Dieser Spazierweg zwischen Baar und Zug endet abrupt
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Wie bringt man Fussgänger sicher über die Strasse? Ein Fall in Baar beschäftigt sowohl besorgte Einwohnerinnen als auch die Politik. Die Zuger Regierung muss bald Stellung nehmen zum Thema. Doch bereits ist klar, in welche Richtung deren Antwort zielt.
Beim Bau der Tangente Zug–Baar vor rund vier Jahren erhielten nicht nur Autofahrer bessere Verkehrswege. In Inwil bei Baar wurde der Grossacherbach akzentuiert und renaturiert. Daneben verläuft ein schöner Spazierweg, der in Richtung Ökihof führt.
Wer zum ersten Mal hier durchläuft, dürfte jedoch erstaunt sein, denn der hübsche Weg wird jäh von der Tangente unterbrochen. Mit 60 Kilometer pro Stunde fahren die Autos auf dieser Strecke, was das Überqueren der Strasse im besten Fall ungemütlich, im schlechtesten Fall gefährlich macht (zentralplus berichtete).
Die Krux: Die Verantwortung für diese Situation ist unklar. Die Tangente bildet die Gemeindegrenze zwischen Zug und Baar. Die Strasse selbst steht in der Hoheit des Kantons Zug.
Um die Situation zu entschärfen, hat die Gemeinde Baar vor rund einem Jahr trotzdem reagiert. Mittels Tafel werden Spaziergängerinnen von Baar herkommend gebeten, den Umweg via Kreisel Industriestrasse zu nehmen, welcher sich westlich des Spazierwegs befindet. Der Vorteil dort: Jede der drei Fahrbahnen ist durch eine Verkehrsinsel unterbrochen, auf der man gefahrlos warten kann. Vom Kreisel führt ein Trottoir auf der anderen Strassenseite wieder zurück, bis man 200 Meter später rechts Richtung Ökihof abzweigen kann.
Der Spazierweg führt zum Kreisel – jedenfalls in der Theorie
Zudem liess die Gemeinde Baar den Zaun, der die Strasse an der Stadtzuger Seite säumt, um einige Meter verlängern. Damit sollte verhindert werden, dass Spaziergänger die Abkürzung direkt über die Strasse nehmen. Soweit die Theorie. Fast alle, die hier zu Fuss unterwegs sind, queren die Strasse jedoch genau dort, wo der Zaun endet.
«Ein Rollstuhlfahrer wollte die Strasse queren und merkte erst in der Mitte, dass er es nicht mehr schaffen würde.»
Jean-Pierre Anconelli, Vorstandsmitglied des Quartiervereins Nabia
Jean-Pierre Anconelli, Vorstandsmitglied beim Inwiler Quartierverein Nabia, ist diesbezüglich schon länger mit der Gemeinde Baar in Kontakt. Er ist für die Zwischenlösung, dass Fussgängerinnen zum Kreisel geschickt werden, mitverantwortlich. «Es ist schlicht zu gefährlich, dass Menschen mit Hunden und Kinderwagen die 60er-Strecke direkt beim Ende des Spazierwegs queren.» Das Schlimmste, was er dort je miterlebt habe: «Ein Rollstuhlfahrer wollte die Strasse queren und merkte erst in der Mitte, dass er es nicht mehr schaffen würde vor dem nächsten Auto. Er musste dann umkehren.»
Den Umweg via Kreisel nimmt er selbst daher konsequent und gerne auf sich. «Das hat auch den Vorteil, dass ich dadurch auf mehr Schritte komme.» Er gibt jedoch zu bedenken: «Doch ist es unverständlich, dass die Planer der Tangente diesen Fussgängerweg nicht zu Ende gedacht haben.»
Die beste Lösung wäre aus seiner Sicht eine Personenunterführung beim Bachdurchlass gewesen. Das stehe nachträglich jedoch seitens des Kantons wohl kaum mehr zur Debatte. «Als praktikabelste Lösung sehe ich deshalb einen beidseitig sicher ausgeschilderten und geführten Fussgängerweg direkt zum Kreisel. Bereits heute halten Autos oft an, wenn man die Strasse dort überqueren will.»
