Energiekrise? Die E-Mobilität-Szene bleibt gelassen
Landauf, landab ertönen Appelle zum Stromsparen. Wie reagiert die E-Mobilität-Szene darauf? zentralplus hat sich am Zuger E-Mobilitätstag umgehört.
Lichter löschen, Waschmaschine füllen, Kaffeemaschine ganz ausschalten – seit einigen Wochen werden wir in der Schweiz mit Tipps zum Stromsparen überschüttet. Das soll nicht nur das eigene Portemonnaie schonen, angesichts drastisch ansteigender Strompreise (zentralplus berichtete). Die Massnahmen sollen auch eine mögliche Strommangellage im Winter verhindern.
Stromsparen ja – aber nicht beim E-Auto
Kaum ein Lebensbereich, der nicht von den Stromspartipps betroffen ist – ausser die Mobilität. Das Elektroauto ist von den Aufrufen zum Stromsparen in der Schweiz bisher verschont geblieben. Anders beispielsweise in Kalifornien. Dort werden Besitzerinnen von Elektroautos aufgefordert, ihr Auto nur zu bestimmten Zeiten aufzuladen. Das soll das Stromnetz vor einem Zusammenbruch bewahren.
Die Idee schwappte bald in die Schweiz über. Der grüne Nationalrat Kurt Egger forderte gegenüber «20 Minuten»: «Dann, wenn in der Schweiz am meisten Strom gebraucht wird, sollen Elektroautobesitzer ihr Auto nicht laden dürfen!» Und weiter: «Wir müssen jetzt Strom sparen und zwar dort, wo es niemandem wehtut.» Sollen die E-Autofahrer halt auf den ÖV ausweichen.
Zu Besuch am E-Mobilitätstag in Zug
Tatsächlich ist der Stromverbrauch eines Elektroautos nicht unwesentlich. Die meisten Modelle auf dem Markt verbrauchen zwischen 15 und 20 Kilowattstunden Strom auf 100 Kilometer. Das klingt erstmal nach wenig. Doch wer regelmässig mit dem Auto unterwegs ist, legt pro Woche schnell einmal mehr als 100 Kilometer zurück. Aufs Jahr sind das knapp 1000 Kilowattstunden Stromverbrauch. Das entspricht circa einem Viertel des Stromverbrauchs eines 4-Personen-Haushalts in einem Mehrfamilienhaus.
Bleibt der Tesla bei einer Strommangellage also womöglich in der Garage? zentralplus hat sich in der Szene umgehört – am E-Mobilitätstag in Zug.
«Manche Kunden finden es den falschen Zeitpunkt für den Kauf eines Elektroautos.»
Igor Sesar, Verkaufsberater VW Amag Zug
Hier dreht sich alles um die Elektromobilität. Rund dreissig Unternehmen und Vereine präsentieren ihre Produkte. Es gibt allerhand verschiedene Fahrzeuge – vom E-Scooter über die elektrische Vespa, den Elektro-VW-Bus bis hin zu den schweren E-Autos von Tesla und Audi. Die meisten dieser Autos lassen sich probefahren und auch das Rahmenprogramm widmet sich voll und ganz dem Thema Strom – einzig die Bratwürste am Grillstand werden mit Gas grilliert.
Wie ist die Stimmung an einem solchen Ort, angesichts einer drohenden Strommangellage? Zusammengefasst: Unaufgeregt.
Kunden verschieben Kauf eines neuen Autos
Der Verkaufsberater am Tesla-Stand sagt uns zwar: «Die Energiekrise ist schon ein Thema bei den Kunden. Einige fragen wegen der hohen Strompreise und befürchten, dass sich diese in den Ladekosten fürs Elektroauto niederschlagen.» Der Berater muss in diesen Fällen einräumen, dass ein Ladevorgang im nächsten Jahr zwar teurer wird. Doch ein Elektroauto verbrauche wesentlich weniger Energie auf 100 Kilometer als eines mit Verbrennungsmotor. «Es ist die effizienteste Antriebsart», betont er.
Ähnlich klingt es bei Igor Sesar, Verkaufsberater für VW-Modelle bei Amag Zug. Eine gewisse Unsicherheit sei bei den Kundinnen durchaus zu spüren. «Schliesslich ist die Situation auch sehr fragil und niemand weiss, wohin sich die Preise entwickeln.» Sesar ergänzt aber: «Das gilt auch für die Benzin- und Dieselpreise.»
«Es ist uns bewusst, dass die aktuelle Marktlage eine Verunsicherung sein kann für Interessenten der Elektromobilität. Der Kauf eines Autos ist aber eine langfristige Überlegung.»
Valentina Betschart, Verein Elektromobilität Zug
Es komme darum vor, dass manchen Kunden den Neukauf eines Autos verschieben: «Sie finden es den falschen Zeitpunkt für den Kauf eines Elektroautos und wollen einige Monate abwarten, bis sich die Situation auf den Energiemärkten einpendelt.» Dass das Elektroauto wegen einer Strommangellage auf der Strecke bleibt, hält er für unrealistisch. «In der Schweiz ist man kaum bereit, aufs Auto zu verzichten. Wir haben uns an diesen Komfort gewöhnt.» Zudem richte sich die gesamte Autoindustrie in Richtung E-Mobilität aus. Der Bundesrat könne dieser Entwicklung nicht einfach den Stecker ziehen.
E-Mobilität sei langfristig die einzige Lösung
Diese Haltung vertritt auch Valentina Betschart vom Verein Elektromobilität Zug. Der Verein steckt gemeinsam mit der Stadt Zug, der WWZ und der VBZ hinter dem E-Mobilitätstag und setzt sich für die Förderung der Elektromobilität in Zug ein. «Es ist uns bewusst, dass die aktuelle Marktlage eine Verunsicherung sein kann für Interessenten der Elektromobilität», betont Beschart. «Der Kauf eines Autos ist aber eine langfristige Überlegung. Darum glaube ich nicht, dass die aktuelle Energiekrise den Ausbau der Elektromobilität stoppen wird.»
Zudem sagt auch sie, dass Benzin und Diesel ebenfalls teurer geworden sind. Die aktuelle Diskussion führe vor Augen, dass Energie – einerlei, ob Strom, Öl oder Gas – keine unerschöpflichen Ressource sei. «Der Unterschied besteht jedoch darin, dass wir Strom unabhängig vom Ausland und auf nachhaltige Art und Weise produzieren können. Das gibt es mit Verbrennermotoren nicht.» Für die Mobilität gäbe es langfristig darum nur eine Zukunft – und die sei elektrisch.
Stromsparappelle sucht man am Zuger Elektromobilitätstag vergeblich. Auch die Zukunftssorgen halten sich in der Branche offenbar in Grenzen. Der Strom soll fliessen und der Tesla rollen. Das wird – zumindest in den nächsten Monaten – nicht spurlos am Portemonnaie vorbeigehen.
- Besuch und Gespräche am E-Mobilitätstag in Zug
- Stromverbrauch von E-Autos
- Stromverbrauch eines Haushalts
- Artikel in «20 Minuten»