Das ist die grösste Schweizer Stadt ohne Bahnhof im Zentrum
Das neue Stadthaus zeigt, was die Stadt will: ein starkes Zentrum. (Bild: zvg)
Kriens hat zwar einen Bahnhof – doch der liegt weitab vom Zentrum. Ein Experte findet, das Potenzial für den Bahnverkehr müsse «aktiviert» werden. Die Stadt scheint derweil zufrieden zu sein.
In einigen Monaten wird die Stadt Kriens die 30'000-Einwohner-Marke knacken. Grosse Wohnbauprojekte in Obernau und Nidfeld sind fertig, am Pilatus Tower wird fleissig gebaut. Die Dynamik steht auf Wachstum und doch fehlt ein entscheidender Faktor.
Denn Kriens ist die grösste Stadt der Schweiz ohne Bahnschluss im Zentrum. Dies geht aus einer neuen Studie des Luzerner Verkehrsplaners Philipp Morf hervor. Kürzlich warb er gemeinsam mit dem Ex-SBB-Chef Benedikt Weibel für eine effizientere Nutzung des Schienennetzes, was landesweit für Aufruhr sorgte (zentralplus berichtete).
Krienser Bahnanschluss ist «ungenügend»
Nun hat er sich mit seinem Team den Zuganschluss von Städten angeschaut. Das Ergebnis: 21 Städte mit mehr als 10’000 Einwohnern haben keinen oder nur einen ungenügenden Bahnanschluss. Das bedeutet keinen vom Zentrum zu Fuss erreichbaren Bahnhof oder nur einen Anschluss mit einer Vorortsbahn, einem Tram oder einem Bus. Morf sagt: «Die Stadt Kriens führt diese Liste in Punkto Grösse mit weitem Abstand an.»
Weil Kriens Mattenhof, die einzige Zughaltestelle im Stadtgebiet, weit weg vom Zentrum liegt, wurde sie in der Studie nicht gezählt. Vom Krienser Zentrum fahren nur Busse – und zwar die häufig verspäteten Buslinien 1 und 5. Für deren Beschleunigung ist zwar eine Busspur Richtung Stadt Luzern geplant, vor der Fertigstellung des Durchgangsbahnhofs Luzern (DBL) wird sie aber nicht gebaut (zentralplus berichtete).
Mit dem DBL kriegt auch die Agglomeration schnellere Zugverbindungen
Doch bis das Jahrhundertprojekt fertig ist, kann es dauern. Die SBB rechnen mit 11 bis 13 Jahren Bauzeit und 3,3 Milliarden Franken Baukosten. Ob der DBL ab Anfang der 2030er-Jahre realisiert wird, entscheidet das Bundesparlament mit der Botschaft 2026 in Kürze. Für die Agglomeration Luzern hängt einiges davon ab.
Die heutige DBL-Planung beinhaltet zwei Tunnel und einen Tiefbahnhof. Durch die neuen Gleise in der Tiefe sollen Gemeinden rund um Luzern künftig von schnelleren Verbindungen profitieren, zum Beispiel durch Direktzüge von Emmenbrücke nach Zug (zentralplus berichtete). Eine Anbindung von Kriens mit der Bahn ist nicht Teil der Planung. Nicht mehr.
Früher in der Planung des DBL wurde über eine Bahnstrecke nach Kriens debattiert. Eingebracht hatte diese Idee die SVP Kriens. Wenn Milliarden in den Bahnverkehr im Grossraum Luzern fliessen, könnte man doch alle grossen Agglomerationsgemeinden berücksichtigen, so der Gedanke. Geplant war eine zweigleisige Strecke von Ebikon via Tiefbahnhof nach Kriens und nach Littau (zentralplus berichtete).
Doch die Idee konnte sich nicht durchsetzen. Wegen schwieriger Baugrundverhältnisse zwischen Luzern und Littau und wegen den unterirdischen Haltestellen hätte der Bau 3,9 Milliarden Franken gekostet. Der Bund und der Regierungsrat befürworteten daher die heutige, günstigere Variante für den DBL.
