Steuerwahnsinn? Sein Mini-E-Auto ist teurer als ein Sportwagen
Jürg Roth findet, dass sein Renault Twizy beim Strassenverkehrsamt schlecht wegkommt. Mit der neuen Berechnungsmethode der Strassenverkehrssteuer ist er nicht einverstanden. (Bild: asc)
Seit Jahresbeginn berechnet der Kanton Luzern seine Verkehrssteuer neu. Ein Luzerner ist mit der neuen Steuer gar nicht einverstanden. zentralplus hat ihn zu einer Ausfahrt in seinem Renault Twizy getroffen.
Sportliche Spurwechsel, ein exotischer Hingucker auf der Seebrücke und unschlagbare Beschleunigung auf den ersten Metern. Die Flügeltüren des Gefährts klappen in Richtung Himmel auf. Ein Mann in Lederjacke und Sonnenbrille steigt aus. Wer Jürg Roth hinter dem Steuer eines Lamborghini Gallardo vermutet, liegt falsch.
Der 76-Jährige fährt einen Renault Twizy. Das ist ein kleiner Elektro-Zweisitzer. Mit verschränkten Armen und etwas grimmiger Miene steht er vor dem Strassenverkehrsamt Luzern. Das nicht ohne Grund. Die neue Verkehrssteuer im Kanton Luzern sei keine gerechte Geschichte, findet Roth und lädt zentralplus auf eine Spritzfahrt im Twizy ein.
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was Jürg Roth an der neuen Berechnungsmethode besonders stört
Twizy hat so viel Leistung wie ein fahrbarer Rasenmäher
Der Kanton Luzern will emissionsarme Fahrzeuge fördern. Deswegen wendet das Strassenverkehrsamt Luzern seit Jahresbeginn eine neue Berechnungsmethode für die Verkehrssteuer an. Neu ist nicht mehr der Hubraum eines Fahrzeuges für die Höhe der Steuer massgebend, sondern Gesamtgewicht und Leistung (zentralplus berichtete).
Eigentlich sollte da der Twizy des 76-Jährigen perfekt zur Zielsetzung des Kantons passen. Das Fahrzeug sei dank des elektrischen Antriebs umweltfreundlich und dank der kleinen Grösse platzsparend, sagt Roth. Das Gefährt wiegt nur 690 Kilogramm und hat eine Leistung von zwölf Kilowatt. Umgerechnet also ungefähr 16 PS – das ist in etwa so viel Power wie ein fahrbarer Rasenmäher.
«Man könnte also meinen, dass der Twizy in den Augen der Verwaltung als umweltfreundliches Auto gelte», wettert der in Luzern wohnhafte Mann. Anlass für den Frust ist die Verkehrssteuer-Rechnung, die in den letzten Wochen in den Briefkästen aller Luzerner Fahrzeughalter landete. Roth muss für den Twizy neu jährlich 165 Franken Steuern bezahlen – ein Preisaufschlag von mehr alseinem Drittel.
Sammeltopf für Kleinfahrzeuge bei Verkehrssteuer
Etwas merkwürdig: Eigentlich sollte die neue Berechnungsmethode emissionsarme Fahrzeuge belohnen und nicht abstrafen. Die Rechnung, die Roth im Briefkasten fand, ist jedoch kein Fehler in der Buchhaltung des Kantons. Die Behörden wollen es so.
Aurel Jörg, Sprecher des kantonalen Justiz- und Sicherheitsdepartements – das auch für das Strassenverkehrsamt zuständig ist – bringt Licht ins Dunkel: Der Renault Twizy sei ein Kleinmotorfahrzeug. Zusammen mit allen dreirädrigen Motorfahrzeugen wirft der Kanton diese bei der Verkehrssteuer in einen Topf. Für Fahrzeuge in dieser Kategorie mit Leistungen bis 13 Kilowatt beträgt die jährliche Steuer pauschal 165 Franken.
Massiv unverhältnismässige Steuerhierarchie?
Der absolute Betrag seiner Steuer störe Roth überhaupt nicht: «Meinetwegen kann der absolute Betrag meiner Steuer für den Twizy auch höher ausfallen.» Die Rechnungstellung nach Kriterien der Umweltfreundlichkeit finde er eine gute Sache.
Was den 76-Jährigen auf die Palme bringt, sind die Verkehrssteuern anderer elektrisch angetriebener Fahrzeuge im Verhältnis zur Steuer, die er für den Twizy entrichten muss. Ein Kollege fahre einen Audi e-tron GT quattro. Dieser bringe etwas mehr als viermal so viel Gewicht auf die Waage und habe knapp die dreissigfache Leistung seines «genialen Stadtmobils». Kostenpunkt der Steuer für die PS-Bolide liege jedoch nur bei jährlichen 139 Franken.
