Abstimmung am 18. Juni

Beromünster: Darum ist die 70-Millionen-Strasse so umstritten

Der Flecken in Beromünster soll vom Durchgangsverkehr befreit werden. (Bild: Emanuel Ammon)

Der Kanton Luzern stimmt im Juni über die Umfahrungsstrasse in Beromünster ab. Das 70-Millionen-Projekt entfacht hitzige Diskussionen. zentralplus fasst zusammen.

Strassenbauprojekte hatten im Kanton Luzern bisher einen leichten Stand. 2021 stimmte die Bevölkerung im Frühjahr über einen Ausbau der Strasse in der Lammschlucht im Entlebuch ab, im Herbst dann über den Ausbau der Rengglochstrasse. Beide Vorlagen wurden mit einem überwältigenden Ja-Anteil von über 80 Prozent der Stimmen angenommen.

Nun steht die nächste Abstimmung zum Strassenbau an. Am 18. Juni stimmt der Kanton Luzern über die Umfahrungsstrasse in Beromünster ab. Das Projekt verfolgt die Idee, den historischen Dorfkern, den Flecken, vom Durchgangsverkehr zu befreien. Doch anders als bei der Lammschlucht und beim Renggloch ist diese Vorlage umstritten. zentralplus fasst die Diskussion zur bevorstehenden Abstimmung zusammen.

Die Umfahrungsstrasse

Der Widerstand gegen die neue Strasse richtet sich zum einen gegen deren Grösse. Tatsächlich stösst der Kanton Luzern mit dem Projekt in neue Sphären vor. 70 Millionen Franken soll die neue Strasse kosten. Das sind nochmals 20 Millionen Franken mehr, als für die Sanierung der Rengglochstrasse gebraucht wurden. Allein im Verlauf der Planung wurden die ursprünglich geschätzten Kosten von 60 Millionen Franken nochmals um zehn Millionen erhöht (zentralplus berichtete).

Die West-Ost-Umfahrung führt bogenförmig im Norden um das Dorfzentrum herum. (Bild: Kanton Luzern)

Mit dem Geld will der Kanton eine 1,4 Kilometer lange, komplett neue Strasse bauen. Die neue Strasse führt über mehrheitlich unverbaute Grünflächen im Norden um den Dorfkern Beromünster vorbei. Unter anderem müsste das Altersheim Bärgmättli der neuen Strasse weichen.

Kernstück der neuen Umfahrungsstrasse ist eine 100 Meter lange und 17 Meter breite Brücke über die Wyna. Weiter sind entlang der Strasse zwei neue Kreisel geplant. Für den Langsamverkehr sind beidseitige Velostreifen und auf einer Strassenseite ein neues Trottoir vorgesehen.

So sieht die geplante Umfahrung in Beromünster aus. (Bild: Swiss Interactive AG)

Für den Kanton ist das Projekt unbestritten

Trotz hoher Kosten und grossen Landverbrauchs steht der Kanton Luzern überzeugt hinter dem Projekt. «Ohne den Durchgangsverkehr steigen Lebensqualität und Verkehrssicherheit, und nicht zuletzt können wir die historische Bausubstanz im Flecken schonen», lässt sich Baudirektor Fabian Peter in einer Medienmitteilung des Kantons zitieren.

Das Ziel des Projekts ist klar: Durch den Flecken sollen künftig weniger Autos fahren. Heute sind es knapp 10'000 Autos, die täglich durch den Dorfkern fahren. Der Durchgangsverkehr schadet nicht nur der Aufenthaltsqualität und macht viel Lärm, sondern zehren die Erschütterungen durch den Verkehr auch an der historischen Bausubstanz.

Ein überparteiliches Ja-Komitee, dem nebst vorwiegend bürgerlichen Politikerinnen auch wenige Kantonsräte der SP und der GLP angehören, sieht das gleich. Die neue Strasse schaffe im Dorfkern mehr Verkehrssicherheit, zumal die Strecke auch ein Schulweg sei. Zudem lobt das Komitee die Gestaltung der neuen Strasse: «Die Umfahrungsstrasse bettet sich stimmig in die Umgebung ein. Der Verlust an Kulturland ist gering», schreibt es auf seiner Website.

Gegner finden neue Strasse überdimensioniert

Gegen die neue Strasse hat sich ein breites Komitee aus grünen Parteien und Umweltverbänden formiert. Die Hauptkritikpunkte des Nein-Komitees sind nicht neu. «Wer Strassen sät, erntet Verkehr», kritisiert beispielsweise der abgewählte GLP-Kantonsrat András Özvegyi. Die neue Strasse sei deshalb nicht mit den Mobilitäts- und Klimazielen des Kantons vereinbar, welcher sich auf die Fahne geschrieben habe, den Verkehr zu reduzieren.

