Bringt der «Schüttelzug» Luzern um den Durchgangsbahnhof?
Weil die SBB ihre als «Schüttelzüge» bekannten Schnellzüge nicht mit vollem Tempo durch die Kurven fahren lassen, braucht es teure Neubaustrecken. Leidtragender könnte der Luzerner Durchgangsbahnhof sein.
Mit einer Reihe von kritischen Fragen haben sich Zentralschweizer Ständeräte an den Bundesrat gewandt. Die Landesregierung soll beantworten: Wie kann der rechtzeitige Bau des Durchgangsbahnhofs Luzern (DBL) gelingen – trotz der erwarteten 14 Milliarden Franken Mehrkosten beim Bahnausbau?
Die massive Kostensteigerung für den Ausbauschritt 2035 wurde Ende November bekannt (zentralplus berichtete). Das sorgte in der Zentralschweiz für die Sorge, der Bund könnte den DBL zurückstellen.
Kürzlich ist daher eine Delegation der Kantone Obwalden, Nidwalden und Luzern nach Bern gereist, um mit drei Standesinitiativen für eine Eröffnung des Tiefbahnhofs in Luzern im Jahr 2040 zu werben (zentralplus berichtete). Nun fassen etablierte Ständeräte in Bern mit einer Interpellation nach – und einer steilen These.
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In der nun eingereichten Interpellation nennt die Luzerner Ständerätin Andrea Gmür (Mitte) drei Gründe für die Milliarden an Mehrkosten beim Bahnausbau: neue Planungsgrundlagen, den Verzicht von kurvenschnellem Fahren mit Doppelstockzügen und daraus resultierende «Reparaturmassnahmen» auf dem Bahnnetz.
Diese Situation werfe Fragen auf, finden auch die Urner Ständeräte Josef Dittli (FDP) und Heidi Z’graggen (Mitte) sowie ihr Luzerner Ratskollege Damian Müller (FDP) und der Obwaldner Erich Ettlin (Mitte). Sie alle haben den Vorstoss mitunterzeichnet. Dabei geht es um folgendes:
Züge für kurvenschnelles Fahren – SBB bauen die Technik jetzt teuer aus
Im Jahr 2022 entschieden die SBB, auf die sogenannte Wako-Technologie in den Doppelstockzügen FV-Dosto zu verzichten. Diese hätte kurvenschnelles Fahren ermöglicht und damit Zeitgewinne verschafft. So schnell durch die Kurven zu fahren, wäre aber für die Fahrgäste nicht angenehm, erklärte die SBB-Präsidentin Monika Ribar vor wenigen Wochen gegenüber «Watson».
Daher wird die Technologie, einst ein Argument für die Anschaffung der Züge, nun wieder für einen «hohen zweistelligen» Millionenbetrag ausgebaut. Und das Netz braucht «Reparaturmassnahmen», teilweise stehen auch kostspielige Ausbauten zur Debatte.
Ein Beispiel: Um kürzere Fahrzeiten etwa zwischen Bern und Lausanne und Winterthur und St. Gallen zu ermöglichen, werde es statt schneller Züge wohl teure Neubaustrecken brauchen, mutmasst «CH Media». Zumindest auf einigen Abschnitten.
Wegen «technischen Problems» brauche es Ausbauten, sagt Gmür
In den Medien wird der Zug wegen seiner unruhigen Fahrweise auch gern als «Schüttelzug» bezeichnet. Auch Pannen und Ausfälle mussten die SBB mit den vor zehn Jahren angeschafften Fernverkehrs-Doppelstockzügen schon verleiden.
Ein Sprecher der Herstellerfirma Alstom weist die Vorwürfe gegenüber zentralplus zurück: «Der FV Dosto ist seit mittlerweile Jahren der zuverlässigste Zug der SBB-Fernverkehrsflotte». Er besteche durch hohe seine hohe Kapazität und Sprintstärke, um Verspätungen aufzuholen. «Aber hat ein Zug mal ein Branding, wird er das nicht mehr los, egal ob berechtigt oder nicht.»
Gmür und Co. interessiert nicht die Qualität der Züge. Die Ständeräte wollen in ihrer Interpellation vom Bundesrat wissen, wie es zu rechtfertigen sei, wegen eines «technischen Problems» bei diesen Zügen den «gesamten Bahnausbau in anderen Regionen um Jahrzehnte zu verunmöglichen».
Denn die neu kommunizierten Mehrkosten beim Bahnausbau – ein Teil scheint auf die Umstände rund um den «Schüttelzug» zurückzuführen sein – sind für die Verfechter des DBL in der Zentralschweiz – und auch für die Basler mit ihrem gewünschten Ausbau im S-Bahn-System namens «Herzstück» – eine schlechte Nachricht. Denn das Geld ist ohnehin schon knapp. Die Mittel für den Durchgangsbahnhof könnten nun fehlen – oder später zur Verfügung gestellt werden.
Bundesrat beantwortet Fragen bis zum Frühjahr
Weiter fragen die Ständeräte, welche «Reparaturmassnahmen» mit dem Ausbauschritt 2035 für die Zentralschweiz vorgesehen sind und wie sichergestellt wird, dass mit der Botschaft 2026 genug Geld für «dringend notwendige» Grossprojekte wie den DBL zur Verfügung steht.
Der Bundesrat beantwortet die Interpellation der Ständeräte aus Luzern, Uri und Obwalden voraussichtlich bis zur Frühjahrssession schriftlich.
Hinweis: Die Stellungnahme von Alstom wurde wenige Stunden nach der Veröffentlichung ergänzt.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.