2020). Sie sind das Rückgrat des transalpinen Zugverkehrs. Einst sei auch ein Seelisbergtunnel zur Diskussion gestanden, erzählt Stopper, der von 1974 bis 2002 im Zürcher Stadtplanungsamt den ÖV betreute.
Dieser Tunnel hätte eine Neat-Zufahrt via Luzern ermöglicht: Züge hätten von Basel oder Zürich durch einen Durchgangsbahnhof in Luzern nach Stans und weiter durch den Seelisbergtunnel nach Altdorf und zum Gotthard fahren können. Die Idee scheiterte, nur der Plan, einen Durchgangsbahnhof zu bauen, habe überlebt. Stopper findet: Ohne die einst geplante Südanbindung ergebe der DBL wenig Sinn.
Dass der DBL neue Direktverbindungen von Rothenburg nach Zug und Zürich ermöglicht, hält der Planer dagegen für ein «äusserst» bescheidenes Ziel: «Dafür 3,3 Milliarden Franken zu investieren, ist unverhältnismässig.»
Paul Stopper hofft daher, die Seelisberg-Variante erneut ins Gespräch zu bringen. Und schielt dabei auf den Sachplan Verkehr von 2022. Darin kündigt der Bund an, die Neat-Zufahrt auf der Schwyzer und der Urner Seite mit zwei neuen Tunneln ausbauen zu wollen. Könnte man dieses Geld nicht in einen Seelisbergtunnel stecken und somit eine neue Route links vom See erschliessen? Bisher hat der Bundesrat diese Variante stets entschieden abgelehnt.
Hinter dem Eisenbahnkreuz Innerschweiz steckt ein neuer Verein
Hinter dem Gegenvorschlag «Eisenbahnkreuz Innerschweiz» steht nicht Paul Stopper allein, sondern ein neu gegründeter Verein. Im Vorstand der IG Eisenbahnkreuz Innerschweiz sitzen neben Stopper auch Präsident Martin Simmen und Marcel Sigrist. Beide Männer sind als Querschläger in der Luzerner Mobilitätspolitik bekannt.
Der Luzerner Architekt Simmen war Vorstandsmitglied im ehemaligen Verein Bahndreieck Luzern Nord, der den DBL seit 2013 mit einem Gegenprojekt erfolglos bekämpfte. Marcel Sigrist ist der ehrgeizigste Verfechter der Luzerner Metro, einer Initiative, die 2020 an der Urne scheiterte. Ihr neuer Verein habe bereits 50 Interessenten und Mitglieder, sagt Stopper. Geeint durch die Kritik am DBL-Projekt.
Ihr «Eisenbahnkreuz Innerschweiz» hat der Verein genaustens durchgerechnet. Die Männer sind überzeugt, der Bau der ersten Etappe sei über eine Milliarde Franken günstiger als der Bau des DBL, biete aber quasi die gleichen Möglichkeiten plus Haltestellen in Littau und Kriens. Ausserdem wären die «anspruchsvolle» Untertunnelung der Seebucht und die jahrelange Baustelle im Stadtzentrum überflüssig, so Stopper.
Tunnelsystem soll günstiger sein als der Durchgangsbahnhof
Die Pläne treffen, so gigantomanisch sie wirken, wunde Punkte. Die grossen verkehrlichen Eingriffe am Bahnhof Luzern sorgen immer stärker für Kritik (zentralplus berichtete). Der Bund will Agglomerationen – wie Littau und Kriens – stärker an den Fernverkehr anschliessen (zentralplus berichtete). Zudem könnte es zur Etappierung kommen, also erstmals nur dem Bau des Dreilindentunnels plus Tiefbahnhof. Dann hätte Luzern für Jahre zwei Kopfbahnhöfe übereinander und nur die Option, mehr Züge nach Zürich fahren zu lassen (zentralplus berichtete).
Dennoch: Ihr Gegenprojekt kommt reichlich spät. Stopper sieht das anders: «Solang Beton nicht fliesst, kann man immer noch alles machen.» Beim Bundesamt für Verkehr (BAV) sei der Vereinsvorstand bereits vorstellig geworden und hofft, dass die Seelisberg-Variante geprüft wird. Am Mittwochvormittag veranstaltet der Verein ausserdem eine Pressekonferenz in Luzern. Gespräche mit dem Kanton sollen folgen. Wie der Bund hat auch Luzern eine Prüfung der Seelisberg-Variante bisher klar abgelehnt (zentralplus berichtete).
seit 2022 im Journalismus, davor Politikwissenschaftler, Weltenbummler und Steinbildhauer. Bei zentralplus vom Praktikanten, zum Volontär bis zum Ressortchef alles durchlaufen. Heute Co-Redaktionsleiter mit einem Hang zu guten Texten.
