Anwohner wütend auf neue Besitzer

Verkauf der Bodum-Villen: Ein Geschäft mit Beigeschmack

An der Obergrundstrasse 101 weht seit kurzem ein anderer Wind. (Bild: jal)

Das Immobilienunternehmen Romano & Christen hat die beiden leerstehenden Bodum-Villen gekauft. Lenkt es damit von einem Nachbarschaftskonflikt an der Horwerstrasse ab?

Sie sind als Bodum-Villen bekannt und berüchtigt. Mit dem Verkauf der einst stolzen Anwesen an der Obergrundstrasse 99 und 101 ist im April nun ein anderer Name in den Fokus gerückt: Romano & Christen (zentralplus berichtete). Kehrt jetzt endlich Leben in die alten Gemäuer zurück?

Eigentlich ist es eine erfreuliche Nachricht, wenn die geschützten Stadtvillen mit riesigem Umschwung in die Hände eines Luzerner Architekturbüros fallen. Mit einem ordentlichen Frühlingsputz und einem Notdach über der maroden Villa 99 haben sie Tatendrang demonstriert (zentralplus berichtete). Was man vom Vorbesitzer, dem dänischen Multimillionär Jorgen Bodum, nie behaupten konnte.

Mittlerweile ist die Villa 99 überdacht. (Bild: Jonas Wydler)

Es lohnt sich, den Häuserkauf in einem grösseren Kontext anzuschauen, der einiges über die Verhandlungsstrategie des Unternehmens und seinen Einfluss aufs Quartier verrät. Romano & Christen (R&C) haben die Villen wohl nicht aus Liebe zum Denkmal gekauft, sondern aus geschäftlichen und strategischen Interessen. Ihren Hauptsitz haben sie einen Steinwurf von den Villen entfernt an der Horwerstrasse 11.

Schon länger sucht das Unternehmen mit rund drei Dutzend Mitarbeitenden mehr Bürofläche in der Nähe. Diese haben sie zunächst im Nachbarhaus an der Horwerstrasse 13 gefunden. Nur war das Haus mit Garten in Privatbesitz und von vier Parteien bewohnt. Im Sommer 2018 konnten R&C das Haus übernehmen. Das gelang dank eines Tauschgeschäftes mit einem alten Haus an der Horwerstrasse 28a, das R&C kurz zuvor erworben hatten. Aus taktischen Gründen, wie sich also herausstellte.

Ein Kennenlernen mit Ultimatum

Ein ehemaliger Bewohner, der mit seiner Familie an der Horwerstrasse 13 gewohnt hat, schätzte die zentrale Wohnlage und das lebendige Quartier. Im Sommer 2018 meldeten sich die neuen Besitzer schriftlich bei den vier Parteien für eine Besichtigung, Begehung und einen «offenen Austausch».

Allerdings mündete das Kennenlernen in einem schriftlichen Ultimatum, das man als Drohung interpretieren kann: Die Familie müsse nach Ablauf der Kündigungsfrist auf Ende Januar 2019 ausziehen. Falls sie der Aufforderung nicht nachkommen, würde das ganze Haus geräumt. Aufgrund des Wachstums des Unternehmens werde «dringend mehr Fläche» benötigt. Erste Bauarbeiten folgten im Frühling 2019, obwohl R&C für die Umnutzung kein Baugesuch eingereicht hatten. Das Problem: Das Haus liegt laut Zonenplan in einer reinen Wohnzone. Quartierbewohner wiesen die Stadt darauf hin und es folgte ein Baustopp.

Die Bewohner der Horwerstrasse 13 mussten ausziehen. (Bild: Jonas Wydler)

Im November 2019 reichten Romano & Christen schliesslich ein Baugesuch für eine nachträgliche Umnutzung der Liegenschaft zu einem Büro ein. Die Bewilligung ist noch nicht über die Bühne und mindestens drei Parteien aus der Nachbarschaft haben weitere Einsprachen angekündigt. Die Stadt Luzern kann derzeit keine Auskünfte über das hängige Verfahren geben. Romano & Christen bestätigen auf Anfrage das pendente Baugesuch und rechnen mit einer Bewilligung im Sommer.