Ähnlich schaue es beim Renault Zoe eines Bekannten aus: Mehr als doppeltes Gewicht und über achtfache Leistung – die Steuer betrage 59 Franken im Jahr. Diese Steuerhierarchie sei für Roth massiv unverhältnismässig, sei seine Abgabe doch fast dreimal so hoch wie die eines herkömmlichen E-Autos. Die Steuerrechnungen zu den einzelnen Automodellen liegen zentralplus vor.
Kein Bonus für das Mini-Elektroauto bei der Steuerrechnung
Für diese Unterschiede gebe es eine einfache Erklärung,sagt Aurel Jörg vom Kanton Luzern. Nach der neuen Berechnungsmethode gewähre das Strassenverkehrsamt für Autos der Energieeffizienzkategorien A und B eine Steuerermässigung von 80 Prozent.
Dafür darf der CO₂-Emissionswert nicht mehr als die Hälfte des aktuellen Zielwerts des Bundes betragen. Zudem gilt die Vergünstigung nur in den ersten fünf Jahren ab erster Inverkehrsetzung, so der Kommunikationsverantwortliche.
In der Steuerkategorie, unter die der Twizy fällt, erhalten Fahrzeughalter dagegen keinen Bonus. So ergibt sich also die verzerrte Steuerhierarchie. Roth kommentiert: «So geht das nicht, das kann ich nicht akzeptieren.»
«Stumpfsinnige Entgleisung» der Behörden sei «völliger Blödsinn»
Es störe den 76-Jährigen ungemein, dass die Verwaltung ihre Gesetzesreform nicht etwas differenzierter ausgearbeitet habe. Er ist sich sicher, dass die Verwaltung innovative Möbilitätslösungen wie den Microlino oder den Twizy schlicht nicht auf dem Schirm hatte.
Anders könne er sich diese «stumpfsinnige Entgleisung» der Behörden nicht erklären. Das Endresultat dieses «begrenzten Horizonts» finde sich dann im Steuer-Direktvergleich des Twizy und des Audis. Für Roth: «Völliger Blödsinn.»
Auch beim Parkieren ist der Twizy weder Fisch noch Vogel
Zwischen den Sätzen leitet Roth ein sportliches Überholmanöver ein. Im engen Stadtverkehr hatte sich soeben eine Lücke ergeben. Seine schelmische Art zeigt sich nicht nur in seinem Fahrstil. Auch bei der Parkplatzsuche wird der Luzerner kreativ. Trotz Töffnummer dürfe er den Twizy nicht auf einem Töffparkplatz abstellen, erklärt Roth hinter dem Steuer.
So müsse er sich auf der Suche nach einem Parkplatz immer etwas durchmogeln. Einen Autoparkplatz versperren zu müssen, ist für ihn Verschwendung: «Auf einem normalen Parkfeld würde der schmale Twizy viermal Platz finden.» Lieber suche er sich einen Platz zwischen Abfallkübeln oder Säulen – wo er niemandem in die Quere komme. Probleme mit den Ordnungshütern hatte er deswegen noch keine.
Roth sagt dem Missstand den Kampf an
Der 76-Jährige will kämpfen, bis der «Missstand» behoben ist. Nicht zuletzt, um andere Kantone vor «Schnellschüssen» bei der Revision ihrer Verkehrsgesetze zu bewahren.
Sein Lösungsansatz: «Wieso nicht einfach den Twizy als Personenwagen kategorisieren?» So würde das Verkehrssteuer-System innerhalb der Gruppe Sinn ergeben. Bleibt der Erfolg bei seinen jetzigen Bemühungen aus, könne er es sich durchaus vorstellen, bei «dem einen oder anderen Politiker anzuklopfen».
ist seit Sommer 2024 als Praktikant für zentralplus tätig. Der gebürtige Luzerner schrieb in seiner Zeit als Geschichtsstudent vorwiegend über Vergangenes in fernen Ländern. Bei zentralplus findet er die zeitliche und geographische Nähe zur Heimat wieder und berichtet am liebsten über lokale Kuriositäten.
Wenn der gute Mann nicht bereit ist, 165 Franken für die Benützung unserer Strassen zu zahlen, dann rate ich ihm, zu Fuss zu gehen.
Stephan Buehler, 01.02.2025, 08:18 Uhr
Da wurde wohl ein Satz überlesen. Der gute Mann sagt ja "Der absolute Betrag seiner Steuer störe ihn überhaupt nicht". Störend ist die Abstufung und Differenzierung der verschiedenen Fahrzeuge und die ist rein logisch und rationell betrachtet in diese Tat nicht ganz bis zum Ende gedacht. Gegen die Kritik an dem aktuellen Missstand ist wirklich nichts einzuwenden. Das geht definitiv Fair-Ursachergerechter.