Luzerns Mobilitätsdirektor: «Bis 2030 warten wir nicht ab»
Das Klimaquartier entsteht unter der Führung von Stadtrat Marco Baumann. (Bild: ewi)
Der Umwelt- und Mobilitätsdirektor der Stadt Luzern erklärt im Interview, warum genau das Bruchquartier zum Klimaquartier werden soll. Und was sonst noch geplant ist.
Per Initiative verlangen die Jungen Grünen vier zentrale Quartiere in der Stadt möglichst schnell und umfassend von Autos zu befreien und zu begrünen. Der Stadtrat hält davon wenig – nur im Bruchquartier kann er sich mit umfassender Vorausplanung etwas Ähnliches vorstellen (zentralplus berichtete).
Warum genau dort – und wo sonst wird dem Auto der Kampf angesagt, fragt zentralplus Luzerns Umwelt- und Mobilitätsdirektor Marco Baumann (FDP).
zentralplus: Die Ziele der Jungen Grünen teilt der Stadtrat – aber sie sind zu radikal: Verstehe ich das richtig?
Marco Baumann: Ja, die Forderungen gehen zu weit. Sie wären in verschiedenen Punkten nicht umsetzbar und verhindern, dass Synergien mit anderen Projekten genutzt werden können.
zentralplus: Warum genau soll das Bruchquartier zum Muster-Klimaquartier werden?
Baumann: Zum einen ist eine Motion hängig, mit der die SP-Fraktion fordert, das Bruchquartier nachhaltig vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Auch dem Stadtrat ist es ein Anliegen, mit Sofortmassnahmen schnell eine Wirkung zur Reduktion des Durchgangsverkehrs im Quartier zu erzielen.
zentralplus: Und zweitens?
Baumann: Der zweite Punkt ist der Seeenergieausbau. Nach aktuellem Planungsstand sind die ersten Umsetzungsarbeiten etwa im Jahr 2030 im Bruchquartier zu erwarten. Deshalb wollen wir die Umsetzung zum Klimaquartier mit dem geplanten Leitungsbau koordinieren.
zentralplus: Klimaquartiere sind bekannt. 2023 wollte die Stadt im Kleinmattquartier Erfahrungen damit sammeln. Doch das Projekt war im Verzug (zentralplus berichtete). Nun teilt der Stadtrat mit, seit Herbst 2024 laufe dort ein Dialogverfahren. Gab es Schwierigkeiten?
Baumann: Für die Gebietsentwicklung Kleinmatt-/Bireggstrasse (Areal Neubad und Feuerwehr) wurde im Herbst 2024 ein Dialogverfahren gestartet. Dabei wird erarbeitet, wie genau das Gebiet als Ganzes dereinst aussehen soll. Parallel dazu werden die verkehrlichen Massnahmen entwickelt und die Strassenraumgestaltung geplant. Es gab also keine Schwierigkeiten, jedoch wurde mittlerweile auf eine separate Klimaquartier-Planung verzichtet. Als kritisch betrachten wir eine allfällige Umsetzung der Initiative in diesem Quartier.
zentralplus: Wie meinen Sie das?
Baumann: Wenn man das Kleinmattquartier jetzt begrünt und vollständig von Autos befreit, würde man den Ergebnissen des Dialogverfahrens vorgreifen. Stattdessen wollen wir bauliche Aufwertungsmassnahmen mit dem Ausbau der Seeenergie abstimmen und abwarten, bis die Feuerwehr ihren neuen Hauptstützpunkt auf dem EWL-Areal beziehen kann.
zentralplus: Die Überbauung auf dem EWL-Areal wird frühstens 2032 fertig (zentralplus berichtete). Bis dahin tut sich im Kleinmattquartier nichts?
Baumann: Unser Plan schliesst nicht aus, dass wir vorher verkehrliche Sofortmassnahmen ergreifen.
zentralplus: Verstehe ich Sie richtig: Bisher sollte Kleinmatt Luzerns erstes Klimaquartier werden. Nun schiebt die Stadt die Umsetzung nach hinten und das Bruchquartier soll zum Modellquartier werden?
Baumann: Das haben wir abgetauscht, um Synergien mit den weiteren Projekten in diesen beiden Quartieren nutzen zu können, das ist richtig. Wir reagieren damit auf die Energieplanung der Stadt Luzern. Die Pläne, wann welche Quartiere erschlossen werden können, liegen erst seit kurzem vor.
zentralplus: Ebenfalls als Klimaquartier wurde Hirschmatt gehandelt. Doch nun schreibt der Stadtrat, das Quartier sei für das Verkehrskonzept rund um den Durchgangsbahnhof Luzern (DBL) wichtig. Bis 2027 will die Stadt mit dem Kanton einen Masterplan dazu vorlegen. Für Hirschmatt ändert sich also vorerst ebenfalls nichts?
Baumann: Die Arbeiten zum Masterplan «Umfeld Bahnhof Luzern» werden bis 2026 aufzeigen, wie dieser Raum verkehrlich und stadträumlich weiterentwickelt werden soll. Dies betrifft auch den östlichen Teil des Hirschmattquartiers. Vor diesem Hintergrund machen umfassende Planungsarbeiten für das Hirschmattquartier zum aktuellen Zeitpunkt wenig Sinn. Selbstverständlich sind auch dort Sofortmassnahmen denkbar, wie wir sie beispielsweise demnächst mit einem temporären Test an der Winkelriedstrasse prüfen.
zentralplus: Das erste Klimaquartier soll ab 2030 gebaut werden. Und erst danach will die Stadt weitere Quartiere umbauen. Ist das nicht reichlich spät für die ambitionierten Klima-, Energie- und Mobilitätsziele der Stadt?
Baumann: Spät ist vielleicht, dass wir noch keine Planungsgrundlagen für das Bruchquartier haben. Doch bis 2030 warten wir nicht ab. Schon ab nächstem Jahr wollen wir im Dialog mit der Bevölkerung die Grundlagen erarbeiten. Ausserdem werden wir Sofortmassnahmen ergreifen wie Fahrverbote und den Abbau von Parkplätzen.
zentralplus: Wann kommt das nächste Klimaquartier?
Baumann: Die Erkenntnisse werden laufend in die Planung und Umsetzung weiterer Klimaquartiere einfliessen. Man muss bedenken, dass für die Planung und Projektierung der Oberflächen in ganzen Quartieren inklusive Bewilligungsverfahren mit drei bis fünf Jahren gerechnet werden muss. Wenn wir jetzt loslegen können, erfolgt der Umbau gemeinsam mit den Leitungsbauten im Bruchquartier.
Hinweis: Das Interview wurde erst telefonisch geführt und anschliessend schriftlich in grösseren Teilen geändert.
seit 2022 im Journalismus, davor Politikwissenschaftler, Weltenbummler und Steinbildhauer. Bei zentralplus vom Praktikanten, zum Volontär bis zum Ressortchef alles durchlaufen. Heute Co-Redaktionsleiter mit einem Hang zu guten Texten.