Widerstand aus der Nachbarschaft

Das Quartier entlang der Horwerstrasse ist ein beliebtes und zentrales Wohngebiet für Familien, trotz der tagsüber stark befahrenen Verkehrsachse. Der Streit um die Nummer 13 hat eine neue Dynamik angenommen. Verschiedene Anwohner haben sich zusammengeschlossen und wehren sich gegen die reine Büronutzung des Hauses, gegen zusätzliche Parkplätze, gerodete Grünflächen und Hecken.

Was sich R&C erlauben «übersteigt das rechtlich Zulässige und nach gesundem Menschenverstand Zumutbare bei weitem», heisst es in einem Schreiben an die Stadt Luzern. Das «äusserst arrogante und dreiste Vorgehen» habe mittlerweile die halbe Nachbarschaft auf den Plan gerufen und Unruhe ins Quartier gebracht, so das Schreiben. Das einzige wirkliche öffentliche Interesse der Nachbarschaft sei der Wegzug von R&C aus der Wohnzone.

«Wenn das Haus erst einmal in der Maschinerie der Spekulationen ist, treibt das die Mietkosten in die Höhe und bezahlbarer Wohnraum geht verloren.»

Ehemaliger Bewohner der Horwerstrasse 13.

Ausgeschlossen sind Umnutzungen in der Wohnzone indes nicht. Markus Hofmann, Bereichsleiter Baugesuche bei der Stadt Luzern, sagt: «Die Wohnzone dient in erster Linie dem Wohnen. Möglich sind nicht störende Dienstleistungs- und Gewerbebetriebe, sofern sich diese baulich und mit ihren Auswirkungen in die Wohnumgebung einfügen.» Dienstleistungs- und Gewerbebetriebe seien in der Regel auf das Erdgeschoss beschränkt. «Jedoch können für die Weiterführung von bestehenden Betrieben Ausnahmen gewährt werden, wenn diese zusätzliche Flächen benötigt», so Hofmann. Seitens Romano & Christen heisst es, die Parkplatzanzahl werde nicht verändert und entspreche dem Parkplatzreglement.

Dem ehemaligen Bewohner geht es um mehr als gekündigte Wohnungen oder verspätete Baugesuche. Jedes gekaufte, weiterverkaufte oder umgenutzte Haus werde dem normalen Mietmarkt entzogen – mit Auswirkungen auf das Quartier. «Wenn das Haus erst einmal in der Maschinerie der Spekulationen ist, treibt das die Mietkosten in die Höhe und bezahlbarer Wohnraum geht verloren», ist er überzeugt.

Offene Fragen bleiben

Der Kauf und Verkauf von Immobilien ist das Kerngeschäft des 1997 von Markus Romano und Michael Christen gegründeten Architekturbüros. Mit ihren «Räumen der Kraft» sind sie zu einem wichtigen Player im Immobilienmarkt für den gehobenen Standard geworden.

Nicht ohne Misstöne: Ihr Finanzierungsangebot «Ein Stück vom Glück» sorgte vor einigen Jahren für Kritik, weil es die strengen Regeln für Hypothekenvergaben unterlaufen könnte. Wer für sein Eigenheim von der Bank kein grünes Licht erhielt, dem streckten R&C bis zu 10 Prozent des Kaufpreises und maximal 100’000 Franken vor. Kritik an der Finanzierungsstrategie übten vor einigen Jahren im «Tages-Anzeiger» Banken und der Hauseigentümerverband. Das Angebot ist online immer noch verfügbar. Wie sich die zwei historischen Villen ins Portfolio von R&C fügen, bleibt abzuwarten. Ob sie gewillt sind, auf die sensiblen Bedürfnisse von Denkmalschutz und auf die Ansprüche des Quartiers einzugehen, ebenso.

