10 Minuten parkieren für 100 Franken? Ungläubig staunt der chinesische Reiseführer auf dem Löwenplatz über die neue Information. Davon wusste er nichts.
Die Stadt Luzern will mit der schweizweit ersten Haltegebühr für Cars auf die jahrzehntelange Debatte über die Menge an Reisebussen auf den Plätzen der Innenstadt reagieren. Was in der Stadt gut ankommt, ist nicht für alle ein Grund zur Freude.
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wie die neue Regelung kontrolliert wird
was ein Reiseführer davon hält
wie die Industrie der Gebühr ausweichen kann
Seit dem 1. April sind Reisebusunternehmen zu einer Anmeldung und einer 100-Franken-Gebühr verpflichtet, wenn sie auf dem Schwanenplatz, Löwenplatz und Kasernenplatz anhalten. Wer keine Buchung hat, muss dies am Inseliquai nachholen. Zusätzliches Personal und die Polizei sollen die Einhaltung kontrollieren (zentralplus berichtete).
Der chinesische Reiseführer Han, der aus Angst vor behördlichen Konsequenzen seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen will, hat von der neuen Regelung am Tag vor der Einführung noch nichts gehört.
100 Franken Gebühr fürs Anhalten – das scheint einmalig
Dabei arbeitet er für einen grossen chinesischen Reiseanbieter mit Zweigniederlassungen in verschiedenen chinesischen Städten. Die Firma organisiert Bustouren durch Europa, vor allem aber durch Frankreich, Italien und die Schweiz. Alle zwei bis drei Monate komme Han mit einer Gruppe von 15 bis 20 chinesischen Touristen in Luzern vorbei, erzählt der Reiseführer in gebrochenem Deutsch.
Die neue Haltegebühr hält er für völlig überrissen. «100 Franken, nur um anzuhalten? Das ist doch kein Preis. Das ist ein Wahnsinn. Das ist wie Mafia.»
In ganz Europa habe er so etwas noch nicht gesehen. «15 Minuten parkieren für 20 Franken. Das wäre ein normaler Preis», sagt der Chinese, während seine Gruppe auf die Toilette geht, bevor sie zum Löwendenkmal läuft. Mehr Zeit brauche er ohnehin nicht. Sein Bus halte selten länger als eine Viertelstunde auf dem Löwenplatz.
Anbieter von Carreisen könnten reagieren
Ob sein Unternehmen den Löwenplatz in Zukunft überhaupt noch ansteuern wird, scheint nun ungewiss. Denn Han sagt, seine Firma könnte auf die Gebühr reagieren. «Vielleicht sagen wir zu unserer Agentur, dass wir in Zukunft das Löwendenkmal nicht mehr anschauen.»
Oder aber man lasse die Gäste am Bahnhof gratis aussteigen und bis zum Denkmal laufen. Oder aber man verzichte ganz auf den Bus und nutze den Zug, um nach Luzern zu fahren. All diese Varianten nennt Han. Welche davon eintreffen wird, muss die Zeit zeigen.
Dass irgendetwas geschieht, scheint wahrscheinlich. Denn die neue Gebühr bereitet auch den betroffenen Unternehmen Sorge. Im Dezember kritisierten sie, dass sie die Mehrkosten nicht auf ihre Auftraggeber überwälzen könnten. Denn die Verträge inklusive Preise seien bereits unterschrieben (zentralplus berichtete).
Haltegebühr ist nur ein erster Schritt
Falls sich langfristig mehr Reiseanbieter gegen Cars und für den Transport der Gäste mit dem Zug entscheiden, hat die Stadt mit der neuen Gebühr ihr Ziel erreicht.
Denn die Anzahl an Reisebussen, die auf dem Schwanenplatz, Kasernenplatz, Löwenplatz und auch auf dem Inseli täglich halten, sorgen in der Stadt seit Jahrzehnten für Aufruhr und Ärger. 2024 sei der Schwanenplatz an Spitzentagen von bis zu 200 Reisebussen angefahren worden, teilte die Stadt Luzern kürzlich mit.
Ganzheitliche Lösungen wie ein zentrales Parkhaus ausserhalb der Stadt mit einer effizienten Anbindung an die Altstadt sind gescheitert. Die Stadt verfolgt daher nun den Kurs, die touristischen Ströme mit sanften Massnahmen und Gebühren zu lenken und über die Stadt zu verteilen (zentralplus berichtete).
Auswertung soll Klarheit bringen
Eine erste Auswertung des Stadtrats zur Umsetzung der neuen Haltegebühren ist im Herbst 2025 geplant. Die Gebühr ist dabei nur ein erster Schritt. Später möchte die Stadt auch ein «Slot-Management» einführen, um die Anzahl der Reisebusse innerhalb eines Zeitfensters zu beschränken.
Aktuell gibt es: 28 Carparkplätze beim Rösslimatt in Kriens und 13 in Brüelmoos, am Kasernenplatz (5), Löwenplatz (8 bis 11), Schwanenplatz (3), Inseliquai (2), Landenberg (4). Und bei der Kante Z auf dem Bahnhofplatz liegen Halteplätze. Das zeigt: Für viele der Halteplätze in der Stadt Luzern gilt die neue 100-Franken-Gebühr nicht. Noch nicht?
seit 2022 im Journalismus, davor Politikwissenschaftler, Weltenbummler und Steinbildhauer. Bei zentralplus vom Praktikanten, zum Volontär bis zum Ressortchef alles durchlaufen. Heute Co-Redaktionsleiter mit einem Hang zu guten Texten.
Top: Weniger Cars = weniger Touristen, also Konsumenten, damit auch weniger Arbeitsplätze, weil Luzern vom Fremdenverkehr lebt. Diese Arbeitsnehmerinnen/nehmer werden es der Stadt danken, die Arbeitslosenkasse wird sich auch freuen.
Manuel, 01.04.2025, 15:21 Uhr
Auf diese wenigen Arbeitsplätze in der Uhren- und Schmuckindustrie kann man getrost verzichten. Und wenn dann die grossen Ketten, die mittlerweile in praktisch jeder Stadt denselben Einheitsbrei anbieten, aufgrund sinkender Umsatzzahlen wieder dichtmachen, wäre dies sogar zu begrüssen.
Dann gäbe es evt. (träumen soll erlaubt sein) endlich wieder lokale Geschäfte in der Altstadt. Die können sich die Mieten ja schon lange nicht mehr leisten.
Kommentarschreiber, 01.04.2025, 08:16 Uhr
Hat sich besagter chinesischer Reiseführer Han in seiner Muttersprache oder auf Englisch über den Parkplatzwucher beschwert? Aber immerhin bringt er gute und prüfenswerte Alternativen wie mit dem Zug oder zu Fuss, um Gebühren zu vermeiden.
Jaja, wenn doch nur nicht 1. April wäre …
Samuel Kneubuehler, 02.04.2025, 09:19 Uhr
Das Reglement trat gestern in Kraft und wurde letztes Jahr vom Parlament verabschiedet. Es gab kein Referendum.