Für Martin Abele vom Verband Fussverkehr führen Appelle «ins Leere». (Bild: Stadt Luzern / zvg)
E-Bikes und Fussgänger kommen sich in die Quere. Die Stadt Luzern setzt auf freiwillige Rücksicht und eine Plakatkampagne. Der örtlichen Fussgängerlobby genügt das nicht.
Luzern ist eine Stadt der Fussgänger. Sei es aufgrund ihrer kurzen Wege oder weil es hier besonders fitte Bewohner gibt. Tatsache ist: Bei der letzten nationalen Erhebung «Städtevergleich Mobilität» aus dem Jahr 2021 gab jede zweite Luzernerin an, hauptsächlich zu Fuss unterwegs zu sein (zentralplus berichtete).
Auch eine Lobby haben Fussgänger. Seit über 50 Jahren setzt sich der Verband Fussverkehr Schweiz für ihre Interessen ein. Mehr Raum, bessere Wege, sicheres Vorwärtskommen. Ihre Regionalgruppe in Luzern hat sich dieses Jahr sogar neu aufgestellt, mit einem vierköpfigen Vorstand (zentralplus berichtete). Und dieser ist insbesondere mit dem städtischen Kurs zu E-Bikes nicht zufrieden.
Vom «höchsten Zürcher» zum Kämpfer für Fussverkehr in Luzern
Der ehemalige Präsident der Stadtluzerner Grünen, Martin Abele, ist einer von ihnen. Vor seinem Sitz im Luzerner Grossstadtrat präsidierte er bereits den Zürcher Gemeinderat in den Jahren 2013/14. Dieses Jahr hat der Wahlluzerner seine lange politische Karriere beendet.
Nun läuft der Beinahe-zwei-Meter-Mann mit langen Schritten durch Luzern und entdeckt Gefahrenstellen. Er ist nicht der Einzige. Sein ehemaliger Kollege im Stadtparlament, Jules Gut (GLP), schrieb diesen Sommer in einem Postulat, die Sentimattstrasse im Bruchquartier sei für Fussgänger «fast schon lebensgefährlich». Grund dafür seien schnelle E-Bikes. Er urteilte: «Die Zeit der kombinierten Fuss- und Velowege ist vorbei» (zentralplus berichtete).
E-Bike-Gefahr in Luzern: Unfälle sind gefährlicher und nehmen zu
Schnelle E-Bikes oder auch S-Pedelecs unterstützen bis zu 45 Kilometer pro Stunde. Studien haben gezeigt, dass Unfälle mit solchen Velos häufiger mit schweren Verletzungen enden. Trotzdem dürfen die Fahrerinnen auf Velowegen oder in Mischzonen fahren – was zu Konflikten mit Fussgängern führt. Gleichzeitig häufen sich Unfälle.
Seit 2011 nehmen E-Bike-Unfälle im Kanton Luzern kontinuierlich zu. Im letzten Jahr ging die Anzahl zwar zurück, es ist aber ungewiss, ob das so bleibt (zentralplus berichtete). Zugegeben: Die Verbreitung von E-Bikes hat im letzten Jahrzehnt kräftig zugelegt. Besonders S-Pedelecs erfreuen sich steigender Beliebtheit (zentralplus berichtete).
Stadt reagiert mit Plakaten – Verband fordert Regeln
Die Stadt hat daher diesen Sommer zum wiederholten Mal die Kampagne «Rücksicht» gestartet. Mit Plakaten, Fahnen und farbigen Bodenmarkierungen werden Velofahrer daran erinnert, rücksichtsvoll und entspannt zu fahren. Die erste Kampagne dieser Art führte die Stadt vor zehn Jahren durch.
Martin Abele hält das für eine Sackgasse. «Der Vorstand von Fussverkehr Luzern ist der Meinung, dass die Bemühungen der Stadt, dem Problem mit Aufrufen zur Rücksichtnahme zu begegnen, ins Leere führen.» Er nennt drei «Konfliktpunkte» in der Stadt Luzern, wo die Schilder augenscheinlich nicht helfen.
