Luzerner Taucher und Verkehrsexperte ordnen ein

Axenstrasse: Darum konnte es zum 50-Meter-Absturz kommen

Der Luzerner Tauchlehrer Reto Loretz erklärt, weshalb die Suche nach dem Auto beim Unfall an der Axenstrasse so harzig verläuft. (Bild: Schwyzer Kantonspolizei/zvg)

Das abgestürzte Auto auf der Axenstrasse ist noch immer nicht geborgen. Ein Luzerner Taucher und ein Experte für Verkehrssicherheit erklären, was daran so schwierig ist und weshalb es überhaupt zum Absturz kommen konnte.

Es ist eine Szene, die sich eigentlich nur in Filmen abspielt. Ein Auto schrammt an einer Wand entlang, verliert dabei ein Rad, kommt auf die Gegenfahrbahn, bricht durch die Strassenabsperrung und stürzt in den Vierwaldstättersee. Der Unfall auf der Axenstrasse von Sonntagnachmittag bleibt ein Rätsel (zentralplus berichtete). Denn weder das Auto noch die Person oder Personen konnten bisher geborgen werden.

Der Tathergang ist allein durch zwei Augenzeugen rekonstruierbar, die sich auf der Gegenfahrbar dem Unfallauto näherten und vom Rad getroffen wurden, das sich vom Auto losgelöst hatte. Das Rad traf das andere Auto und verletzte die Beifahrerin leicht.

Die Höhenlinien im Wasser zeigen die Tiefe an. Beim Wolfsprung gibt es keinen graduellen Abstieg. Es geht senkrecht 180 Meter hinunter zum Seegrund. Rot markiert: die Absturzstelle. (Quelle: Kanton Luzern/Landwirtschaft und Wald)

180 Meter unter der Wasseroberfläche

Die Schwyzer Polizei versucht nach wie vor mit einem Grossaufgebot, das Auto und die Personen zu bergen. Der Unfall ereignete sich am Sonntag um 12 Uhr mittags. Seither befinden sich die Personen im Auto unter Wasser. Und das sehr wahrscheinlich auf dem Seegrund. Denn an der Absturzstelle beim Wolfsprung geht es senkrecht hinunter. Der Seegrund liegt rund 180 Meter unterhalb der Wasseroberfläche.

Das Problem an der Unfallstelle: Auf diese Tiefe kann man nicht hinabtauchen. Der Unterwasserdruck ist zu gross. Das war auch für den Tauchlehrer Reto Loretz von der Tauchschule Luzern direkt klar: «Die Tiefe ist die Schwierigkeit. Denn ab maximal 66 Metern wird der Sauerstoff aufgrund des grossen Drucks giftig und die Taucherinnen brauchen ein anderes Gas.»

«Bei einem Sturz aus so einer Höhe ist das Wasser hart wie Beton.»

Reto Loretz, Tauchschule Luzern

Deswegen ging die Polizei zunächst mit einem Unterwasserinspektionsgerät (engl. ROV-Gerät) runter, das mit einer Kamera ausgestattet ist. Dafür arbeitet die Schwyzer Kantonspolizei mit der Seepolizei der Kantonspolizei Zürich zusammen. Allerdings ist auch das nicht so einfach, wie es klingt.

Der Standort des Autos ist eine komplexe Berechnung

Das Ausschlaggebende sei die Eintrittsstelle ins Wasser, erklärt Loretz. Um diese zu bestimmen, müsse man verschiedene Faktoren berücksichtigen. «Man muss zum Beispiel wissen, um was für einen Typ Auto es sich handelte, wie schnell das Auto unterwegs war oder in welchem Winkel es auf das Geländer traf, damit man den Eintrittspunkt ungefähr einschätzen kann», sagt Loretz.

Dort könne dann die Suche losgehen. Die Schwyzer Kantonspolizei hat bis Montagnachmittag bereits mehrere Tauchgänge auf 40 Meter Tiefe durchgeführt, konnte das Auto aber nicht erkennen. «Das Auto wiegt rund eine Tonne, das sinkt schnell», erklärt der Tauchlehrer. Dass die Personen im Auto noch am Leben sind, ist 24 Stunden nach dem Unfall unrealistisch.

Denn das Fatale an dem Unfall ist der Sturz von der Strasse ins Wasser respektive aufs Wasser. Dieser könnte bereits tödlich gewesen sein. «Bei einem Sturz aus so einer Höhe ist das Wasser hart wie Beton. Man muss davon ausgehen, dass die Insassen durch den Aufschlag auf dem Wasser schon bewusstlos wurden», sagt er.

