Football: Auch in Luzern kein Sport für Weicheier

«Und dann ziehen wir gemeinsam in den Krieg»

Die Lucerne Lions geben im Spiel gegen die Basler Meanmachine in der Saison 2014 alles. Im Bild Erich Emmenegger.

(Bild: zvg/Nelson da Silva)

Während American Football in den USA eine enorme Popularität geniesst, fristet der Sport in der Schweiz ein Nischendasein. Aber es bahnt sich ein Erwachen an. Die Lucerne Lions bereiten sich auf die neue Saison vor und ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Es ist kein Sport für sanfte Gemüter.

Sie stehen im engen Kreis, recken die Fäuste zum Zentrum hin, Cheftrainer Nicholas Gilly ruft: «Lions!», und seine Jungs geben die Parole wieder. Dann löst sich das sogenannte «Huddle» auf und die Offense der Lucerne Lions schreitet in ihren blau-weissen Trikots aufs Feld.

Das hiesige American-Football-Team trainiert an diesem strahlenden Sonntagnachmittag gemeinsam mit den Lausanne Owls. Die Lions bereiten sich auf die diesjährige Saison in der Gruppe B vor, der mittleren von drei Stärkeklassen. Das war nicht immer so: Vor zwei Jahren feierten die harten Jungs den B-Liga-Meistertitel und stiegen auf – nur um direkt wieder abzusteigen. Das Highlight war der Triumph gegen den damaligen Gruppe-A-Meister in einem dramatisch knappen Spiel. Aber als sich der damalige Söldner-Quarterback verletzte, war der Abstieg nicht mehr abzuwenden.

Die Lucerne Lions in der Defense warten auf den nächsten Spielzug der Lausanner.

Die Lucerne Lions in der Defense warten auf den nächsten Spielzug der Lausanner.

(Bild: gwi)

Sport wird populärer in der Schweiz

Während American Football in den USA der populärste Sport ist, steckt er in Europa in den Kinderschuhen. In der Schweiz ist Football eine völlig unbedeutende Sportart, er fristet ein Nischendasein. Der Schweizerische American-Football-Verband zählt rund 2500 aktive Spieler. Zum Vergleich: Beim Schweizer Fussballverband sind 290’000 Aktivspieler vermerkt.

Doch langsam bricht die Dämmerung an: «Seit zwei Jahren übertragen deutsche Privat-TV-Stationen die Spiele der amerikanischen National Football League (NFL). Seither hat das Interesse am Sport zugenommen», so Jannik Niklaus, PR-Verantwortlicher der Lucerne Lions. Dieser Zulauf sei in der Liga spürbar: «Jedes Jahr entsteht ein neuer Football-Club in der Schweiz.»

Lucerne-Lions-Cheftrainer Nicholas Gilly bereitet seine Defense auf die nächsten Spielzüge der Lausanner vor.

 

Amerikanischer Quarterback aus Top-College

Nicht nur das Interesse mitzuspielen ist da, auch die Zuschauer kommen: «An einem schönen Tag schauen zwischen 300 und 400 Leute unsere Spiele an. Am Aufstiegsspiel im Jahr 2014 waren es sogar über 550», erinnert sich Niklaus. Da gibt es aber noch Potenzial, denn derzeit haben die Lions meistens keinen Platz im Leichtathletik-Stadion auf der Allmend. Sie sind auf der Suche nach einer Heimat: «Wir haben überall in der Region nach einem Stadion gesucht, aber es klappte bisher nicht», so Niklaus. «Ohne Tribüne sehen die Zuschauer nicht gut, was auf dem Feld passiert», sagt er weiter. Das schmälere natürlich die Attraktivität.

Der diesjährige Star der Mannschaft – der amerikanische Quarterback Alex Bridgford – bereitet sich auf das Trainingsspiel vor.

Der diesjährige Star der Mannschaft – der amerikanische Quarterback Alex Bridgford – bereitet sich auf das Trainingsspiel vor.

(Bild: gwi)

Die Lions spielen in einer semi-professionellen Liga – drei Personen sind beim Verein angestellt. Das sind neben Headcoach Nick Gilly der Offensive-Coordinator Daniel Stanzel, welcher das Angriffsteam trainiert und anleitet, sowie ein Söldner aus den USA: Das ist in diesem Jahr der 23-jährige Alex Bridgford, der unter anderem für das renommierte College-Team der University of Southern California (USC Trojans) spielte. Dort hat es dem Quarterback aber nicht an die Spitze und damit für eine Profikarriere gereicht. Danach kehrt er zurück in sein Heimatland und wird dort für einen Bauunternehmer arbeiten. Ob er seine Football-Karriere vorantreiben möchte, weiss Brigdford noch nicht.

Lions investieren in den Nachwuchs

Zuerst wird er nun die nächsten Monate für die Lions spielen. «Er verdient den Mindestlohn für Nicht-EU-Bürger, 3500 Franken im Monat», so Niklaus. Geld ist in der kleinen Liga natürlich ein Problem: «Damit wir überhaupt Söldner bezahlen können, ist die Saison demensprechend kurz.» Zwischen dem ersten Spielanpfiff Anfang April und dem letzten Spiel Anfang Juli vergehen keine vier Monate.

Gepannte Blicke aufs Spielfeld von der Seitenlinie.