Gefahrenstelle 1: der Xylophonweg
Der Xylophonweg entlang der Reuss ist die Hauptverbindung vom Seetalplatz in Emmen in die Altstadt Luzern. Dort teilen sich Fussgängerinnen und Velofahrer einen schmalen Streifen Beton, nur ein weisser Strich am Boden trennt sie. Eine Verbreiterung des Wegs ist der Stadt zu teuer.
Martin Abele schreibt, die schnellen E-Bikes sollte die Stadt auf die Hauptstrasse K13 «verweisen». Die Kantonstrasse verläuft parallel auf der anderen Seite der Bahngleise und ist frisch saniert. Die Stadt aber setzt auf Freiwilligkeit. Auf den Warnschildern bittet sie Velofahrerinnen freundlich, die Hauptstrasse zu nutzen.
Gefahrenstelle 2: die Bahnhofstrasse
Der zweite grosse Konfliktpunkt ist gemäss Verband Fussverkehr die Bahnhofstrasse zwischen Burgerstrasse und Jesuitenplatz. Hier sei eine Lösung eher schwierig, da es sich um eine offizielle Veloroute handle, diagnostiziert Martin Abele. Auch die Stadt ringt um Lösungen – und hat im Sommer ebenfalls «Rücksicht»-Plakate aufgestellt.
Eine bessere Lösung muss her. Denn unweit entfernt soll 2030 das neue Luzerner Theater eröffnen. Der grosse Saal erhält Tore direkt auf die Bahnhofstrasse. Damit Theaterbesucher nicht auf E-Bikes treffen, versprach Stadtpräsident Beat Züsli kürzlich: «Wir suchen mit dem Kanton andere Wege für den Veloverkehr» (zentralplus berichtete).
Gefahrenstelle 3: die Taubenhausstrasse
Die dritte Gefahrenstelle ist gemäss Fussgängerlobby die Kreuzung Taubenhausstrasse zur Sälistrasse. Die Taubenhausstrasse ist die Velostrecke von Eichhof ins Bruchquartier und wird zu Stosszeiten rege genutzt. Über 2000 Velos fahren darauf pro Tag. Tendenz: steigend (zentralplus berichtete).
Kommen die Fahrer mit Schwung aus Richtung Paulusplatz, kann es an der Kreuzung zur Sälistrasse schon mal gefährlich werden. Wegen der Kurve sind schnelle Velofahrerinnen schwer sichtbar. Für Martin Abele ist klar: Die Stadt muss handeln. «Bauliche Massnahme zur Verlangsamung der Velos in diesem Abschnitt wären eine Lösung.»
Stadt Luzern weitet Kampagne aus
Ob die Stadt an einer dieser drei Gefahrenstellen bauliche Massnahmen umsetzt oder klare Regeln einführt, steht in den Sternen. Frühere Versuche, wie ein Tempolimit für Velos auf dem Xylophonweg, sind gescheitert.
Die neue Freiwilligkeitskampagne der Stadt findet allerdings vielerorts statt. Neben Xylophonweg und Kleinstadt wurden auch Bemalungen, Plakate und Fahnen am Sentiweg, Löwenplatz, an der Hertensteinstrasse und am Freigleis angebracht. Die Stadt ist sich sicher, das Problem so in den Griff zu kriegen. Martin Abele zweifelt daran.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.
die Feststellungen von Martin Abele bedürfen der Ergänzung: Pfistergasse, Rütligasse,
Reussbrücke, Kramgasse, Löwengraben, Grabenstrasse, Hertensteinstrasse, Schwanenplatz und oft auch Trottoirs vor Gübelin, auf der Seebrücke sind für Fussgänger
auch von unmotorisierten Velofahrenden immer schwieriger. Rücksichtslosigkeit ist weder
geschlechts- noch altersbedingt viel häufiger: alles überall, subito und immer scheint für das Verhalten im Alltag langsam die Regel zu werden…Verbote aller Art und nette Hinweise bewirken fast nichts. Wenn man Velofahrende auf dem Trottoir anspricht, riskiert man
beschimpft oder gar körperlich bedrängt zu werden.Als selbst seit langer Zeit mit Velo, ÖV oder als Fussgänger unterwegs, sieht man täglich heikle und brandgefährliche Situationen.
Die Polizei ist offensichtlich mit der Situation auch überfordert.