«Mit der Umfahrung wird das Ortsbild unwiderruflich zerstört.»

Nein-Komitee

Zudem kritisiert das Nein-Komitee, dass die neue Strasse überdimensioniert sei. Kosten und Nutzen würden nicht übereinstimmen, weil die Strasse zwar sehr teuer sei, die Verkehrsprobleme von Beromünster aber nicht löse, sondern lediglich verschiebe.

Die Gegnerinnen schlagen deshalb eine Tempo-30-Zone und einen lärmarmen Belag im Flecken vor. Für viel weniger Geld könne das Lärmproblem im Dorfkern so deutlich reduziert werden, ist das Nein-Komitee überzeugt (zentralplus berichtete).

Die Sache mit dem Ortsbildschutz

Die Kritik des Nein-Komitees dreht sich aber nicht nur um verkehrstechnische Fragen. Die Gegner sehen wegen der neuen Strasse auch das historische Ortsbild Beromünsters gefährdet. Dieses ist im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder Isos eingetragen. «Mit der Umfahrung wird das Ortsbild unwiderruflich zerstört», so das klare Verdikt des Komitees. Dies, weil mit der Strasse Freiflächen ausserhalb des Fleckens überbaut werden, welche auch Teil des geschützten Ortsbildes sind. Die Gegnerinnen fordern deshalb ein Gutachten des Bundes, das einschätzt, wie stark die Umfahrungsstrasse das Ortsbild beeinträchtigt.

«Für uns ist es wichtig, dass der Flecken endlich vom Verkehr entlastet wird, welcher grosse Schäden an den Gebäuden verursacht.»

Cony Grünenfelder, kantonale Denkmalpflegerin Luzern

Dieses Gutachten hat aber weder der Kanton noch die Gemeinde eingeholt. Der Kanton argumentiert, dass es sich beim Bau der neuen Strasse nicht um eine Bundesaufgabe handle. Darum sei nicht der Bund, sondern der Kanton für diese Einschätzung zuständig. Die kantonale Denkmalpflegerin Cony Grünenfelder betonte im Februar dieses Jahres gegenüber dem «Regionaljournal Zentralschweiz», dass die Denkmalpflege bei der Planung der Strasse involviert gewesen sei.

«Für uns ist es wichtig, dass der Flecken endlich vom Verkehr entlastet wird, welcher grosse Schäden an den Gebäuden verursacht», sagte Grünenfelder im Radio. Dass also ausgerechnet die Denkmalpflege den Ortsbildschutz anders interpretiert als das Nein-Komitee, zeigt die verzwickte Ausgangslage vor der Abstimmung deutlich auf.

Im bürgerlich dominierten Kanton Luzern wäre ein Nein zur Umfahrungsstrasse trotzdem eine dicke Überraschung (zentralplus berichtete). Beim zu erwartenden Ja ist der Bau der Strasse aber noch nicht unter Dach und Fach. Denn der VCS Luzern hat wegen des fehlenden Gutachtens eine Einsprache gegen das Projekt eingereicht. Vor dem Bau droht also erst noch ein Rechtsstreit.

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15 Kommentare
  • Profilfoto von Quasimodo
    Quasimodo, 27.05.2023, 17:44 Uhr

    Dem Stimmbürger werden mal die Gesamtkosten von 70 Millionen vorgesetzt. Ich hoffe, dass man bei diesem horrenden Betrag schon mögliche Kostenüberschreitungen einkalkuliert hat. Die Ostumfahrung beinhaltet die teure Wina-Querung und die Abwertung und Abschneidung eines gut besonnten Wohnquartieres. Meines Erachtens würde eine Westumfahrung, welche einfacher zu bewerkstelligen wäre, bereits eine
    Abhilfe verschaffen und die Verkehrssituation in Beromünster hälftig entlasten.

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  • Profilfoto von Armando
    Armando, 26.05.2023, 22:48 Uhr

    Bis in 1970er-Jahre war Beromünster an das SBB-Netz angeschlossen, das Bahnhofgebäude steht noch heute. Es wäre also eine kleine Sache, die bestehende Linie Menziken – Beromünster wieder in Betrieb zu nehmen.

