Velofahrer sind über neue Verkehrsführung besorgt

Darum könnte der Chamer Kreisel im Dorf wichtig werden

Lauschig ist es noch nicht, das Zentrum der Gemeinde Cham. (Bild: wia)

Sobald die Umfahrung Cham-Hünenberg eröffnet wird, verändert sich das Dorfzentrum von Cham. Am Dienstagabend war die Bevölkerung eingeladen, mitzureden und ihre Sorgen mit den Projektverantwortlichen zu teilen. Besonders Velofahrer äusserten dabei ihre Bedenken.

Dass es die Umfahrung Cham-Hünenberg (UCH) braucht, zeigt der Feierabendverkehr an diesem Dienstagabend exemplarisch. Auf den Strassen Chams herrscht stockender Verkehr, die Autofahrerinnen brauchen, wie jeden Abend, Geduld.

Während sich draussen Auto an Auto reiht, befasst man sich drinnen im Lorzensaal gedanklich schon mit der (verkehrsberuhigten) Zukunft. Denn sobald die UCH im Jahr 2027 eröffnet wird, bricht für den Chamer Gemeindekern ein neues Zeitalter an: das Zeitalter des «autoarmen Zentrums». Nur noch gerade ein Drittel der Autos, die heute durchs Dorf fahren, wird es künftig gemäss Berechnungen noch sein.

Blau eingezeichnet ist die Umfahrung Cham-Hünenberg, wie sie ab 2027 in Betrieb sein sollte.
Der Plan zur Umfahrung Cham-Hünenberg. (zvg Kanton Zug)

Damit dieses Szenario tatsächlich eintritt, wurden nach dem positiven Volksentscheid zur UCH flankierende Massnahmen definiert. Diese besagen unter anderem, dass Automobilistinnen nur dann in den Ortskern fahren dürfen, wenn sie länger als zehn Minuten dort verweilen. An mehreren Eingangstoren werden zu diesem Zweck die Nummernschilder der Autos gefilmt. «Der Datenschutz ist gewährleistet», beteuert der Zuger Baudirektor Florian Weber, der an der Mitwirkung zum autoarmen Zentrum anwesend ist.

Wer also künftig nur durchs Dorf fährt, weil es schneller ist, wird gebüsst. Ausser man fährt ins Zentrum, um beispielsweise jemanden aussteigen zu lassen, und durch dieselbe Pforte wieder zurück. Weiter gilt im ganzen Perimeter künftig Tempo 30.

Abends dauert die Fahrt durch die Gemeinde Cham jeweils etwas länger. (Bild: wia)

Gemeinde holt die Bevölkerung an Bord

Neben den flankierenden Massnahmen will die Gemeinde ihr Zentrum neu gestalten. Den entsprechenden Projektwettbewerb hat das Zürcher Landschaftsarchitektur-Büro Cyclus kürzlich gewonnen (zentralplus berichtete). Dieses setzt auf Verkehrssicherheit, auf eine bessere Aufenthaltsqualität sowie auf sogenannte Naturwerte, also bewusst eingesetzte bewachsene Flächen.

Vier Jahre vor der Umsetzung – sofern der Baukredit dereinst vom Zuger Kantonsrat abgesegnet wird – ist die Flughöhe des Projekts noch ziemlich hoch. Dennoch hat die Gemeinde ihre Einwohner schon jetzt auf den Plan gerufen. Die Verantwortlichen möchten von den Chamern wissen, was ihnen bei einer Zentrumsaufwertung wichtig ist.

Eine Möglichkeit, die sich viele Einwohner nicht entgehen lassen. Die schriftlich oder mündlich gestellten Fragen am Dienstagabend sind mannigfaltig, auch wenn sich bereits herauskristallisiert, wo der Schuh drückt. Der Verkehr ist für viele ein Thema. Wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven.

Und wenn der 40-Tönner im Dorf wenden muss?

Jean Luc Mösch, Präsident des Chamer Gewerbevereins, will etwa wissen, wie denn ein Mähdrescher mit Überbreite mit einem Bus kreuzen solle, wenn doch geplant sei, dass die Fahrbahn künftig nicht mehr 9,5 sondern nur noch 6,5 Meter betrage. Denn wohl gelte das Durchfahrtsverbot für Otto Normalverbraucher in seinem Audi, nicht aber für Landwirtschaftsfahrzeuge, Zubringer und Busse. Die Frage wird nicht abschliessend beantwortet. Das muss sie aber auch nicht. Wichtig ist zum jetzigen Zeitpunkt, dass die Fragen aufgenommen werden, damit sie später in die Verkehrsplanung einfliessen können.

