Rollstuhlfahrer halten die neuen Trottoirs in der Neustadtstrasse für eine Gefahr. Nun meldet sich die Stadt zu Wort und erklärt, was los ist.
Bald 100 Einträge gibt es auf der neuen Online-Karte von zentralplus, dem Medienhaus Correctiv und der Hochschule Luzern (HSLU). Die Punkte auf der Karte stammen von unseren Leserinnen und Lesern und zeigen Stolpersteine und Gefahren in Luzern. Ziel der Aktion «Achtung Barriere!» ist es, Hindernisse und Hürden zu finden – und Ideen, wie man sie beseitigen kann (zentralplus berichtete).
Ein solcher Problemort ist aktuell die Neustadtstrasse. Ein Rollstuhlfahrer schreibt auf der Karte: «Der gerade neu gebaute Trottoiraufgang ist mehrstufig. Dies ist für mich als Rollstuhlfahrer beschwerlich, da ich so nicht direkt aufs Trottoir fahren kann, es ist auch gefährlich, ich könnte rückwärts kippen.»
Jemand anderes bestätigt: «Die 2024 neu gebauten Randsteine sind höher als die SIA500 zulässt und somit nicht von Rollstuhlfahrerinnen befahrbar.»
Beim barrierefreien Bauen gibts Regeln für Trottoirs
Die Norm SIA 500 regelt in der Schweiz «Hindernisfreie Bauten». Sie zielt darauf ab, Bauten für alle ohne Diskriminierung zugänglich zu machen – und betrifft auch die Gestaltung von Aussenräumen. Auch für Randsteine kann man daraus gewisse Vorgaben ableiten.
In einem Bericht der schweizerischen Fachstelle für behindertengerechtes Bauen steht dazu: Ein Trottoiraufgang muss schräg und stufenlos sein – oder einen Absatz von drei Zentimeter aufweisen. Die Krux: Für Rollstuhlfahrerinnen darf der Absatz nicht mehr, aber für Blinde nicht weniger als drei Zentimeter betragen.
Ein Augenschein beim neuen Trottoir an der Neustadtrasse/Ecke Bundesplatz zeigt: Hier ist der Aufgang zweistufig und höher. Ist das also eine Fehlplanung? Pascal Ruedin, Bereichsleiter Projekte bei der Stadt Luzern, verneint. «Die Baustelle an der Neustadtstrasse ist noch nicht abgeschlossen. Witterungsbedingt und aufgrund der Festtage wurden die Arbeiten eingestellt.»
Tatsächlich fehle der Deckbelag, also die letzte, drei Zentimeter dicke Asphaltschicht auf der Strasse. Sie könne man nur bei warmer und trockener Witterung verbauen. «Entsprechend wird der mehrstufige Trottoiraufgang verschwinden, sobald die Arbeiten effektiv abgeschlossen sind.»
Das Projekt macht die Neustadtstrasse für Fussgänger attraktiver
Seit März 2024 werden in der Neustadtstrasse Gas- und Trinkwasserleitungen der EWL sowie Abwasserkanäle der Stadt erneuert oder saniert.
Teil des Umbaus ist es, die wichtige Quartierstrasse fussgängerfreundlicher zu machen. Bei den Kreuzungen zur Mythenstrasse und beim Neuweg gibt es nun Trottoirüberfahrten. Sprich: Fussgänger haben vor Autos Vortritt. Ausserdem wurden die Gehwege verbreitert, Querungsstellen für Fussgänger eingerichtet und der Fussgängerstreifen beim Bundesplatz optimiert.
Auch grüner wird die Strasse: Entlang der westlichen Strassenseite wird ein Grünstreifen gebaut. Es werden fünf neue Bäume gepflanzt. Und der Boden der Velo- und Töffparkplätze wird für Regen durchlässiger. Das sei gut fürs Klima – und steigere die Aufenthaltsqualität, so Ruedin.
Der aktuelle Stolperstein für Rollstuhlfahrer soll also in den nächsten Monaten verschwinden. Ein Abschluss der Bauarbeiten in der Neustadtstrasse ist im März oder April zu erwarten. Oder auch früher – wenn es die Witterung zulässt.
Was unserer Leserschaft sonst noch in Luzern Schwierigkeiten bereitet, kannst du hier nachlesen.
- Bericht der Schweizerischen Fachstelle für behindertengerechtes Bauen
- Norm SIA 500 «Hindernisfreie Bauten»
- Schriftlicher Austausch mit Pascal Ruedin, Bereichsleiter Projekte
- Bauprojekte der EWL
- zentralplus-Medienarchiv zu Barrieren Luzern