Justiz greift zu drastischer Massnahme

Vergewaltiger von Emmen: Stunde der Wahrheit naht

Hier am Dammweg in Emmenbrücke riss der Täter das Opfer vom Velo und vergewaltigte es. (Bild: zentral+)

372 Männer werden nun der Polizei verhört und müssen eine DNA-Probe abliefern. Mit dieser in Luzern erstmals durchgeführten Massnahme will die Polizei endlich den Täter fassen, der im Juni in Emmen eine Frau brutal vergewaltigt hat. Bei den Ermittlungen greift die Polizei sogar auf Facebook zurück. Doch in Zürich scheiterte eine ähnliche Aktion.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Kantons Luzern führt die Justiz einen Massen-DNA-Test durch. 372 Männer erhalten am Montag von der Staatsanwaltschaft einen Brief mit der Aufforderung, sich innert 15 Tagen auf dem Polizeiposten in Luzern zu melden. Dort werden sie befragt und es wird von ihrem Speichel eine DNA-Probe entnommen. «Der Aufwand dazu ist riesig», sagt Simon Kopp, Sprecher der Luzerner Staatsanwaltschaft.

Vergewaltigte Frau ist auch gelähmt

Auslöser dieser ungewöhnlichen Aktion ist ein selten brutales Verbrechen. Im Juli dieses Jahres wurde in Emmen eine 26-jährige Frau auf dem Weg nach Hause vom Velo gezerrt und vergewaltigt. Beim Sturz zog sie sich so schwere Verletzungen zu, dass sie seither querschnittsgelähmt ist, also sowohl Arme als auch Beine gelähmt sind. Das Schicksal der jungen Frau bewegte die ganze Schweiz. In Luzern kam es sogar zu einer Velo-Solidaritätsfahrt.

Der Täter konnte bislang trotz grossem Aufwand und einer ausgesetzten Belohnung von 10’000 Franken nicht gefasst werden. Die Polizei verfügt jedoch über dessen DNA-Profil, welches an Kleidungsstücken des Opfers sicher gestellt werden konnte. Die junge Frau war so schwer verletzt, dass sie erst diesen Oktober von der Polizei näher befragt werden konnte. Nun steht ein verfeinertes Tätersignalement fest. Der Mann ist zwischen 19 und 25 Jahre alt, zwischen 170 und 180 Zentimeter gross, schlank, hat gekraustes Haar, spricht gebrochen Deutsch und ist Raucher.

Gesetz verlangt Voraussetzungen

Um den ersten Massen-DNA-Test im Kanton Luzern durchführen zu können, musste die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Antrag stellen. Das zuständige Zwangsmassnahmengericht hat diesen nun gutgeheissen.

Die Grundlagen für diesen Entscheid sind laut Christian Renggli, stellvertretender Generalsekretär beim Kantonsgericht, in der Schweizerischen Strafprozessordnung, Artikel 256, festgehalten. «Das Gesetz schreibt vor, dass verschiedene Voraussetzungen für einen solchen Massen-DNA-Test gegeben sein müssen.» Zum einen muss es sich um ein Verbrechen handeln, welches mit mindestens drei Jahren Freiheitsstrafe bestraft wird. Zudem muss der Personenkreis der Betroffenen optimal eingeschränkt sein. Auch klärt das Gericht, welche Ermittlungen bislang mit welchem Ergebnis durchgeführt wurden und um was für eine Tat es sich handelt. «Das Zwangsmassnahmengericht musste dann entscheiden, ob die Massnahme verhältnismässig ist», sagt Renggli.

Wohnt der Täter in Emmen?

Die 372 Personen hat die Staatsanwaltschaft laut Simon Kopp wie folgt ermittelt: «Wir gehen aufgrund unserer Untersuchungen davon aus, dass der Täter einen Tatortbezug hat, eventuell sogar in der Nähe des Tatorts an der Dammstrasse wohnt. Es scheint realistisch, dass der Mann den Tatort gut gekannt hat. Sei es, weil er in der Nähe wohnt, oder weil er dort auf seinem Arbeitsweg durchfährt.» Dann hat die Justiz alle Personen ermittelt, die auf die Täterbeschreibung passen könnten. Dabei wurden speziell auch Leute mit Vorstrafen unter die Lupe genommen.

«Wir haben offizielle Ausweispapiere der Männer angefordert, aber auch im Internet gesucht, etwa auf Facebook oder via Google.»

