«Wiedergutmachung historischer Schandtat»

Wegen Bypass: Jetzt fordert auch Emmen ein Dach über der A2

Christian Meister, Präsident der Mitte Emmen, hat genug von der Trennwirkung der Autobahn in seiner Gemeinde. (Bild: Kanton Luzern)

Nach der Stadt Kriens fordert nun auch der Einwohnerrat Emmen ein Dach über der Autobahn. Es soll eine Kompensation sein, für die massiven Nachteile, die der Bypass der Gemeinde bringt.

Medienwirksam kämpft die Stadt Kriens seit Monaten für eine Überdachung des Bypasses zwischen Sonnenbergtunnel und Schlund. Die Ausdauer der Krienser zeigte zuletzt Wirkung: Im Dezember unterzeichnete die Stadt Kriens, der Kanton Luzern sowie das Bundesamt für Strassen (Astra) eine gemeinsame Absichtserklärung. In einer separaten Testplanung wird nun geprüft, ob und wie der Krienser Wunsch realisierbar ist (zentralplus berichtete).

Nun scheint das Krienser Beispiel Schule zu machen. In einem Vorstoss fordert die Mitte Emmen, dass sich auch der Gemeinderat Emmen für eine überdachte Autobahn einsetzt. Sämtliche Parteien im Einwohnerrat Emmen haben den Vorstoss mitunterzeichnet.

Rund zwei Kilometer langer Abschnitt

So hat die Partei ein Postulat beim Gemeinderat eingereicht, in dem es heisst: «Die Gemeinde Emmen fordert und unterzeichnet analog der Stadt Kriens [...] eine Absichtserklärung. Ziel dieser Absichtserklärung und der damit verbundenen Testplanung: Die teilende Wirkung der Autobahn A2 durch die Gemeinde Emmen wird stark reduziert und siedlungsverträglicher gestaltet. Dazu wird ein namhafter Teil überdacht.»

Konkret geht es um den Autobahnabschnitt zwischen dem Riffig-Wald und der Brücke über die Rüeggisingerstrasse. Dabei handelt es sich um einen knapp zwei Kilometer langen Abschnitt. Die Mitte schlägt vor, auf dem Dach einen Veloweg zu realisieren und Solaranlagen zu installieren. Auch eine Wildtierbrücke im Gebiet Riffig-Wald kann sich die Partei vorstellen.

Auf diesem rund zwei Kilometer langen Autobahnabschnitt zwischen Riffig-Wald (links) und der Brücke über die Rüeggisingerstrasse (rechts) soll die A2 überdacht werden. (Bild: Google Maps)

Ausgleich zu Folgen des Bypasses

Natürlich kommt die Mitte nicht einfach aus dem Nichts mit dieser doch eher happigen Forderung. Sie ist im Kontext des Bypass-Projekts zu sehen. Wie Kriens und Luzern hat nämlich auch die Gemeinde Emmen eine Einsprache gegen den Bypass eingereicht (zentralplus berichtete). Zwar ist Emmen durch das Projekt an sich weniger stark betroffen wie Kriens und Luzern. Doch der Gemeinderat rechnet mit einer starken Belastung der Gemeindestrassen während der Bauphasen.

Der «Ausbau Nord» (gelb markiert) ist eines von vier Teilprojekten des Gesamtprojekts Bypass Luzern und umfasst die Erweiterung der Autobahn zwischen der Verzweigung Rotsee und dem Anschluss Buchrain von vier auf sechs Spuren inkl. 3. Röhre Tunnel Rathausen. (Bild: zvg)

«Während der zehnjährigen Bauzeit sind unseres Erachtens die Massnahmen zum Vermeiden des Umgehungsverkehrs unzureichend. Die Gefahr, dass das lokale Verkehrsnetz kollabiert, ist zu gross», sagt der Emmer Baudirektor Josef Schmidli (Mitte) auf Anfrage. Deshalb setzt sich der Gemeinderat im Rahmen der Einsprache beim Bund für flankierende Massnahmen und verträgliche Bauarbeiten ein.