@Samuel Kneubühler
Vor über 15 Jahren war der Dammdurchbruch (Dammstrasse) mit Vorarbeiten für eine Haltestelle geplant und im städtischen Parlament gross diskutiert worden. Damals hiess es, der Zug könne nicht halten auf den Gleisen – und erst ein DBL ermögliche dies. Wir wurden vertröstet.
Nun sind die Details des DBL bekannt und er ermöglicht kaum neue Haltestellen, keine Feinverteilung und löst die unnötigen Umwegfahrten nicht ab. Die geplante Haltestelle kann bei der Dammstrasse nie realisiert werden, weil der Kapazitätsausbau die kleine Entlastung des DBL mehr als auffrisst. Der Neustadttunnel wird im Heimbach auf die Gleise zurückgeführt, was die Belastung sogar noch steigern wird. Auf Wunsch kann ich dir die genauen Zahlen für 2030 und 2050 anhand von Theophil Schreck aufführen.
David Roth und Michael Töngi sind einem Lösungsphantom erlegen, auch pro Bahn wurden wie ich hingehalten und vertröstet mit falschen Versprechungen. Die Realität sieht anders aus
Philipp Federer, 30.10.2024, 22:30 Uhr
Die Alternative zum DBL ermöglicht direkte Fahrten nach Emmen, Kriens und Littau. Diese Feinerschliessung entlastet den Bahnhof Luzern und ist kundenfreundlich. Sie bringt Direktfahrten und Zeitgewinn.
Im Gegensatz dazu wird der Bahnhof Luzern mit dem DBL zum Wasserkopf, der heute schon überbelastet ist. Er kennt keine Feinverteilung und Direktfahren und wird mit weniger Fläche und mehr Bahnkunden den Bahnhof verstopfen. Mit den Kapazitätserweiterungen werden nach 2030 50% mehr Personen sich im Bahnhof aufhalten oder umsteigen. Während 13 Jahren Bauzeit werden zusätzlich 3 von den 5 grossen zentralen Perrons (Gleis 8-13) für die Bauarbeiten gesperrt sein. Auf sehr kleiner Fläche müssen diese Passagiere Platz finden. Mit dem Zeithorizont sind es sogar das Doppelte von heute. Die Bushaltestellen sind rund um den Bahnhof verteilt, der Zugang zu den Schiffsstationen verläuft über den Bauplatz, der mit zahlreichen Lastwagen vieles blockieren wird. Selbst der Zugang zum Parking ist so mühsam, dass der Regierungsrat einen Tunnel von der Zentralstrasse her vorschlug. Das sind untaugliche Ideen für ein untaugliches Projekt. Die Alternative ist das Eisenbahnkreuz.
martin.vonrotz, 30.10.2024, 08:38 Uhr
Stopper fordert! Ich kann diese Personen welche denken dass Sie alleine die richtige Lösung wissen nicht mehr hören. Glücklicherweise lebe ich bei allen möglichen Lösungen mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mehr.
Samuel Kneubuehler, 30.10.2024, 10:15 Uhr
Ich stimme Ihnen zu – beim ersten Teil!
Denn die Ideen von Stoppen waren 1988 toll. Dass sie es heute nicht mehr sein müssen, beweist er immer wieder.
Ausserdem finde ich es von Z+ sehr schade, dass der Bericht eher einseitig ist und etwa andere Fachleute, wie ProBahn, der VCS, der Kanton, die Stadt oder die kantonale und städtische Verkehrskommission nicht angehört wurden. So wirkt es wie ein Projekt. Dabei ist es nur das: Eine sehr kleine Minderheit.
Klar ist nicht alles am DBL gut. Aber es ist das, was möglich ist und durch x-Variantenstudien überlebt hat. War bei der Durchmesserlinie in Zürich auch nicht anders: Damals plante die SBB einen breiteres Viadukt. Da lief die Bevölkerung sturm.
Und natürlich hoffe ich, dass der DBL wirklich 2045 eingeweiht werden kann. Dann können ihn einige noch erleben. Und schauen, dass es gut wird.