Ideen für den Kasernenplatz

Die «Wunde» im Stadtbild – und wie man sie heilen könnte

Der Luzerner Architekt Frieder Hiss hat aussergewöhnliche Ideen für den Kasernenplatz. (Bild: ewi)

Der Kasernenplatz ist zwei Luzerner Architekten ein Dorn im Auge. So unterschiedlich ihre Ideen, so identisch ihr Ziel: Das städtebauliche Potenzial des Kasernenplatzes muss endlich ausgeschöpft werden.

In markigen Worten kommentiert der «Stadtführer Luzern im Jahr 2001» die Situation am Kasernenplatz:

«Wo einst der Schweinemarkt war und die Schützen sich in ihrer Kunst übten, dominiert heute auf sieben Spuren der motorisierte Verkehr. Mit dem Bau der Autobahnausfahrt 1974 entstand nicht nur die hässlichste Wunde im Stadtbild, sondern auch eine verkehrspolitische und städtebauliche Dauerdiskussion um die Wiedergutmachung dieser Bausünden zwischen Pfistergasse, Baselstrasse und Reuss.»

Die Uni am Kasernenplatz

Als «Wunde im Stadtbild» und «Bausünde» wird also die Aus- und Einfahrt zur Autobahn mitten in der Stadt bezeichnet. Und ebenso erwähnt der «Stadtführer», dass der Platz am westlichen Eingang zur Innenstadt seither Gegenstand zahlreicher städtebaulicher und verkehrspolitischer Diskussionen wurde.

Ihren Höhepunkt erreichte diese Diskussion 2002, als der Kasernenplatz zum neuen Standort für die Universität Luzern hätte werden sollen. Ein Neubau an diesem Ort mit der grossen Bedeutung einer Universität hätte die Chance für eine nachhaltige Umgestaltung und Aufwertung des Platzes gebracht. Doch der Olgiati-Würfel, der Entwurf des Bündner Architekten Valerio Olgiati, wurde aus Platzgründen, wegen der umstrittenen Architektur sowie angeblichen Ungereimtheiten im Jury-Wettbewerb nie realisiert.

Die Gelegenheit, den Kasernenplatz, der heute eher ein Verkehrsknoten als ein wirklicher Platz ist, aufzuwerten, war vom Tisch. Seither hat die Situation Bestand und niemand hat sich ernsthaft an eine Umgestaltung herangewagt. Vereinzelte politische Vorstösse verliefen ins Nichts. Doch nun kommt Bewegung in die Sache.

Eine Alternative zur Stadtpassage

Der Adligenswiler Architekt Bruno Ackermann hat ein Projekt für einen 150 Meter langen Neubau am Kasernenplatz parallel zur Reuss erarbeitet. Der Neubau soll als Car-Parkhaus dienen und Platz für 50 bis 80 Cars bieten.

Bruno Ackermann ist die Verkehrssituation am Kasernenplatz schon lange ein Dorn im Auge. (Bild: ewi)

Car-Parkplätze? Da war doch was? Genau, erst vor wenigen Wochen hat die Stadt Luzern bekannt gegeben, wie sie das Car-Chaos in der Innenstadt langfristig lösen will. Die «Stadtpassage» hat sich gegen rund 50 alternative Varianten durchgesetzt und soll nun vertieft geprüft werden (zentralplus berichtete). Doch kaum hat sich der Stadtrat für diesen Vorschlag entschieden, tritt Bruno Ackermann mit seiner Idee hervor. Das ist kein Zufall, wie wir später sehen werden. Doch zuerst zum Projekt.

So funktioniert das Car-Parkhaus am Kasernenplatz

Ackermanns Idee ist simpel. Das Parkhaus würde auf dem heutigen Autobahnzubringer und der Militärstrasse entstehen. Der Verkehr vom Hirschengraben würde dann künftig direkt in die Baselstrasse einmünden, ohne den heutigen Umweg über die Militär- und die Gütschstrasse zu fahren.

Parallel zur Reuss entsteht in den Plänen von Bruno Ackermann ein 150 Meter langes Car-Parkhaus. (Bild: Bruno Ackermann)

20 Meter soll die maximale Höhe gemäss Ackermann betragen. Damit gliedert es sich in die Höhe der bestehenden Gebäude ein. Die Ein- und Ausfahrt ins Parkhaus würde sich auf Höhe der Geissmattbrücke befinden. Die Cars würden dann künftig von der Autobahn-Ausfahrt eine Runde um den Block, respektive das bestehende Parkhaus und das Utoring-Gebäude, drehen und dann ins Parkhaus einbiegen. Über eine Rondelle am anderen Ende des Parkhauses würden die Cars in die oberen Geschosse fahren. Beim Verlassen des Parkhauses, würden die Cars über die Autobahn-Einfahrt bei der Geissmattbrücke im Handumdrehen wieder auf die Autobahn gelangen.