Was bedeutet: Wenn der Tiefbahn fertig ist, erhält die Stadt Kriens lediglich ihre versprochene Busspur. Philipp Morf, der die Studie zum Bahnanschluss grosser Schweizer Städte durchgeführt hat, findet, eine wachsende Stadt mit 30'000 Einwohnern könne mehr erreichen. «Die Frage ist, wie man das Potenzial von Kriens für die Bahn aktiviert.»
Stadt Kriens will DBL nicht verkomplizieren
Die Stadt Kriens gibt sich auf Anfrage zurückhaltend. Eine Berücksichtigung der Stadt im Rahmen der DBL-Planung, würde das «ohnehin bereits hochkomplexes Vorhaben zusätzlich massiv verkomplizieren».
Einen neuen Bahnhof im Zentrum hält die Stadt für unrealistisch. «Ein Bahnanschluss im Zentrum von Kriens tönt zwar verlockend – ist gleichzeitig aber weit weg von dem, was städteplanerisch als realistisch scheint.» Kriens setze auf «flexiblere» und «weniger aufwendige» Mobilitätsformen, zum Beispiel den ÖV, Autoverkehr sowie bessere Velo- und Fusswege. Zumal der Bahnhof Luzern mit dem Velo oder Bus von Kriens nur wenige Minuten entfernt sei und sich rund um Mattenhof ein «vollwertiger Stadtteil mit urbanem Charakter» entwickelt habe.
Die fehlende Anbindung ans Schienennetz im Zentrum sei «historisch gewachsen». Denn: «Die Talsituation von Kriens macht es enorm anforderungsreich, einen betriebswirtschaftlich sinnvollen Anschluss ans Schienennetz zu betreiben.» Zwischen den 1860er- und 1960er-Jahre gab es eine elektrisch betriebene Strassenbahn ins Krienser Zentrum. Sie musste jedoch dem Bus weichen. Übrig bliebt das «Bahnhöfli» (zentralplus berichtete).
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.
Ein sehr bemerkenswerter Satz im Bericht oben:
Geplant war eine zweigleisige Strecke von Ebikon via Tiefbahnhof nach Kriens und nach Littau. Doch die Idee konnte sich nicht durchsetzen. Wegen schwieriger Baugrundverhältnisse zwischen Luzern und Littau und wegen den unterirdischen Haltestellen hätte der Bau 3,9 Milliarden Franken gekostet.
So ein Unsinn. Die weitaus schwierigsten Baugrundverhältnisse durchquert der Durchgangsbahnhof in Luzern im See und unter dem Bahnhof und unter dem Neustadtquartier. Danach würde es für den zusätzlichen Anschluss von Kriens nur noch einfach. Der Durchgangsbahnof kostet 3-4 Milliarden. Wie kommt man da für den zusätzlichen Anschluss von Kriens auf die 3.9 Milliarden? Ganz einfach: man will den Anschluss nicht!
Walter Albrecht, 26.10.2024, 16:02 Uhr
Die Stadt Kriens gibt sich zurückhaltend: Alle warten auf den Traumbahnhof DBL, der vielleicht gar nicht gebaut wird, oder nur teilweise. Bis das der Fall ist, wird die Mobilität
in der ganzen Agglomeration noch öfter und länger im Stau stehen. Beim eigentlichen Bauvorhaben wird die Mobilität noch massiver beeinträchtigt werden. Wann merkt man, dass das DBL-Projekt aus der Zeit gefallen ist und sinnvollere, billigere und weniger beeinträchtigende Lösungen für den nationalen Bahnverkehr und ein gutes S-Bahnnetz vorteilhafter und rascher zu verwirklichen wären ? Das Bussystem lässt sich nur minimal
verbessern. Durchmesserlinien sind ja auch erst nach Erstellen des DBL vorgesehen und
auf den schmalen Hauptachsen schwierig zu verwirklichen gegen den Widerstand des
motorisierten Individualverkehrs.