Verkehr & Mobilität
In die «ÖV-Steinzeit» zurückgeworfen

Der ÖV-Abbau in Luzern sorgt für harsche Kritik

Im städtischen Busnetz wird das Angebot aufs kommende Jahr hin kleiner. (Bild: ewi)

Der ÖV-Fahrplan fürs kommende Jahr steht. Der Verkehrsverbund reduziert auf manchen Linien das Angebot. In der Vernehmlassung ist er dafür mit unzimperlichen Worten kritisiert worden.

Für den Luzerner Verkehrsverbund (VVL) hat es zweifellos schon angenehmere Fahrplanänderungen gegeben als in diesem Jahr. Aus Bern gibt es weniger Geld für den regionalen ÖV. Die Passagierzahlen haben sich nicht auf allen Linien schon gänzlich vom Einbruch durch die Corona-Pandemie erholt (zentralplus berichtete). Das geht nicht spurlos am Luzerner ÖV vorbei.

So sieht sich der Verkehrsverbund gezwungen, das Angebot zu reduzieren. Auf vereinzelten Linien kommt es zwar auch zu einem Angebotsausbau. Doch gerade in der Stadt Luzern und der Agglomeration verkehren ab dem 10. Dezember dieses Jahres weniger Busse (zentralplus berichtete).

Im Mai hatte der VVL den Entwurf für die Fahrplanänderung veröffentlicht und in die Vernehmlassung geschickt. Zahlreiche Parteien, Verbände und auch Einzelpersonen haben diese Gelegenheit genutzt, um sich in die Gestaltung des nächstjährigen Fahrplans einzubringen. Über 200 Rückmeldungen gingen im Rahmen der Vernehmlassung beim VVL ein. Und die meisten davon sparten nicht mit Kritik über den Abbau des Angebots. Die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung sind anonymisiert, die jeweilige Formulierung lässt aber darauf schliessen, dass es sich eher um einen Verband oder eine Einzelperson handelte.

Höhere Preise für kleineres ÖV-Angebot – «Das kann nicht sein»

Insgesamt acht Rückmeldungen gingen zu den Anpassungen auf den städtischen VBL-Buslinien 1, 5, 6, 7 und 8 ein. Hier dünnt der Verkehrsverbund das Angebot ausserhalb der Stosszeiten aus. So meint eine Privatperson zum Angebotsabbau auf diesen Linien: «Ich bitte Sie dringend, auf diesen Abbau – auch auf der Linie 8 – zu verzichten. Falls Sie auch einen Abbau des Angebots an Sonntagen planen, ist das ebenfalls nicht tolerierbar. Förderung des öffentlichen Verkehrs sieht für mich anders aus!»

«Der Kanton Luzern verzeichnet in den letzten Jahren Überschüsse und derweil muss beim ÖV gespart werden?! Das kann nicht sein.»

Rückmeldung Fahrplanentwurf 2024

Auch dass an den Wochenenden, wenn viel Freizeitverkehr herrscht, weniger Busse auf diesen Linien fahren, gefällt nicht allen. «Die Ausdünnung ist unzumutbar, wie man bei intensivem Reiseverkehr an den Busperrons 1 und 2 unschwer feststellen kann», heisst es in einer anderen Rückmeldung. Und ein weiterer Passagier findet: «Der Kanton Luzern verzeichnet in den letzten Jahren Überschüsse und derweil muss beim ÖV gespart werden?! Das kann nicht sein.»

Für den Verkehrsverbund ist die Reduktion des Angebots gleich aus doppeltem Grund unangenehm. Weil aufs nächste Jahr hin steigen gleichzeitig die Ticketpreise im Luzerner Tarifverbund (zentralplus berichtete). So wird in der Vernehmlassung auch kritisiert: «Der angezeigten Angebotsreduktion stehen auf der anderen Seite Preiserhöhungen durch den Tarifverbund Passepartout gegenüber. Dies bedeutet, dass die ÖV-Kundinnen ab Dezember 2023 für weniger Angebot mehr bezahlen müssen.»

So rechtfertigt sich der Tarifverbund

Der VVL nimmt zu jeder einzelnen Rückmeldung der Vernehmlassung Stellung. Das reduzierte Angebot in der Stadt und Agglomeration rechtfertigt der Verbund mit der teils tiefen Nachfrage. «Anpassungen erfolgen somit nur dort, wo es die Nachfrage und die Kapazität erlauben.»

