Die nächsten zwei Jahrzehnte bleibt der Bahnhof Emmenbrücke eine Provinzhaltestelle. (Bild: zvg)
Damit Emmer schneller nach Basel kommen, sollen Schnellzüge in Emmenbrücke halten. Doch der Wunsch der Gemeinde bleibt seit Jahren unerhört. Wie sich jetzt zeigt, passiert mindestens bis 2040 nichts.
Über 33‘000 Menschen leben in Emmen, die wachsende Gemeinde soll sich künftig gar als «Stadt» bezeichnen (zentralplus berichtete). Denn ein modernes Stadtzentrum wird zurzeit am Seetalplatz aus dem Boden gestampft. Das Herz von «Luzern Nord» ist ein mächtiges Verwaltungsgebäude für den Kanton: 1450 Menschen werden dort ab 2026 arbeiten (zentralplus berichtete).
Doch eines fehlt der Agglomerationsgemeinde: eine Anbindung an den nationalen Zugverkehr. Zurzeit halten an der Haltestelle Emmenbrücke neben dem Seetalplatz nur Regio-Züge und S-Bahnen. Intercity- und Interregio-Züge nach Basel und Olten fahren durch den Bahnhof, stoppen aber nicht.
SBB-Koryphäe findet: Emmen braucht einen Halt für Schnellzüge
Der ehemalige SBB-Chef Benedikt Weibel bedauert das. In der «Sonntagszeitung» kritisiert er den neuen Bundesbericht «Perspektive Bahn 2050 – räumliche Konkretisierung» als zu schwach, um Bewohner im Speckgürtel zum Zugfahren zu animieren. Der Bund will Pendeln unter 30 Kilometern fördern. Denn dort, am Rande der Städte, sieht er das grösste Verlagerungspotenzial vom Auto zur Bahn.
Weibel findet, der Bund müsse schneller handeln und nicht erst bis 2050 schnellere Verbindungen einführen. «Bedeutende Agglomerationsbahnhöfe lassen sich bereits kurzfristig in den Fernverkehr einbinden.» Eines seiner Beispiele: Mit einem Schnellzughalt in Emmenbrücke könnten auf einen Schlag Tausende Pendler eine echte Alternative zum Auto erhalten.
Gemeinde drängt auf Haltestelle für Schnellzüge in Emmenbrücke
Seine Idee grassiert in Luzern schon lange. Bereits im Jahr 2006, wenige Wochen nach Weibels Rücktritt als SBB-Chef, verlangte eine Gruppe Luzerner Kantonsräte per Motion einen Schnellzughalt in Emmenbrücke. Gänzlich unabhängig von Weibels Abtritt wollten die Politiker Pendlerinnen aus Emmen die Fahrt nach Bern und Basel erleichtern.
Im Jahr 2014, als das Leitbild «Luzern Nord» veröffentlicht wurde, schlug der damalige Emmer Baudirektor Josef Schmidli (Mitte) in die gleiche Kerbe. «Hier entsteht ein neuer ÖV-Knotenpunkt. Viele Pendler könnten in Emmenbrücke von Schnellzügen auf Busse umsteigen und sich den Umweg über Luzern sparen», zitierte ihn die SDA. Bis zum Jahr 2020 sollte Emmenbrücke eine Haltestelle für Fernzüge haben, schätzte Schmidli damals.
Doch bis heute ist das nicht passiert. Der Bahnhof wurde nicht ausgebaut. Und wird es auch nicht für mindestens die nächsten 15 Jahre, wie zentralplus herausgefunden hat.
Erst kommt der Durchgangsbahnhof Luzern
Auf Anfrage erläutert der Kanton Luzern die Hintergründe. «Ein Ausbau des Bahnhofs Emmenbrücke für den Fernverkehr ist nur in Kombination mit dem Durchgangsbahnhof Luzern (DBL) sinnvoll.» Das habe ein umfassendes Variantenstudium aus dem Jahr 2015 ergeben. Der heutige Bahnhof Emmenbrücke mit zu kurzen Perrons und zu wenigen Gleisen sei als Halt für Schnellzüge ungeeignet.
Bis der DBL gebaut wird, dauert es aber noch eine Weile. Der Tiefbahnhof soll voraussichtlich mit dem nächsten Ausbauschritt – der Botschaft 2026 – vom Bund so finanziert werden, dass er spätestens im Jahr 2040 fertig ist. Weil Zentralschweizer Politiker allerdings eine Etappierung des Jahrhundertprojektes fürchten, planen mehrere Kantone – auch Luzern – eine Standesinitiative. Ausgang: ungewiss (zentralplus berichtete).
Das sorgt in der Gemeinde Emmen für schlechte Stimmung. Die Gemeinde «bedauert», dass der Ausbau der Gleise bei Emmenbrücke «derzeit blockiert» sei, schreibt ein Sprecher. Ebenfalls blockiert sei die vom Gemeinderat geforderte SBB-Unterführung am Seetalplatz. Dass beide Realisierungen am DBL hängen würden, sei für Emmen problematisch. «Diese Abhängigkeiten und deren Auswirkungen spürt die ganze Region.»
Experte lehnt Halt für Schnellzüge in Emmenbrücke derzeit ab
Denn wer von Emmen aus Langstrecken fahren will, muss fast immer zuerst zum Bahnhof Luzern – ein Umweg von mindestens 15 Minuten. Der Verkehrsplaner Philipp Morf, der mit seiner Luzerner Verkehrsplanungsfirma bereits für die SBB Angebotskonzepte erstellt hat, hält den Umweg trotzdem für vertretbar. Der Luzerner sorgte kürzlich für Schlagzeilen, als er mit Benedikt Weibel für eine effizientere Nutzung des Schienennetzes warb (zentralplus berichtete).
Zum Schnellzughalt Emmenbrücke sagt der erfahrene Verkehrsplaner Morf nun: «Die Frage ist: Ist man bereit, die Verbindung nach Luzern zu verlangsamen, damit Emmenbrücke bedient wird?» Ein Intercity von Basel nach Luzern käme nach seinen Schätzungen drei Minuten später an, wenn er in Emmenbrücke halten würde. Ausserdem könnten weniger Züge auf der Strecke verkehren. Eine solche «Verlangsamung» lehne er daher ab.
Auch der Kanton erläutert, dass der «eingespannte Fahrplan» zwischen Bern, Basel, Olten und Luzern den Wunsch des Emmer Gemeinderats derzeit «verunmögliche». Nach dem Bau des DBL wolle sich der Kanton aber dafür einsetzen, dass Interregio-Züge in Emmenbrücke halten. Dann könnten Schnellzüge direkt von Emmenbrücke via Luzern und weiter nach Ebikon-Rotkreuz-Zug-Zürich verkehren. Wovon wiederum das Seetal, Rain-Beromünster, Sursee, Neuenkirch, Ruswil-Ettiswil und Littau profitieren sollen.
Für die kantonalen Mitarbeitenden am Seetalplatz, die ab 2026 zur Arbeit müssen, ist das jedoch zu spät. Wie sie zum Seetalplatz kommen? Der Kanton sagt: Emmenbrücke sei schon heute «sehr gut» mit dem ÖV erschlossen.
seit 2022 im Journalismus, davor Politikwissenschaftler, Weltenbummler und Steinbildhauer. Bei zentralplus vom Praktikanten, zum Volontär bis zum Ressortchef alles durchlaufen. Heute Co-Redaktionsleiter mit einem Hang zu guten Texten.