Simon Kopp, Sprecher Staatsanwaltschaft Luzern

«Wir suchten anhand des Tätersignalements nach Bildern der Personen. Dabei haben wir offizielle Ausweispapiere angeschaut, aber auch im Internet gesucht, etwa auf Facebook oder via Google.» Das habe enorm viel Zeit gebraucht. Nähere Hinweise zum Vorgehen habe man von deutschen Behörden erhalten, die einen solchen Massen-DNA-Test schon mal gemacht haben.

Für die nächsten zwei Wochen hat die Staatsanwaltschaft nun eigens Räume und speziell geschultes Personal für die DNA-Tests und Befragungen organisiert. Selbst am Wochenende können die Personen vorbeigehen. Je nach Nationalität werden entsprechende Dolmetscher für die Befragung aufgeboten.

Zwei Wochen tönen nach viel Zeit, um sich aus dem Staub zu machen. Schneller könne man diese Massnahme aber nicht durchführen, versichert Kopp. Und falls einer der aufgebotenen Männer abtauche, habe man immerhin erstmals einen klaren Hinweis auf den Täter.

Verweigern geht nicht

Wie hoch der Anteil an Ausländern unter den 372 aufgebotenen Personen ist, will Kopp nicht sagen. Obschon es wohl gegen 100 Prozent sein dürften. Kopp begründet seine Weigerung wie folgt: «Es könnte ja auch sein, dass der Täter extra einen anderen Dialekt vorgetäuscht hat.» Das komme hin und wieder vor. Vermutlich aber handelt Kopp so, weil er die Stimmung gegen Ausländer nicht vorsätzlich anheizen will. Als das Verbrechen im Juli bekannt wurde, gab es speziell in Internetforen heftige, teils klar rassistische Reaktionen, die gleich alle Ausländer in den selben Topf warfen.

Über die Erfolgsquote mag Kopp keine Angaben machen, das sei Kaffeesatzlesen. Auch über die Kosten dieser aufwändigen Aktion gibt er keine Auskunft. «Wir wollen einfach alles unternehmen und nichts unversucht lassen, um diesen Täter zu fassen.»

«Laut der Anwältin des Opfers geht es der jungen Frau den Umständen entsprechend.»

Simon Kopp, Sprecher Staatsanwaltschaft Luzern

Beim schweizweit wohl ersten Massen-DNA-Test 2010 wegen eines Verbrechens in Zürich blieb der Täter bislang ungefasst (siehe Box). Dort haben sich übrigens ein paar der Verdächtigten gegen den Test gewehrt. Das Zürcher Obergericht gab aber der Staatsanwaltschaft Recht, die Männer mussten zum Test antreten.

Dasselbe gilt laut Renggli auch in Luzern. Er versichert, dass die jeweiligen DNA-Proben von Gesetzes wegen vernichtet werden müssen, sobald feststeht, dass die untersuchte Person nichts mit dem Verbrechen in Emmen zu tun hat. «Die DNA-Proben dürften nur für die Aufklärung dieses Delikts verwendet werden.»

Der jungen Frau geht es gesundheitlich offenbar nicht wesentlich besser. «Laut ihrer Anwältin geht es ihr den Umständen entsprechend», sagt Kopp. Mehr wisse er nicht.

Zürich suchte Mörder via DNA-Test

Am 15. Dezember 2010 ist in Zürich eine Psychiaterin mit einem Messer ermordet worden. Wie in Luzern, wurde auch in Zürich von der Polizei eine Belohnung von 10’000 Franken ausgesetzt. Landesweit wurden rund 900 Personen befragt.

Weil das nicht zum Täter führte, wurde bei rund 300 Männern ein Wangenschleimabstrich für die DNA-Untersuchung gemacht. Es handelte sich dabei um den ersten Massen-DNA-Test in der Schweiz. Da das Zürcher Obergericht den Fall als äusserst schweres Gewaltverbrechen betrachtete, bewilligte es erstmals einen entsprechenden Test. Denn die Öffentlichkeit habe ein eminentes Interesse an der Aufklärung der Straftat. Bei der Abgabe einer DNA-Probe bestehe zudem keine Gefahr, dass der private oder berufliche Ruf der Betroffenen Schaden nehmen könnte, schrieb das Gericht. Allerdings verlief der Test erfolglos, der Täter ist immer noch auf freiem Fuss.

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