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    • Profilfoto von diego
      diego, 11.06.2023, 17:45 Uhr

      Hallo Armando,

      der Bahnhof genauso wie die Strecke sind weg und überbaut.
      Eine verfehlte Verkehrspolitik vermutlich der 90iger, die Bahn war mindestens bis ende 80iger oder 90iger in Betrieb. Ein genaues Datum hab ich leider nicht mehr, mag mich nir noch an ein Gespräch mit dem Kondikteur einem um 7 ecken verwandten Onkel erinnern, dürfte so etwa vor 25 – 30 Jahren gewesen sein…

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  • Profilfoto von Landberner
    Landberner, 26.05.2023, 22:24 Uhr

    Immer noch wie 1980: Mehr Umfahrungen, mehr Untertunnelungen, mehr Viadukte! – Wir haben nicht zu wenig Strassen, sondern zu viele Autos.

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  • Profilfoto von Häxli81
    Häxli81, 26.05.2023, 19:08 Uhr

    Ganz zu schweigen das mit der Umfahrung auch der Schulweg sicherer wird.
    Den Tempo 30 ist keine Lösung zu Stosszeiten kann man gar nicht schneller fahren.
    Und der Fussgänger beim Ochsen wäre nicht mehr so gefährlich. Für das wurde von der Nein Partei noch kein Vorschlag gemacht wie der sicherer werden könnte und wir hätten auch keine Lastwagen mehr im schönen Dorfkern.

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  • Profilfoto von C. Bucher
    C. Bucher, 26.05.2023, 16:31 Uhr

    Ein schlecht durchdachtes und überteuertes Projekt, das dem Namen Umfahrungsstrasse nicht gerecht wird! Denn: Nur der Flecken wird umfahren, Beromünsters und Gunzwils Wohnquartiere hingegen «durchfahren».
    Diese Hauseigentümer können mit einem ziemlichen Wertverlust rechnen, und die AnwohnerInnen mit einer langen Bauzeit, viel Lärm, mittelfristig mit mehr Verkehr, auch Schwerverkehr.

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    • Profilfoto von Hanswurst
      Hanswurst, 26.05.2023, 20:04 Uhr

      Umfahrungsstrassen mutieren leider oft zu künftigen Erschliessungsstrassen neuer Streusiedlungen. Beispiel Greppen.

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  • Profilfoto von Sarah
    Sarah, 26.05.2023, 13:21 Uhr

    Korrektur: Das Altersheim wird sowieso an einem neuen Standort gebaut, egal ob die Umfahrungsstrasse kommt oder nicht.

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    • Profilfoto von lmeier
      lmeier, 04.06.2023, 11:33 Uhr

      Wer sagt denn das? Eine Einzonung ist doch noch längst keine Baubewilligung! P.S. Ob die dazugehörige 4.6 Mio teure Tiefgarage bereits in den Bifangs-Alterssiedlung-Kosten von 37 Mio eingeplant sein mag?

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  • Profilfoto von Else
    Else, 26.05.2023, 11:50 Uhr

    wie wäre eine Untertunnelung, Beromünster Befreit Umgebung geschont, Der zug wurde ja weggenommen ,leider

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    • Profilfoto von mvonrotz
      mvonrotz, 26.05.2023, 12:09 Uhr

      Es ist doch jetzt schon viel zu teuer – als Tunnel wahrscheinlich dann x 3.

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  • Profilfoto von Jo Heller
    Jo Heller, 26.05.2023, 07:14 Uhr

    Wenn schon gross denken, dann sollte man lieber über eine Eisenbahnstrecke nachdenken. Das wäre nachhaltig.

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    • Profilfoto von Peter Bitterli
      Peter Bitterli, 26.05.2023, 13:57 Uhr

      Das wäre dann eine Privatbahn, bezahlt vom Kanton? Vielleicht im Lilliputformat mit wechselnden Gemeinderäten vorne auf der Dampflok?

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    • Profilfoto von Hanswurst
      Hanswurst, 26.05.2023, 14:56 Uhr

      … also einfach Verlängerung der bewährten Strassenbahn Suhr-Menziken um eine Station, dann vielleicht grad via Neudorf-Hildisrieden-Rain bis Bhf Rothenburg oder Sempach?

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      • Profilfoto von Armando
        Armando, 26.05.2023, 22:05 Uhr

        Bis in 1970er-Jahre war Beromünster an das SBB-Netz angeschlossen, das Bahnhofgebäude steht noch heute. Es wäre also eine kleine Sache, die bestehende Linie Menziken – Beromünster wieder in Betrieb zu nehmen.

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