Die Situation macht niemanden richtig glücklich
Mit der vorliegenden Notlösung scheint niemand so richtig glücklich zu sein. Eine Leserreporterin wandte sich kürzlich besorgt an zentralplus. Das Sicherheitsrisiko sei schlicht zu gross. Und auch den Umweg über den Kreisel erachte sie als ungenügend. «Zwar gibt es dort eine Mittelinsel, jedoch keinen Fussgängerstreifen. Zudem sind insgesamt drei Spuren zu überqueren.»
Überdies ende das gegenüberliegende Trottoir direkt danach. Wer nicht auf derselben Strasse zurücklaufen möchte, sondern weiter in Richtung Zuger Innenstadt wolle, sei gezwungen, auch noch die zweispurige Industriestrasse zu überqueren. Die Baarerin fragt lakonisch: «Muss es erst Verletzte oder sogar Tote geben, bevor etwas unternommen wird?»
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Baarer Gemeinderat muss abwarten
Auch für den Baarer Gemeinderat ist die vorliegende Situation nicht ideal. Mit der aktuellen Zwischenlösung sei die Sache für ihn nicht erledigt, erklärt Hans Küng auf Anfrage. «Es gibt nach wie vor Leute, die aufgrund der Situation auf uns zukommen. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um Leute, welche das Thema schon länger beschäftigt und mit denen wir bereits in Kontakt standen.»
Das Problem: Dem Gemeinderat sind derzeit die Hände gebunden. «Vor knapp einem Jahr reichten vier SP-Kantonsräte einen Vorstoss beim Regierungsrat ein. Dieser wurde übrigens ohne Gegenstimme überwiesen. Nun gilt es, die Reaktion der Regierung abzuwarten», sagt Hans Küng, der nicht nur Gemeinderat in Baar, sondern auch Kantonsrat ist. Der Vorstoss wurde im vergangenen Mai überwiesen. Die Regierung hat ein Jahr Zeit für dessen Beantwortung.
Je nachdem, wie der Regierungsrat entscheide, werde der Baarer Gemeinderat diskutieren, wie es weitergehen könne. «Aktuell kann ich keine Auskunft darüber geben, welche Möglichkeiten es gibt und welche der Gemeinderat von Baar verfolgen würde. Eine Aussage kann erst nach der Antwort der Regierung gemacht werden», so Küng. Noch ist also Geduld gefragt.
Kanton hält Unterführung für unverhältnismässig
Bereits jetzt gibt es jedoch Hinweise darauf, in welche Richtung die Antworten des Regierungsrats zielen. Die besorgte Leserin wandte sich nämlich mit mehreren Fragen direkt an die kantonale Baudirektion. Die Antworten vom März 2025 liegen zentralplus vor.
«Eine oberirdische sichere Querung direkt am Spazierweg erfordert eine Mittelinsel, die an diesem Ort jedoch aufgrund der Strassenführung nicht möglich ist», heisst es dort seitens des Kantonsingenieurs. Zudem blieben die Sichtverhältnisse ungenügend. «Der bauliche und finanzielle Aufwand bei einer Fussgängerunterführung wie auch -überführung ist unverhältnismässig.»
Daher sei die sichere Querung beim Kreisel Industriestrasse vorgesehen. Also jene Lösung, die auch der Gemeinderat Baar derzeit beliebt macht. Auf die Frage, warum es dort keinen Fussgängerstreifen gibt, äussert sich der Kantonsingenieur: «Für die Markierung eines Fussgängerstreifens verlangen die Vorgaben für Strassen- und Verkehrswege unter anderem eine Mindestfrequenz von 100 Querungen während der fünf meistfrequentierten Tagesstunden.»
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Bei sehr wenigen Querungen bestehe die Tendenz, dass die Verkehrsteilnehmenden den Fussgängerstreifen zu wenig beachten und dadurch den Fussgängerinnen den Vortritt nicht immer gewähren würden. «Ohne Fussgängerstreifen schenken die zu Fuss Gehenden dem Strassenverkehr mehr Aufmerksamkeit, was die Sicherheit erhöht.»
- Augenschein vor Ort
- Telefonat mit Hans Küng
- Telefonat mit Leserin
- Telefonat mit Quartierverein Nabia
- Antwort der Baudirektion auf Anfrage der Leserin
- Vorstoss der SP-Kantonsräte zum Thema