Auf dem Ägerisee ist bald eine der nachhaltigsten Schifffahrten der Schweiz möglich. Der Dieselantrieb des Kursschiffes MS Ägerisee wurde zu diesem Zweck durch einen Elektromotor ersetzt. zentralplus war dabei.
Der Muttertag im kommenden Frühling ist nicht nur für viele Mütter ein Highlight, sondern auch für Benjamin Schacht. Der Kapitän erhält zwar vermutlich keine Blumen oder Schokolade, dafür jedoch ein Kursschiff, das vollumfänglich elektrisch läuft (zentralplus berichtete). Das MS Ägerisee wird damit schweizweit eines der ersten E-Kursschiffe dieser Grösse.
Vor zwei Monaten wurde das 20-jährige Schiff «ausgeweidet», darauf folgte eine Anpassung der Schotträume. Dies ist nötig, da sich die Gewichtsverhältnisse mit dem neuen Antrieb verändern. Nun wurden dem MS Ägerisee neue, acht Tonnen schwere «Innereien» eingepflanzt. Dafür verantwortlich zeichnet die Firma Shiptec, die im Bereich der Elektrifizierung von Schiffen bereits Erfahrung hat (zentralplus berichtete).
Zwei Elektro- statt ein Dieselmotor
«Im vergangenen Winter haben wir dem MS Rütli einen Elektromotor eingesetzt», sagt Michael Gmünder, Leiter Werft und Produktion der Shiptec, während der Arbeiten am Mittwochmorgen. «Der Umbau des MS Ägerisee ist insofern speziell, als es das grösste Kursschiff ist, das wir elektrifizieren. Während wir beim MS Rütli nur einen Antrieb einbauen mussten, benötigt es hier zwei Elektromotoren, die steuer- und backbordseitig verbaut werden.» Das Gesamtgewicht der Batterie beträgt zweieinhalb Tonnen. Die Batterie ersetzt den bisherigen dieselbetriebenen Antrieb.
Die Motoren wurden fertig angeliefert und verfügen über ein sogenanntes Power Management System. Das Power Management System überwacht die Zufuhr und Abgabe der Ladeenergie und überwacht den Batteriezustand. Dadurch sollen die Generatoren auf dem Schiff mit dem optimalen Wirkungsgrad betrieben werden.
Drei Rundfahrten am Tag, fast ohne Aufladen
«Die beiden Motoren leisten je 140 Kilowattstunden Energie, also 280 Kilowattstunden. Damit kann das MS Ägerisee künftig drei grosse Rundfahrten pro Tag machen», sagt Gmünder. Jedenfalls fast. Jeweils nach einer Rundfahrt soll die Batterie beim Hafen Oberägeri während zehn Minuten aufgeladen werden. Künftig stehen drei Rundfahrten pro Tag auf dem Programm. «Das gab es zwar schon in der Vergangenheit, jedoch nur im Hochsommer. Künftig bieten wir bereits ab dem Muttertag drei Rundkurse an», führt Projektleiter Benjamin Schacht aus.
Während er spricht, rumort es im Hintergrund gewaltig. Per Lastwagenkran wird das provisorische Dach des MS Ägerisee vom Heck des Gefährts gehoben und durch die Luft gehievt. Wenig später werden nacheinander Wärmepumpe, Getriebe, Elektromotoren und Boiler aufs Schiff gehoben und installiert.
Für grössere Schiffe sind Elektromotoren eine Herausforderung
Das Besondere an diesem Projekt: «Das MS Ägerisee ist bezüglich Elektrifizierung an der Grenze des Möglichen. Bei grösseren Schiffen müssten auch grössere und somit schwerere Batterien eingebaut werden. Irgendwann wird das nicht mehr praktikabel.» Darum kämen künftig bei grösseren Kursschiffen eher Wasserstoff- oder Methanolantriebe infrage. «Für Luzerner Kursschiffe, auf denen 1000 Menschen Platz haben, werden wir jedoch wohl nicht so bald eine Lösung finden», sagt Schacht.
Das MS Ägerisee lebt da ein bescheideneres Dasein. Rund 20’000 Gäste tuckern jährlich mit ihr über den Ägerisee. Die neue CO₂-neutrale Antriebstechnologie passe bestens in die Nachhaltigkeitsstrategie der Ägerisee Schifffahrt, ist sich die gleichnamige Gesellschaft sicher. Mit der alternativen Antriebstechnologie will die Ägerisee Schifffahrt jährlich rund 38’000 Kilogramm CO₂ einsparen.
Mit Problemen in der Umsetzung rechnet Michael Gmünder von Shiptec nicht. «Wir sind zuversichtlich. Nicht zuletzt, da auch die durchgeführten Simulationen positiv verliefen.» Ausserdem seien die Daten vom Bund sowohl geprüft und freigegeben worden. Dies insbesondere mit dem Augenmerk auf die Stabilität und das Gewicht des Schiffes.
Zur Finanzierung will sich Karin Fröhlich, Medienverantwortliche der Ägerisee Schifffahrt AG, nicht im Detail äussern. Soviel jedoch: «Zur Finanzierung kann ich Ihnen folgende Auskunft geben: Das MS Ägerisee mit seinen stolzen 20 Jahren stand sowieso vor einer umfassenden Neumotorisierung, was eine einmalige Investition erforderte.» Und weiter: «Dank der grosszügigen Unterstützung der Gemeinden Oberägeri und Unterägeri sowie der Partnerschaft mit der Zuger Kantonalbank wird diese einmalige Investition zur Finanzierung des umfassenden Umbaus für die Neumotorisierung der MS Ägerisee möglich.»
- Informationen über das E-MS Rütli
- Infos zu Methanolbetrieb von Schiffen
- Medienanlass während des Einbaus der Elektromotoren
- Gespräche vor Ort