Ein weiterer Einwohner wundert sich über die geplante Aufhebung der beiden Kreisel im Zuge der Zentrumsaufwertung. «Und dann verirrt sich ein 40-Tönner aus Dänemark bei uns, merkt, dass er falsch gefahren ist und wenden muss. Das ist ziemlich gefährlich. Aus diesem Grund stelle ich den Antrag, dass zumindest ein Kreisel bestehen bleibt.»

Am liebsten ohne Fussgängerstreifen

Gemäss dem Vorschlag des Büro Cyclus sollen die Fussgängerquerungen künftig nicht mehr mit einem Fussgängerstreifen signalisiert werden, sondern mit anderen Mitteln wie etwa einer spezifischen Beleuchtung. Auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum erklärt der verantwortliche Landschaftsarchitekt Adrian Ulrich: «Es gibt Beispiele von Ortskernen, in denen es sehr gut ohne Fussgängerstreifen funktioniert. Uns wäre das aus gestalterischer Perspektive lieber. Das lässt sich jedoch problemlos anpassen.»

Nicht alle getrauen sich, direkt im Plenum Fragen zu stellen. Ein älterer Herr geht nach der Präsentation durch die Sitzreihen und knurrt leise vor sich hin: «Vom Velo hat wieder mal keiner geredet.» Darauf angesprochen, verrät der Senior, dass er seit Jahrzehnten passionierter Velofahrer sei und täglich mehrmals durchs Dorf fahre.» Wenig später scheint er jedoch besänftigt. An den vier «Marktständen» im Saal, an denen man sich individuell informieren und Inputs einbringen kann, äussern auch einige Velofahrerinnen schriftlich ihre Bedenken.

Interessierte scharen sich um das Modell zum verkehrsarmen Zentrum von Cham. (Bild: zvg)

Besorgte Velofahrer und Allergikerinnen

«Muss der Radfahrer wegen fehlender Busbuchten und Radstreifen hinter dem haltenden Bus warten?», ist auf einem Zettel zu lesen. Tatsächlich sollen im Zuge der Zentrumsaufwertung beide strassenbaulichen Elemente aufgehoben werden. Eine Person doppelt auf einem anderen Zettel mit einer grundsätzlichen Frage nach: «Ist die Sicherheit für Velos ohne Velostreifen gewährleistet?»

Mehrere Chamer machen sich Sorgen, dass gewiefte Autofahrer Schleichwege finden und damit die Pforten umgehen könnten. Eine weitere Frage, deren Antwort zu erfahren spannend wäre, ist die folgende: «Wird der Verkehr bei einem grösseren Verkehrsunfall auf der UCH durch Cham geführt? Und was würde das für das Pfortensystem bedeuten?»

Jemand – ein Allergiker? – wünscht sich bei der Begrünung des Perimeters «Bäume, die keine Allergien auslösen». Weiter wird für eine dringende Belebung des Dorfplatzes plädiert. Zu guter Letzt sollen bei der Aufwertung auch die Bedürfnisse der Kinder nicht vergessen werden.

Nun wird das Vorprojekt erarbeitet

Die öffentliche Mitwirkung endet mit vielen offenen Fragen und Anliegen. Das soll auch so sein. Beim Vorprojekt, das in diesem Jahr erarbeitet wird, werden die geäusserten Bedürfnisse der Chamer genauer unter die Lupe genommen, bevor das ausgereifte Projekt im Rahmen einer weiteren öffentlichen Mitwirkung erneut mit der Bevölkerung besprochen wird.

Eine Antwort liefert Regierungsrat Florian Weber bereits an diesem Abend. Was, wenn der Kantonsrat Nein sagt zum Baukredit für die Zentrumsaufwertung? «Dann bleibt der Status Quo bestehen, einfach mit den flankierenden Massnahmen. Also inklusive 30er-Zone und Pforten. Die sind gesetzt.» Er sei jedoch zuversichtlich, dass der Kantonsrat das Projekt unterstützen werde.

Diese Unsicherheit wird nun noch einige Jahre bestehen, denn das Kantonsparlament entscheidet erst nach der Eröffnung der Umfahrungsstrasse, also frühstens 2027, über besagten Kredit.

Wenn abgelehnt?

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Stefan
    Stefan, 31.03.2023, 10:32 Uhr

    Ist schön und gut aber Tempo 30 und man darf nicht durchfahren? Lächerlich. Man sollte überall fahren dürfen, wo man fahren möchte und Tempo 30, ich lebe ein Lebenlang in Cham, für mich fühlt es sich nicht nach einem Dorf an. Wo bleibt denn die Freiheit….

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