Parallel zum Parkhaus entsteht gemäss den Plänen Ackermanns auf 250 Metern Länge eine mit Bäumen gesäumte Fussgängerzone am Reussufer, der sogenannte Reussquai. Ackermann schwärmt: «Der Reussquai übernimmt das Wesen der Stadt Luzern mit ihren langen Alleen und Baumreihen. Und der Kasernenplatz tritt endlich wieder als Platz in Erscheinung.»

So sieht das Parkhaus von der Seite in Richtung Reuss aus. (Bild: Bruno Ackermann)

Gleichzeitig hebt der pensionierte Architekt die Vorzüge seines Projekts gegenüber der von der Stadt favorisierten Stadtpassage hervor: «Kürzere Zu- und Wegfahrten von und zur Autobahn sind nirgendwo in Luzern möglich. Mit wenigen Schritten befinden sich die Gäste im historischen Stadtbereich.» Günstiger, schneller realisierbar, keine aufwendigen Tunnel-Arbeiten und ohne Abhängigkeit vom Luzerner Kantonsspital – all das spreche für sein Projekt. Zudem könnte das Gebäude mit Büroräumen genutzt werden, sollte es künftig gar nicht mehr so viele Car-Parkplätze benötigen.

Ackermann nutzt die Gunst der Stunde

Doch im Gespräch mit Ackermann wird schnell auch klar, dass es ihm mit seiner Idee weniger um die Lösung des Car-Problems als um die Reparatur des Kasernenplatzes geht. Er propagiert eine ruhige Architektur und die Fortsetzung der repräsentativen Achsen in Luzern – wie wir sie alle bestens vom National- und vom Schweizerhofquai oder von der Bahnhofstrasse kennen.

So kann man den Architekten durchaus als Opportunisten bezeichnen. Denn es ist nicht das erste Mal, dass er mit einem Projekt für den Kasernenplatz an die Öffentlichkeit geht. Im Rahmen der Uni-Diskussion hatte er bereits einen Entwurf gezeichnet, der jenem des Parkhauses sehr ähnlich war. Und auch in der Diskussion zum Standort der Salle Modulable mischte Ackermann mit – und schlug den Kasernenplatz vor. Jetzt geht es um Car-Parkplätze. Und wieder ist Ackermann zur Stelle und schlägt den Kasernenplatz als Standort vor. Den Kasernenplatz als ewigen Gegner (zentralplus berichtete).

Dasselbe Problem – andere Ideen für den Kasernenplatz

Bruno Ackermann ist aber nicht der einzige Luzerner Architekt, dem dieser Verkehrsknoten mitten in der Stadt ein Dorn im Auge ist. Auch Frieder Hiss verfolgt seit rund 20 Jahren Ideen zur Umgestaltung des Platzes – wenn auch weniger öffentlich als Ackermann. «Ideen für eine attraktive Stadt am Wasser» heisst das private Projekt von Hiss, in welchem er insgesamt 14 Visionen entworfen hat, um den Stadtraum entlang des Sees und der Reuss aufzuwerten (zentralplus berichtete). Nebst Ideen für das Inseli oder den Theaterplatz finden sich dort auch Entwürfe für einen neuen Kasernenplatz.

«Seit Jahren besteht der Eindruck, dass die Stadt unterhalb der Spreuerbrücke abrupt aufhört», erklärt Hiss seine Wahrnehmung dieses Ortes. Darum brauche der Platz ein völlig neues Gesicht. 2012 erfolgte im Rahmen der öffentlichen Mitwirkung ein Antrag von Hiss für die Aufnahme des Kasernenplatzes und der Uferbereiche unterhalb der Spreuerbrücke in eine Schlüsselarealplanung des Luzerner Agglomerationsprogrammes der zweiten Generation. Diesem Antrag wurde zwar stattgegeben – umgesetzt wurde davon bisher aber nichts.

Die Entwürfe von Frieder Hiss sind grossräumiger gedacht als jene von Ackermann und deren Umsetzung deswegen wohl noch unrealistischer. Dennoch lohnt sich ein Blick darauf.

Der künftige Kasernenplatz nach Ideen von Frieder Hiss – im Modell. (Bild: Frieder Hiss)

Hiss schlägt vor, die Ein- und Ausfahrt zur Autobahn in Richtung Hirschengraben zu verschieben. Auch hier würde der Verkehr zwischen Hirschengraben und Baselstrasse künftig direkt und ohne Schwenker über die Militärstrasse ablaufen. «Nur eine innovative neue Lösung des Verkehrskonzepts wird auch zu nachhaltigen Lösungen führen», ist Hiss überzeugt. Er ergänzt: «Diese Korrektur ermöglicht eine markante städtebauliche Neugestaltung mit Bauten, Plätzen und dem wesentlichen Bezug zum Reussufer.»

