Branche in Luzern unter Druck

«Greta-Effekt» und Automaten: Womit Fahrschulen kämpfen

90 Prozent der Fahrstunden bei einer bekannten Kette finden in Automatikautos statt. (Bild: Strassenverkehrsamt Luzern)

Weniger Junge wollen einen Führerausweis, beobachtet der Dachverband für Fahrschulen in Luzern. Gleichzeitig fehlt Schülern die Motivation zum Warten – und für den Schaltknüppel.

Eigentlich sollten die Fahrschulen in Luzern voll sein. Es ist Mitte August, Horden junger Menschen haben frei, wollen den Führerausweis, auf die Strassen, nicht mehr bei den Eltern auf der Rückbank sitzen oder auf den Bus warten.

Doch was einst in jedem Lebensplan Pflicht war, hat seinen Stellwert verloren. «Für Junge steht Fahren nicht mehr an erster Stelle», sagt Thomas Schmid, als zentralplus anruft. Er ist Präsident des Verbands Fahrschulen Zentralschweiz und sorgt sich um seine Branche.

«Die Fahrschulen in der Gegend spüren den ‹Greta-Effekt›», beobachtet Schmid. Besonders in der Stadt habe die Nachfrage nach Fahrstunden stark abgenommen. Er denkt: «Die jungen Leute in der Stadt sagen sich: ‹Ich brauch keinen Fahrausweis. Ich fahr nur Velo oder ÖV.›»

Neue Lernphase beim Führerausweis: Wieder abschaffen?

Ein Grund für die sinkende Nachfrage ist eine Verkehrsregel. Seit 2021 müssen Junglenker unter 20 Jahren vor der Praxisprüfung eine einjährige Lernphase absolvieren. Abkürzen geht nicht. Nach einer bestandenen Theorieprüfung kann man den Lernfahrausweis allerdings schon mit 17 beantragen, also ein Jahr früher als davor.

Das neue System schaffe Probleme, schreibt nun Lea Grob von der Fahrschulkette Blink, die auch in Luzern zwei Standorte hat. «Diese Zwangsfrist raubt vielen Schülerinnen und Schülern die Motivation, die Ausbildung mit einer Fahrlehrperson von Anfang bis Ende zu durchlaufen.» Schülerinnen kämen oft nur drei Mal in die Fahrschule – und dann lange nicht.

Den Lernfahrausweis kriegt man schon ab 17 – wenn die Theorie bestanden wurde. (Bild: Strassenverkehrsamt Luzern)

Anfang Jahr hat der Bundesrat einen zweiten Vorstoss, der die Lernphase wieder abschaffen will, abgelehnt. Noch bis nächstes Jahr laufe eine Evaluation der neuen Regel, auf deren Ergebnisse der Bundesrat jetzt warte, erklärte Verkehrsminister Albert Rösti (SVP). Blink sagt zu zentralplus, eine Abschaffung wäre eine gute Sache.

Nach dem Boom an Fahrprüfungen folgt eine Flaute

Wer die einjährige Lernphase vermeiden wollte, machte im Jahr 2021 den Fahrausweis. Die Folge war ein Prüfungsboom. Danach flachte die Nachfrage stark ab und das zum Teil bis heute. «Die Branche hat sich davon noch nicht ganz erholt, es besteht immer noch ein Angebotsüberschuss», schreibt Lea Grob (zentralplus berichtete).

Zahlen des Strassenverkehrsamts im Kanton Luzern können den Boom und das Abflachen der Nachfrage ab 2022 nachweisen. Die Anzahl praktischer Prüfungen befindet sich noch deutlich unter jener vor der Pandemie.

Die Folgen: Viele Fahrlehrerinnen würden den Job an den Nagel hängen und Fahrschulen schliessen, erzählt Thomas Schmid vom Verband Fahrschulen Zentralschweiz. Andere Kollegen würden den Beruf nur noch als Nebenjob ausüben und sonst als Lastwagen- oder Busfahrer arbeiten. «Vom Job als Fahrlehrer zu leben, ist hart geworden.»

Qualität setze sich durch, sagt Inhaber von Fahrschule in Luzern

Dass der Markt ausdünnt, findet Tom Spengler von der Fahrschule Luzern gar nicht so schlecht. «Viele sehen in dem Job eine gute Chance, in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen, dabei leidet allerdings oft die Qualität und die Menschlichkeit.» Nun würden einige der Billiganbieter mit Dumpingpreisen den Markt wieder verlassen müssen.

Damit werden sich auch die Preise beruhigen. Blink schreibt, eine durchschnittliche Fahrschülerin, die 18 Fahrlektionen à 45 Minuten nimmt, zahle für den Fahrausweis heute rund 2300 Franken. Tom Spengler kalkuliert mit 3500 bis 4000 Franken.

Seit fünf Jahren können Junglenker ihre Prüfung im Automaten machen und später trotzdem Schaltung fahren. Das sei einfacher, denken viele, und würden auf den Knüppel verzichten – obwohl die Fahrschule zumindest in den Fahrstunden das Üben empfehle, schreibt Lea Grob.

92 Prozent ihrer Lektionen seien 2023 in Automaten durchgeführt worden. Das zeige sich auch bei den Prüfungen: Nur 6 Prozent ihrer Schüler machten im gleichen Jahr eine Prüfung in einem Schaltfahrzeug, 81 Prozent nutzten Automat, der Rest fuhr gemischt.

Die wenigen Schülerinnen, die eine Prüfung im Schaltauto machen, seien dagegen in der Regel erfolgreicher, schreibt Grob. Denn: «Wer heute noch mit Handschaltung lernen möchte, bringt ein grosses Interesse und viel Motivation und Vorwissen mit.»

Tom Spengler macht noch eine andere Beobachtung: «Es tauchen immer mehr Schüler auf, die über ein mangelndes Selbstwertgefühl verfügen.» Viele würden die Prüfung wegen ihres privaten und schulischen Drucks herauszögern. Das sei früher anders gewesen.

Verwendete Quellen
  • Kennzahlen des Strassenverkehrsamts Kanton Luzern
  • Artikel in «20 Minuten»
  • Schriftlicher Austausch mit Lea Grob, Kommunikation Fahrschule Blink
  • Telefonat mit Thomas Schmid, Präsident des Verbands Fahrschulen Zentralschweiz
  • Schriftlicher Austausch mit Tom Spengler, Inhaber der Fahrschule Luzern
  • zentralplus-Medienarchiv zu Fahrschulen Luzern
  • Website des Strassenverkehrsamts Kanton Luzern
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