«Das Projekt Bypass umfasst einen Perimeter. Die mögliche Überdachung der Autobahn befindet sich ausserhalb davon. Daher war eine solche Forderung bisher kein Thema.»

Josef Schmidli, Baudirektor Emmen

Das war im Juli 2020. Seither ist in Emmen diesbezüglich nichts mehr passiert. Schmidli erklärt, dass die Einspracheverhandlungen im Laufe dieses Jahres aufgenommen werden. Für die Mitte Emmen ist dieses Prozedere zu langsam. «Die Verhandlungen mit dem Astra ziehen sich schon lange hin. Offenbar kommt man da auf keinen grünen Zweig, sonst wäre die Einsprache längst erledigt», kritisiert Christian Meister, Präsident der Mitte Emmen.

Ist die Forderung überhaupt zulässig?

Darum sei es jetzt an der Zeit, vehement für die Forderungen Emmens einzustehen. «Das Beispiel Kriens hat gezeigt: Wir müssen mehr Lärm für unsere Forderungen machen», hält Meister fest. Was er mit «Lärm» meint, zeigt sich nun am Postulat seiner Partei. Denn eine Überdachung der Autobahn war im Gegensatz zur Krienser Einsprache in Emmen bislang kein Thema. «Das Projekt Bypass umfasst einen klar definierten Perimeter. Die mögliche Überdachung der Autobahn in Emmen befindet sich ausserhalb dieses Perimeters. Daher war eine solche Forderung bisher kein Thema», erläutert Baudirektor Schmidli.

Die Mitte sieht darin jedoch kein Problem. Unabhängig des Perimeters fordert sie Ausgleichsmassnahmen vom Astra, für die Belastung, die während der Bauzeit des Bypasses in Emmen anfallen. Dabei sieht die Partei die Chance auf die Wiedergutmachung einer «historischen Schandtat», wie es im Text des Postulats heisst. Denn mit der Eröffnung der A2 vor rund 50 Jahren sei das historische Ortsbild Emmens in zwei Teile geteilt worden.

«Wenn Kriens eine Testplanung erhält, dann wollen wir das auch. Wir haben auch einen Anspruch darauf, dass sich was ändert.»

Christian Meister, Präsident die Mitte Emmen

So ist im Postulat von Zeitzeugen zu lesen, die berichten, wie die Autobahn damals einfach durch Wohnsiedlungen gebaut wurde und Wohnhäuser abgerissen wurden. Und nun sieht die Mitte Emmen im Rahmen des Bypass-Projekts den Zeitpunkt gekommen, die heute getrennten Quartiere südlich und nördlich der Autobahn wieder zu verbinden.

Doch à propos Zeitpunkt: Dieser dürfte nicht ganz zufällig sein. So bestätigt Mitte-Präsident Christian Meister: «Wenn Kriens eine Testplanung erhält, dann wollen wir das auch. Wir haben auch einen Anspruch darauf, dass sich was ändert.»

Astra vor heikler Entscheidung

Da sämtliche Parteien im Einwohnerrat das Anliegen der Mitte stützen, wird der Einwohnerrat das Postulat überweisen. Demnach muss der Emmer Gemeinderat die neue Forderung mit ins Gepäck zu den Einspracheverhandlungen mit dem Astra nehmen. Ob das Astra dann überhaupt auf die Forderung eingeht, ist wegen der erwähnten Perimeter-Problematik fraglich.

So oder so steht das Bundesamt für Strassen vor einer delikaten Frage. Kommt es nach dem Krienser auch noch dem Emmer Wunsch nach einem Dach über der Autobahn entgegen, schafft es definitiv einen Präzedenzfall. Künftige Autobahn-Projekte dürften in den Gemeinden dann zunehmend einen schweren Stand haben. Kommt das Astra der Emmer Forderung jedoch nicht entgegen, stellt sich durchaus die Frage der Gleichberechtigung. Kurz: Astra-Direktor Jürg Röthlisberger steht vor heiklen Entscheidungen.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 08.03.2022, 08:40 Uhr

    Macht daraus einen Veloweg, dann wird die Überdachung obsolet.