Nun wird also die Obergrundstrasse 101 zum erweiterten Geschäftssitz der Firma, die Umbauten sollen bald beginnen. Was stattdessen mit der Horwerstrasse 13 geschieht, ist offen. Der Ex-Bewohner vermutet, dass ihnen das langwierige Bewilligungsverfahren an der Horwerstrasse verleidet sei. Für die Bodum-Villa 101 besteht hingegen vom Vorbesitzer bereits ein rechtskräftiges Baugesuch und sie steht in einer gemischten Wohn- und Arbeitszone.

Was passiert mit der 99?

Was Romano & Christen mit der einsturzgefährdeten Villa 99 vorhaben, ist weiter offen. Klar ist einzig, dass sie diese nicht selber nutzen, sondern kommerziell vermieten wollen. Man sei offen für alle Szenarien, sofern diese verhältnismässig seien, heisst es auf Anfrage.

Als der Kauf der beiden herrschaftlichen Anwesen mit parkähnlichem Umschwung von insgesamt 3200 Quadratmetern im Frühling kommuniziert wurde, bemühten sich R&C, die Befürchtung vom Tisch zu wischen, dass sich die leidige Vorgeschichte mit der mutwilligen Verlotterung der Nummer 99 wiederholt. «Tief betroffen» zeigten sich die Architekten nach einer Begehung und haben inzwischen das Dach am 12. Juni abgedichtet.

Ein bewilligtes Bauprojekt ist aber weiter nicht in Griffweite – und wohl auch nicht so schnell zu erwarten. «Die Grundeigentümer prüfen mögliche Optionen zur Entwicklung, dies wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen», sagte Stadtarchitekt Jürg Rehsteiner vor einigen Wochen.

Was in die Villa 99 kommt, ist noch offen. (Bild: Jonas Wydler)

Kann die Erfahrung der Immobilienfirma endlich eine Lösung bringen? Oder ist der Konflikt an der Horwerstrasse ein schlechtes Omen für die Zukunft der historischen Villa?

Skeptisch ist der Architekt und Nachbar Bruno Hermann, der schon lange für den Erhalt der beiden Villen kämpft: «Ich hoffe mich zu irren, aber nach dem bisherigen Kontakt habe ich den Eindruck, dass Romano & Christen die Strategie von Bodum weiterfahren und das Ziel nach wie vor ein Neubau ist», sagte er kürzlich gegenüber dem Kulturmagazin «041». Das originale Mauerwerk des Gebäudes – und damit das Gesamtensemble der Villen – könne nach wie vor gerettet werden. Wenn man denn will.

Dieser Artikel erschien erstmals in der Obergrund Quartierzeitung vom Juni.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Hafen
    Hans Hafen, 08.07.2020, 11:09 Uhr

    Viele der Romano & Christen-Mitarbeiter (wohl das Fussvolk, weil die Scheffs parkieren bei der Liegenschaft Horwerstrasse) hält sich auch nicht an die Gesetzgebung hinsichtlich der Benützung der blauen Zone, das habe ich selbst schon hundertfach beobachtet! Dort wird Tag für Tag und frischfröhlich, freien Herzens die Parkscheibe neu vorgestellt, ohne das Fahrzeug auch nur im geringsten zu bewegen oder gar in den Verkehr einzugliedern, wie dies Vorschrift wäre. Sprich: Das ist Verboten und gehört gebüsst. Die öffentliche Infrastruktur für MitarbeiterInnen gratis und franko nutzen, keinen Rappen bezahlen daran bezahlen, den Quartierbewohnern die Parkplätze für 8h und mehr entziehen (die haben schliesslich der Stadt für ihre Dauerparkkarte teures Geld in den Schlund geworfen) und mit Immobiliengeschäften den ganz grossen Reibach machen! Es ist zum Haare raufen! Die Ordnungshüter könnten dort mit Parkbussen allerbeste Geschäfte machen – Tag für Tag!

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    • Profilfoto von CScherrer
      CScherrer, 08.07.2020, 13:27 Uhr

      Die lustigen Automobilisten. Reicht der Monatslohn nach dem Bezahlen der Leasingrate nicht mehr für die Parkgebühren. Peinlich für das Unternehmen und die betroffenen Mitarbeiter. Ein Grund mehr, den Autofahrer die rote Karte zu zeigen und die Stadt von diesem Übel zu befreien.

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