Interview zu Car-Sharing

Gomore: Dänischer Riese will Zuger vom Thron stossen

Die Zuger Mobility Genossenschaft muss sich warm anziehen: Ein Konkurrent wächst. (Bild: zvg)

Das dänische Carsharing-Unternehmen Gomore breitet sich in der Schweiz aus. Es könnte dem Platzhirsch Mobility aus Rotkreuz gefährlich werden.

Kuhn Rikon, eine Schweizer Traditionsfirma für Töpfe und Pfannen, hat einige clevere Strategien im Marketing. Emotionale Bindung und eine starke Onlinepräsenz zum Beispiel. Die dafür verantwortlichen Werber arbeiten für eine Zürcher Agentur, die seit Kurzem einen neuen Auftrag hat: den dänischen Carsharing-Anbieter Gomore gross zu machen.

Gross ist die internationale Firma Gomore bereits. Doch das Ziel ist, auch in der Schweiz die Nummer eins zu werden. Das heisst, den bisherigen Spitzenreiter – das in Rotkreuz ansässige Unternehmen Mobility – zu verdrängen. Warum sich Mobility warm anziehen sollte, zeigt das Interview mit der 38-jährigen Zürcherin Burcu Biçer, Schweiz-Chefin von Gomore. Denn: Das Start-up hat einen entscheidenden Vorteil.

zentralplus: Burcu Biçer, warum sollte man sein Auto teilen?

Burcu Biçer: Ein geteiltes Auto kann bis zu elf Autos ersetzen. Studien zeigen, dass ein privates Auto pro Tag nur eine bis zwei Stunden genutzt wird. Und wenn, sitzen im Schnitt nur 1,3 Leute darin. Es wird niemals ausgenutzt.

zentralplus: Gomore wurde 2005 in Dänemark gegründet und ist seit 2021 in der Schweiz. Was genau machen Sie?

Biçer: Gomore macht mit Autos, was Airbnb mit Wohnungen macht. Wir sind eine Carsharing-Plattform mit vier Millionen Nutzern in sieben europäischen Ländern. Unser Hauptsitz ist in Dänemark, unser Schweizer Büro hat acht Mitarbeiter in Zürich.

zentralplus: Der Schweizer Start von Gomore ist vier Jahre her. War die Expansion im Nachhinein ein guter Entscheid?

Biçer: Am Anfang war ich skeptisch, weil ich dachte, dass so ein Konzept in der Schweiz nicht aufgeht. Was uns gehört, teilen wir nicht unbedingt mit anderen. Das ist Teil unserer Kultur. Doch ich wurde positiv überrascht und denke definitiv, dass der Entscheid der richtige war.

zentralplus: Was heisst das genau?

Biçer: Mittlerweile haben wir in der Schweiz über 100’000 Nutzer, 6000 registrierte Autos auf der Plattform, wovon 2500 aktiv vermietet werden.  

In der App zeigt eine Karte die Angebote mit Preisen an – ähnlich wie bei Airbnb. (Bild: kok)

zentralplus: Das klingt nach der Grössenordnung von Mobility. Der grösste Schweizer Carsharing-Anbieter aus Rotkreuz hat 3000 Fahrzeuge und 280’000 Nutzerinnen (zentralplus berichtete). Ein Konkurrent für Sie?

Biçer: Die herkömmlichen Carrentals sind keine direkte Konkurrenz für uns. Während sie in ihre eigene Flotte investieren müssen, nutzen wir bestehende Fahrzeuge effizient. Wir sind eine Plattform, auf der private Autos vermietet werden, und können daher viel schneller wachsen als Mobility.

zentralplus: Trotzdem fischen Sie im gleichen Teich.

Biçer: Richtig. Es gibt Überschneidungen. Wir sind beide Anbieter, zwischen denen sich der Nutzer entscheiden muss.

zentralplus: Was machen Sie anders?

Biçer: Bei den Kurzmieten mag Mobility gut sein, doch auch das ist nicht immer der Fall. Darüber hinaus wird es teuer. Bei uns ist die Preispalette viel breiter. Ausserdem haben wir viel mehr unterschiedliche Modelle. Und wir haben überall in der Schweiz Autos und nicht nur an gewissen Standorten.

