Paradigmenwechsel beim Kanton Luzern: In der Baselstrasse wird Tempo 30 auf einer Kantonsstrasse erstmals konkret. Die Anwohner dürfen sich endlich über weniger Lärm freuen.
Täglich fahren rund 20’000 Fahrzeuge durch die Baselstrasse. Motorräder, Autos, Lastwagen – die Strasse ist eine Hauptverkehrsachse der Stadt Luzern. Doch die Baselstrasse ist eng. Auf der einen Seite der Gütschhang, auf der anderen Seite eine praktisch durchgehende Häuserzeile, ist die Baselstrasse regelrecht eingekesselt. Der Begriff Strassenschlucht könnte es nicht besser umschreiben.
Darum ist es an der Baselstrasse laut. Sehr laut sogar. Das zeigt ein Blick auf die Strassenlärm-Karte des Kantons Luzern. Fast alle Gebäude an der Baselstrasse sind rot eingefärbt. Das heisst: Die Alarmwerte werden überschritten.
Das bestätigt das Tiefbauamt der Stadt Luzern auf Anfrage: «An der Baselstrasse werden die Lärm-Alarmwerte flächendeckend überschritten», sagt Christian Ferres, zuständiger Projektleiter für die Baselstrasse beim Tiefbauamt.
Alarmwerte? Klingt dramatisch – und ist es auch. Ferres erwähnt Studien aus der Lärmforschung. Von Schlafproblemen über erhöhtes Risiko von Herzinfarkten bis hin zu einer reduzierten Lebensdauer – Lärm ist ein Gesundheitsrisiko.
Jetzt kommt Tempo 30
Massnahmen zur Reduktion des Lärms sind daher angezeigt. Das Bundesamt für Umwelt definiert die Alarmwerte für Lärm als ein «Kriterium für die Dringlichkeit von Sanierungen». Diese Dringlichkeit nehmen sich Kanton und Stadt an der Baselstrasse nun zu Herzen.
So hat die Stadt bekannt gegeben, dass sie an der Baselstrasse vom Kreuzstutz bis zum Gütsch eine Tempo-30-Zone einführen werde (zentralplus berichtete). «Der Lärmschutz ist neben der Verkehrssicherheit der massgebende Faktor für die Einführung von Tempo 30 an der Baselstrasse», sagt Projektleiter Ferres.
Ein Lärmgutachten habe aufgezeigt, dass die Temporeduktion ein effektives Mittel ist, um den Lärm in der Baselstrasse zu reduzieren. Das alleine würde allerdings noch nicht reichen, um die Lärmschutzwerte künftig zu unterschreiten. Deshalb baut die Stadt zusätzlich einen Flüsterbelag auf der Baselstrasse – der erste auf einer Luzerner Kantonsstrasse überhaupt.
Beim Kanton findet ein Umdenken statt
Die Massnahme darf durchaus als kleinere Sensation bezeichnet werden. Denn bislang war der Kanton äusserst zurückhaltend, was Tempo 30 auf den Kantonsstrassen betrifft. So bestätigt auch Christian Ferres: «Das Lärmproblem ist nichts Neues. Doch die Baselstrasse ist eine wichtige Hauptverkehrsachse des Kantons. Darum hat man eine Temporeduktion bislang nicht als sinnvoll beurteilt.»
Der VCS Luzern hat sich bereits zu den Plänen der Stadt geäussert. Der Verband kämpft schon seit vielen Jahren für effektiven Lärmschutz entlang der Hauptverkehrsachsen im Kanton Luzern. Und auch der VCS findet deutliche Worte für die Absichten des Kantons.
So bezeichnet der Verband die Massnahme gar als «Quantensprung». «Die bisherigen Lärmschutzprojekte im Kanton Luzern waren blosse Augenwischerei ohne effektiven Schutz für die Betroffenen», wird VCS-Präsident Michael Töngi in der Mitteilung zitiert. Der Verband freue sich darüber, dass der Kanton seine Lärmschutzpolitik nun offenbar ändert.
Christian Ferres bestätigt, dass beim Kanton offenbar ein Umdenken stattfindet. Dabei hat auch der Blick über den Tellerrand geholfen: «Beispiele aus anderen Städten sowie Urteile des Bundesgerichts haben gezeigt, dass eine Temporeduktion wirksam ist und umweltrechtlich sogar zwingend sein kann.
Tempo 30 ist eine emotionale Sache
Des einen Freud ist des anderen Leid. Und gerade bei Tempo 30 gehen die Emotionen regelmässig hoch. Der Abstimmungskampf in Kriens zur geplanten Testplanung im Zentrum hat das kürzlich bewiesen. Weit verbreitet ist die Befürchtung, dass Tempo 30 zu mehr Stau, mehr Schleichverkehr und insgesamt zu einer grösseren Umweltbelastung führen wird.
«Wir können uns nicht vorstellen, dass Tempo 30 negative Auswirkungen auf den Verkehrsfluss haben wird.»
Christian Ferres, Projektleiter Tiefbauamt Stadt Luzern
Das Tiefbauamt der Stadt Luzern wiegelt diese Befürchtung jedoch ab. Zu den Stosszeiten werde in der Baselstrasse bereits heute selten schneller als 30 gefahren. Und auf die Kapazität der Strasse habe eine Temporeduktion ebenfalls keinen Einfluss. Christian Ferres bilanziert: «Wir können uns nicht vorstellen, dass Tempo 30 negative Auswirkungen auf den Verkehrsfluss haben wird.» Im Gegenteil: Er erwartet, dass sich der Verkehrsfluss dank der Temporeduktion sogar verbessert.
Baselstrasse wird komplett umgestaltet
Die neue Tempo-30-Zone ist eine vorgezogene Massnahme zur Gesamtsanierung der Baselstrasse. Die Stadt muss die Rohrleitungen unterhalb der Strasse dringend sanieren. In diesem Zusammenhang soll auch der Strassenraum der Baselstrasse aufgewertet werden. Baustart für das Projekt ist voraussichtlich im Jahr 2025.
Auf die Verkehrssituation in der Baselstrasse hat das Projekt einen massiven Einfluss. Während eineinhalb Jahren ist die Baselstrasse nur einspurig befahrbar. Die zweite Spur wird während dieser Zeit über die noch engere Dammstrasse umgeleitet, die heute eine Velostrasse ist.
Keine schöne, aber eine notwendige Lösung, wie Christian Ferres sagt: «Wir müssen die Baselstrasse zwingend sanieren. Die geplante Lösung ist kein Wunschszenario, aber alternativlos.»
Die Stadt bemühe sich zwar, den Verkehr teilweise über die Autobahn umzuleiten und den Restverkehr so verträglich wie möglich zu gestalten. Mit den Bauarbeiten und den Umleitungen wird der Strassenlärm aus der Baselstrasse so schnell aber nicht verschwinden.
- Telefonat mit Christian Ferres
- Medienmitteilung der Stadt Luzern
- Medienmitteilung des VCS Luzern
- Geoportal des Kantons Luzern