Das Geländer trägt Mitschuld am Unfall

Ein Experte für Verkehrssicherheit, der nicht namentlich erwähnt werden möchte, weist zudem auf die Bedeutung der Fahrgeschwindigkeit hin: «Das Auto war sicher mit mehr als 60 km/h unterwegs. Damit ein Rad beim Streifen einer Felswand abgerissen wird, braucht es sicherlich ein höheres Tempo und irgendein spezielles Ereignis, einen medizinischen Notfall oder einen Fahrfehler.»

Ein weiterer Aspekt ist die Strassensicherung. Dass ein Fahrzeug durch eine Strassenabsperrung bricht, ist eine Seltenheit. Doch bei dem Geländer an der Axenstrasse handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Leitplanke, wie das bei Autobahnen der Fall ist. Sondern um eine Geländerkonstruktion, die dafür vorgesehen ist, Personen vor einem Absturz zu schützen. Das Konzept nennt sich «passive Sicherheit».

«Von solchen Stellen, die potenziell gefährlich sind, haben wir vielleicht 1000-2000 in der Schweiz. Das könnte man gar nicht unterhalten.»

Experte für Verkehrssicherheit

Wie eine Strasse gesichert wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein Faktor ist das Tempolimit. Unterhalb von Tempo 60 gibt es keine Leitplanken. Auf dem betroffenen Abschnitt galt aber Tempo 80. Doch weil es sich bei der Axenstrasse um eine historische Strasse handelt, ist auch deren Sicherung «veraltet». Ein weiterer entscheidender Faktor ist deshalb die Unfallhäufigkeit. Leitplanken schaffen es, Autos zu bremsen oder umzulenken. Im vorliegenden Abschnitt handelt es sich nicht um einen Unfallschwerpunkt, weshalb die Absperrung dem Aufprall des Autos nicht gewachsen war.

Eine Frage der Verhältnismässigkeit

Diese Regelung scheint jetzt im Nachgang des Unfalls fahrlässig. Doch die Situation ist etwas komplizierter. «Von solchen Stellen, die potenziell gefährlich sind, haben wir vielleicht 1000-2000 in der Schweiz. Das könnte man gar nicht unterhalten», erklärt der Experte.

Dabei weist er auf einen weiteren wichtigen Unterschied hin: «Wenn wir einheitlich bei jeder Gefahrenstelle ein Fahrzeugrückhaltesystem installieren würden, müsste man das auch bei jedem Baum tun. Denn eine Kollision mit einem Baum kann genauso fatal sein wie ein Sturz.» Und das hiesse, dass alle Bäume nur in einem Mindestabstand von einer Strasse stehen dürfen und Millionen von Bäume gefällt werden müssten.

Eine Frage der Verhältnismässigkeit also. Auch wenn diese Abwägung wohl auch zum fatalen Ausgang des Unfalls am Sonntagnachmittag geführt hat.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung der Kantonspolizei Schwyz
  • Gespräch mit Reto Loretz, Tauchschule Luzern
  • Gespräch mit Experten für Strassensicherheit
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Robert Renggli
    Robert Renggli, 31.07.2022, 13:55 Uhr

    Alle wollen in die Höhe aber Niemand will die Sicherheit in der Tiefe wie wäre es mit spez. Uboote in unserer Gewässer am Geld fehlt nicht nur am Wille, statt 36 F 35 die Hälfte und schon sichten wir Uboote, oder Leben Wir noch im Mittelalter ich war Lkw Fahrer bin dafür das man heute auch Fahrtenschreiber in die Autos einführt. Und lasst den Tod ruhen

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  • Profilfoto von Lötscher Hans
    Lötscher Hans, 30.07.2022, 08:29 Uhr

    Bin ab Ende 60er Jahr die Axenstrasse wöchendlich gefahren. Es gab kein Mositunel, keine Autobahn. Es wurde schon damals zum Teil recht respektlos auf der ganzen Gotthard Route gefahren. Mit meinem 28 Tonnen Anhägerzug wurde ich in der Schölenen wie auch in der Tremola von kurvenschneideden PKWs ausgebremst.

    Es gab damals schon fragwürdige Autofahrer und mit den PS starken Autos hat sich die Situation im allgemeinen verschärft.
    Allen unterwegs eine gute und unfallfreie Fahrt.

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  • Profilfoto von Oliver Heeb
    Oliver Heeb, 26.07.2022, 12:41 Uhr

    Wir leben in einem Alpenland, wo es besonders wichtig ist, eine angepasste Fahrweise zu praktizieren. Bevor voreilige Schlüsse gezogen werden, müssen auch die Fahrweise des beteiligten FZ-Lenkers rekonstruiert und die Eigenschaften des FZ ermittelt werden. Wie schwer war der Wagen, wie viele Insass/innen, PS-Stärke, handelt es sich um ein aufgemotztes Fahrzeug, sprich getunt? Oder ganz einfach ein «normaler» PW und eine Verkettung von unglücklichen Umständen? Viele Fragen und wenige Antworten. Man darf gespannt sein.

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