Trotz steigender Kundenzahl fühlt sich das Unternehmen zu Tarifanpassungen gezwungen.
Mobility ist die Nummer eins für Carsharing. (Bild: Mobility Genossenschaft)

zentralplus: Stehen Sie mit Mobility in Kontakt?

Biçer: Nein. Wir haben uns aber mit unserer direkten Konkurrenz in der Schweiz ausgetauscht. Das ist 2EM mit Sitz in Marly. Ich habe am Anfang auch mit dem damaligen CEO von Sharoo gesprochen, dem Schweizer Carsharing-Anbieter, der 2020 bankrott ging.

zentralplus: Was haben Sie aus dem Gespräch mitgenommen?

Biçer: Sharoo war nie so gross wie wir – die Anzahl der Autos, die sie hatten, haben wir in der Schweiz schon lange übertroffen. Ausserdem haben sie in der Schweiz angefangen und hatten viele interne Interessenkonflikte. Wir haben im Ausland angefangen und expandiert. Wir wissen viel aus den anderen Ländern. Das ist der grosse Gamechanger.

zentralplus: Was ist mit 2EM? Was unterscheidet Sie von diesem Angebot?

Biçer: Vieles. 2EM sitzt in der Westschweiz und hat die Kundschaft von Sharoo übernommen. Doch Carsharing funktioniert in der Deutschschweiz besser als in der Westschweiz. Und wir haben ein Team, das Schweizerdeutsch spricht. Ausserdem sind unsere Website und App professioneller.

zentralplus: Dabei hilft sicher auch der Hauptsitz von Gomore in Dänemark.

Biçer: Wir arbeiten eng mit Standorten in anderen Ländern und unserem Hauptsitz in Dänemark zusammen. Von deren Erfahrung können wir enorm profitieren. Auch Bereiche wie IT oder Produktentwicklung sind vor allem in Dänemark. Diese starke Basis ermöglicht es uns, nachhaltig zu wachsen und bald auch finanziell unabhängig zu sein.

«Wir wollen die Nummer eins werden.»

zentralplus: Wie viele Vermietungen zählen Sie aktuell?

Biçer: Wir sind bei den Vermietungen im dreistelligen Bereich pro Tag. Wenn wir so weiterwachsen wie bisher, werden wir schon bald ein noch höheres Niveau erreichen. Das wird uns zusätzlichen Rückenwind geben.

zentralplus: Welche Ziele verfolgen Sie in der Schweiz? Mobility vom Thron stossen?

Biçer: Wir wollen die Nummer eins werden. Es gibt immer noch Leute, die uns nicht kennen. Das müssen wir ändern. Wir wollen die erste Anlaufstelle sein, wenn es um Carsharing geht.

zentralplus: Wie verdienen Sie Geld?

Biçer: Mit Kommission. Autobesitzer, die unsere Versicherung für die Vermietungen buchen, geben 25 Prozent Kommission vom Vermietungspreis ab. Wer seine eigene Versicherung nimmt, nur 15 Prozent.

zentralplus: Wer nutzt Gomore?

Biçer: Wir haben zwei Zielgruppen: Autobesitzer und Nutzer. Fast jeder, der sein Auto in der Schweiz gemeldet hat, kann es registrieren. Sowohl Mieter als auch Vermieter sind im Durchschnitt zwischen 21 und 55 Jahre alt.

zentralplus: Was sind Ihre Herausforderungen beim Wachstum?

Biçer: Unsere Aufgabe ist es, den Menschen die Angst zu nehmen, dass etwas mit ihrem Auto passiert, wenn sie es vermieten. Wir erklären ihnen dann, dass Fahrer von uns gründlich verifiziert werden.

zentralplus: Noch ein letzter Vergleich mit Mobility: Der Carsharing-Riese will seine ganze Flotte bis 2030 elektrifizieren. Ist so etwas bei Ihnen auch ein Thema?

Biçer: Wir haben einige Ideen, wie wir das Produkt und die Website für diese Zielgruppe optimieren möchten. Doch heute ist das Angebot dafür viel zu klein. In der Schweiz fahren noch sehr viele Benziner. Das spiegelt sich auch bei uns wider. Unser Ziel ist aber auch ein anderes: Wir wollen die Anzahl Autos auf den Strassen insgesamt halbieren, egal ob Benziner oder Elektro.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Burcu Biçer, Schweiz-Chefin von Gomore
  • Nachricht von «Persönlich» zur neuen Agentur von Gomore
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