«Mit Schrecken stelle ich fest, dass auf dem Fahrplanentwurf 2024 unsere Haltestelle nur noch im 30-Minuten-Takt bedient wird.»

Rückmeldung Fahrplanentwurf 2024

Auf den betroffenen Linien gebe es den grössten Handlungsspielraum, weil die aktuellen Taktintervalle relativ dicht sind, die Nachfrage ausserhalb der Stosszeiten jedoch klein ist. «Hier bedeutet eine Anpassung ausserhalb der Hauptverkehrszeiten die geringste Auswirkung für die Fahrgäste.» So können Kosten gespart werden, ohne das Angebot insgesamt zu schwächen. Zu den steigenden Preisen im Luzerner ÖV verweist der Verbund auf den dafür zuständigen Tarifverbund Passepartout.

Perlen wird in die «ÖV-Steinzeit» zurückgeworfen

Eine Vielzahl der eingegangenen Meldungen bezieht sich auch auf die Buslinie 22, die zwischen den Bahnhöfen Ebikon und Gisikon über Buchrain und Perlen im Viertelstundentakt verkehrt. Im Fahrplanentwurf fürs kommende Jahr war zwischen Buchrain und Perlen aber nur noch ein Halbstundentakt vorgesehen. Das sorgte in der Vernehmlassung für heftige Kritik.

Trotz immer noch tieferen Pendlerzahlen machte die Auto AG Group 2021 mehr Umsatz.
Linien im ländlichen Gebiet, welche beispielsweise durch die Auto AG Rothenburg abgedeckt werden, sind weniger stark vom Abbau betroffen. (Bild: Auto AG Group)

«Mit Schrecken stelle ich fest, dass auf dem Fahrplanentwurf 2024 unsere Haltestelle nur noch im 30-Minuten-Takt bedient wird», schreibt eine Privatperson. Eine andere kommentiert, dass Perlen damit gar in die «ÖV-Steinzeit» zurückgeworfen wird.

In diesem Fall hat der VVL jedoch gute Nachrichten für die verärgerten Bürgerinnen. Im Fahrplanentwurf für die Linie 22 ist dem Verband ein Fehler unterlaufen, worauf nicht mehr alle Kurse aufgelistet wurden. Der VVL stellt in der Vernehmlassung klar: «Alle Kurse fahren weiterhin wie gewohnt.»

Die konstruktive Seite der Vernehmlassung

Zudem zeigt die Fahrplanänderung fürs kommende Jahr, dass die Vernehmlassung keine Alibi-Übung ist. Allerdings braucht es dafür eine starke Mobilisierung. Den Einwohnern und Einwohnerinnen von Schlierbach ist das gelungen. Sage und schreibe 39 Rückmeldungen gingen nämlich zur Linie 83 zwischen Sursee und Etzelwil bei Schlierbach ein.

Das Problem: In Schlierbach gibt es kein Oberstufenschulhaus, die Jugendlichen müssen nach Triengen oder Sursee in die Schule. Weil es über den Mittag aber keine Busverbindung zurück nach Schlierbach gibt, können die Schülerinnen und Schüler nicht nach Hause – eine Vielzahl von Elterntaxis ist gemäss Vernehmlassung darum die Folge.

Die FDP Schlierbach hat darum einen Vorschlag erarbeitet, der im Dorf viel Unterstützung erhielt. Der Mittagskurs von Etzelwil nach Sursee fährt nur noch nach Büron und wendet dort. In Büron besteht ein Anschluss an die Linie 85 aus Triengen, sodass die Jugendlichen umsteigen und anschliessend nach Schlierbach fahren können.

«Der Vorschlag ist sehr pragmatisch und kann ohne zusätzliche Personal- und Fahrzeugkosten umgesetzt werden», kommentiert die FDP ihren Vorschlag. Argumente, die den Verkehrsverbund offenbar überzeugt haben. Er setzt die Idee mit dem kommenden Fahrplanwechsel um. Der neue Fahrplan 2024 bringt also nicht nur Frust, sondern auch Freude.

Verwendete Quellen
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