An der Reuss entsteht ein neuer Lebensraum

Durch die Verschiebung des Autobahn-Anschlusses würden rund 10'000 Quadratmeter Fläche frei werden. Hiss platziert in seinen Entwürfen darauf mehrere Neubauten, die sich um den sogenannten Kurzweil-Platz gruppieren. Dieser ist zur Reuss hin geöffnet, wo ein neuer Steg das linke und das rechte Flussufer miteinander verbindet. Das andere Flussufer soll zusätzlich mit Flussbalkonen belebt werden.

Unterhalb der Spreuerbrücke sieht Hiss zudem eine längliche Mole in der Reuss vor, quasi als Reminiszenz an den früheren Reuss-Sporn und später die Badeanstalt im Mississippi-Dampfer an dieser Stelle. «Mit der Wiederentstehung der Mole würde für die Bevölkerung ein neuer Ort der Erholung mit Ausblick auf den Fluss und die beiden aufzuwertenden Ufer geschaffen», so der Architekt. Ein Comeback des Mississippi-Dampfers hat die Stadt Luzern kürzlich im Zusammenhang mit der Reuss-Oase aus Gründen des Hochwasser-Schutzes ausgeschlossen (zentralplus berichtete). In dieser Hinsicht sei die vorgeschlagene, längliche Mole aber unproblematisch, da sie über Jahrhunderte bestand und den Fluss teilte, betont Hiss.

Gemäss Ideen von Frieder Hiss würde ein neuer Steg das linke und rechte Reussufer miteinander verbinden. (Bild: Frieder Hiss)

«Mit diesen Ideen würden der Kasernenplatz und das Reussufer deutlich aufgewertet und zur wichtigen Nahtstelle zwischen der Innenstadt und den angrenzenden Quartieren.» Zuletzt attestiert er auch dem Entwurf des Car-Parkhauses von Bruno Ackermann, dass es hinsichtlich der Anbindung ans Zentrum und der Kosten «sämtliche Alternativen für Parkhäuser in den Schatten stellen würde». Gleichzeitig findet er aber: «Die Option einer städtebaulichen Aufwertung des Kasernenplatzes wäre mit zwei grossdimensionierten Parkhäusern wäre jedoch damit vertan.»

So stehen die Chancen für die beiden Projekte

Ob Parkhaus oder Kurzweil-Platz – die Chancen, dass eines der beiden Projekte realisiert wird, sind verschwindend klein. Sämtliche Versuche, den Platz aufzuwerten oder zu beleben, sind in den letzten Jahrzehnten gescheitert. Der damalige Stadtarchitekt Jürg Rehsteiner sagte 2016 gegenüber der «Luzerner Zeitung», dass der Kasernenplatz auf der Prioritätenliste der Stadt weit unten stehe. Damit die Wunde im Stadtbild geheilt werde «müsste auf dem Kasernenplatz wohl ein Projekt mit einem sehr hohen öffentlichen Interesse und einer aussergewöhnlichen Nutzung im Raum stehen, wie es seinerzeit der Neubau der Luzerner Uni war.»

Zumindest an einer langfristigen Lösung des Car-Problems in der Stadt Luzern besteht zweifellos ein grosses öffentliches Interesse. Doch ob Car-Parkplätze als aussergewöhnliche Nutzung bezeichnet werden können, darüber lässt sich wohl streiten.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Hugo Ackermann
    Hugo Ackermann, 11.10.2022, 14:24 Uhr

    „»Die sensible Projektumgebung,die hohe Komplexität des Planungsprozess und die Möglichkeit neue städtebauliche Akzente zu setzen erfordern eine frühzeitige fachliche Begleitung der folgenden Planungsschritte.“
    (Kanton Luzern,E-Mitwirkung Testplanung
    DBL/Bahnhofraum durch die Stadt.4.5.21)

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  • Profilfoto von Bruno Ackermann, Architekt
    Bruno Ackermann, Architekt, 11.10.2022, 09:31 Uhr

    Die Gegenüberstellung meines Projekts mit dem Projekt von Herrn Hiss war mit der Redaktion nicht abgesprochen. Sie widerspricht dem Sinn und Geist meiner Philosophie.

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  • Profilfoto von Andreas Irman
    Andreas Irman, 10.10.2022, 22:05 Uhr

    Warum baut man nicht das Theater über den Kasernenplatz? Ein passendes Parkhaus würde jabereits bestehen und der bahnhof währe auch nicht all zu weit entfernt.

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  • Profilfoto von Heinz Gadient
    Heinz Gadient, 10.10.2022, 17:24 Uhr

    Ist doch viel zu weit weg vom Bucherer.

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  • Profilfoto von Häberli Josef
    Häberli Josef, 08.10.2022, 14:42 Uhr

    Das Projekt von Ackermann ist bestechend und sollte man unbedingt weiterverfolgen. Das Projekt von Hiss, das mit mehreren Gebäuden daher kommt, scheint mir zu überfüllt. Einzig die Mole in der Reuss mit Steg könnte man in das Projekt Ackermann integrieren.

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