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    • Profilfoto von Philipp
      Philipp, 08.03.2022, 12:37 Uhr

      Wieder jemand der glaubt die Welt besteht nur aus einer Fläche 10 km ausserhalb seiner eignen Wohnungstür. Lebensmittel wachsen auch alle gleich bei der Haustüre und alle anderen Sachen wie Fernseher, Kühlschränke, Waschmaschinen werden auch gleich um die Ecke produziert.
      Wie kann man nur so kurzsichtig denken.
      Und wie soll man beruflich mit Waren zbsp. nach Basel, Bern, Genf, Lausanne kommen?
      Mit dem Fahrrad oder zu Fuss? Bevor man so Kommentare verfasst sollte man vielleicht mal nachdenken.

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      • Profilfoto von Kommentarschreiber
        Kommentarschreiber, 08.03.2022, 16:22 Uhr

        @Philipp
        Um Kühlschränke, Waschmaschinen, Lebensmittel etc. zu transportieren, braucht es keine Erweiterung von 4 auf 6 Spuren, keinen Ausbau Nord und keinen Bypass. Dieser Ausbau ist vor allem dem motorisierten Individualverkehrsfetischismus geschuldet.

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      • Profilfoto von Philipp
        Philipp, 08.03.2022, 18:39 Uhr

        @remo.genzoli Das ist falsch. Insbesondere zu Hauptverkehrszeiten von 7-9 und 16-18, wo am meisten Stau herrscht, sind die Menschen nicht zum Vergnügen sondern wegen der Arbeit unterwegs.
        Und solange ich trotz Stau mit dem ÖV 45min länger pro Arbeitsweg benötige, bleibt das auch so. 90min mehr Freizeit pro Tag oder 330h pro Jahr ist viel.
        Tagsüber sind es zudem oftmals auch Lastwagen, die eine Fahrbahn schon fast komplett belegen. Die machen das ja auch nicht zum Vergnügen sondern um die Läden und Firmen zu beliefern in denen Sie konsumieren.
        Die Eine Fahrspur die dann noch bleibt reicht einfach nicht mehr für Handwerker, Lieferanten Aussendienstler, Privatverkehr usw.
        Wenn Sie Ihren Arbeitsplatz gleich ums Eck haben und tagsüber nicht beruflich in der ganzen Schweiz unterwegs sein müssten, dann würde Sie auch einen Ausbau fordern.
        Wissen Sie wieviel Arbeitszeit und somit Geld verloren geht nur wegen dem ewigen Stau? Solange unsere Bevölkerungszahl wächst und wir folglich immer mehr Güter und Dienstleister brauchen, muss auch die Verkehrsinfrastruktur wachsen.
        Oder denken Sie die können einfach aufs Rad und Bus umsteigen?
        Zu glauben, dass der Grossteil des Verkehrs aus Vergnügungsfahrten besteht, ist blauäugig und schlichtweg falsch.

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      • Profilfoto von Kommentarschreiber
        Kommentarschreiber, 08.03.2022, 20:35 Uhr

        @philipp
        Genau, tpisches Argumentarium eines motorisierten Individualverkehrsfetischisten und Sie unterstellen mir Aussagen, die ich nirgends gemacht habe. Warum bleibt der ÖV im Stau stecken? Ich hatte nie Jobs «gerade um die Ecke», eher z.T. solche mit relativ aufwändigen Anfahrtswegen und habe diese problemlos ohne Auto bewältigt. Logisch, es gibt diesbezüglich Ausnahmen und Grenzen, um diese geht es aber nicht. Der Bypass und der Ausbau Nord sind Verkehrskonzepte der 70er Jahre. Dazu gibt es genug seriöse Studien die belegen, dass die Erhöhung der Attraktivität des MVI noch mehr Verkehr generiert. Ich bin überzeugt, dass die Verkehrsprobleme mit anderen Massnahmen gelöst werden können. Vermutlich ignorieren Sie solche Konzepte einfach.

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