Gepannte Blicke aufs Spielfeld von der Seitenlinie.

(Bild: gwi)

Bridgford ist gerade eben in der Schweiz angekommen und freut sich auf seinen Einsatz in Luzern: «Es ist eine tolle Stadt.» Als Quarterback ist er das Herzstück des Teams, denn er initiiert jeden Spielzug der Offensive und muss den Überblick behalten. Aber können die Luzerner mit seinen Qualitäten mithalten? «Das Team ist bereits sehr gut aufgestellt und hat eigene Nachwuchskräfte aufgebaut», meint der Amerikaner bescheiden.

Tatsächlich haben die Lions grossen Erfolg mit ihren Nachwuchsmannschaften. Die U19 unter der Leitung von Trainer Bojan Spasic feierte im letzten Jahr den B-Meister-Titel und ist seit über einem dutzend Spielen in Folge ungeschlagen. «Wir investieren in die Nachwuchs-Mannschaften gleich viel Energie wie in das A-Team», erklärt Jannik Niklaus. Und das zahle sich nun aus: «Diese Saison können wir zum ersten Mal selbst aufgebaute Spieler, die alle Juniorenabteilungen durchliefen, in den Kreis der Mannschaft aufnehmen», erklärt er. «Spieler, die wir selbst trainiert haben, sind viel einfacher ins Team zu integrieren und spielen bereits auf einem sehr hohen Niveau.»

Amerikanischer Cheftrainer bringt neuen Schwung

Cheftrainer Gilly hat, seit er vor zwei Jahren angefangen hat in der Leuchtenstadt, vieles geändert: «Wir haben das Trainingskonzept und die Methoden an die amerikanischen Standards angepasst. Inzwischen können wir auch komplexere Spielzüge ausprobieren und gemeinsam wachsen.»

Die Lucerne Lions beobachten das Geschehen auf dem Spielfeld.

Die Lucerne Lions beobachten das Geschehen auf dem Spielfeld.

(Bild: gwi)

Das war nicht immer so: Nach ihrer Konstituierung 2007 begannen die Luzerner Footballer direkt in der Gruppe B – und wurden vom Platz gefegt. Eine dramatische Gründungsgeschichte: «Wir hatten keine Chance und sind in jedem Spiel untergegangen», so Jannik. Danach lichteten sich die Reihen – am Ende der Saison waren die Lions nur noch Kätzchen. Danach setzte man ein Jahr aus, formierte das Team wieder neu.

Die englische Sprache und der kulturelle Hintergrund des Sports haben einen sonderbaren Effekt: Obwohl da bis auf ganz wenige Ausnahmen Schweizer auf dem Feld stehen, fühlt es sich ein wenig an, als wäre man gerade irgendwo in den Staaten.

Geringe Verletzungsgefahr

Auf dem Feld wird wie wild geblockt und geteckelt, ständig werden Spieler gefällt. Der Sport ist aber weniger gefährlich, als er aussieht, meint Niklaus: «Es gibt wenige Verletzungen, Football zählt in der Schweiz nicht zu den Hochrisiko-Sportarten.» Aber am Harte-Jungs-Image ist durchaus was dran: «Footballer haben vielleicht eine etwas andere Beziehung zu Schmerzen. Wir spielen auch, wenn wir kleinere Verletzungen haben», sagt Niklaus, der in der Schweizer Armee als Major dient. Er selbst spielte mal eine ganze Saison mit, obwohl er eine verletzte Schulter hatte und seinen Arm zuweilen kaum bewegen konnte. 

«Das ist noch ein richtiger Sport.»

Manuel Koch, Football-Spieler

Doch weshalb entscheiden sich die Jungs von den Lucerne Lions gerade für American Football? Der 19-jährige Luzerner Thomas Wagner ist einer der Spieler in der ersten Mannschaft, die der Club aufgebaut hat. Er ist seit 2013 dabei: «Beim Football kannst du den Kopf abschalten, bist voll da.» Manuel Koch, 20, wechselte erst Ende Jahr vom Fussball zu den Lions. Er schätzt den grossen Zusammenhalt im Team, jeder müsse Vollgas geben, damit die Spielzüge klappten: «Vor dem Spiel feuern wir uns gegenseitig an. Und dann ziehen wir gemeinsam in den Krieg. Das ist noch ein richtiger Sport.»

Spielzüge der Lions während der Trainingseinheit:

Hoffen auf den Wiederaufstieg

Viel Adrenalin und Testosteron also. Und wie sieht es bei den Löwinnen aus? Ein Frauenteam gibt es bei den Lions nicht. Dafür klassisch: drei Cheerleader-Gruppen. Während die Männer auf dem Feld spielen, dürfen die Damen das Team in einstudierten Darbietungen leichtbekleidet anfeuern. Die sogenannten Wildcats haben wie die Herren ihre diesjährige Feuertaufe gegen die Thuner Tiger am ersten Aprilsonntag auf der Allmend. Und das Ziel ist klar: der Aufstieg in die NLA. Cheftrainer Nicholas Gilly ist positiv gestimmt für die Saison, er sieht durchaus Chancen: «Wir haben starke Leute dieses Jahr.»

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Football: Regel-Crashkurs

Jede Mannschaft besteht aus einem Angriffsteam (Offense) und einer Verteidigung (Defense). Die Mannschaft, die im Ballbesitz ist, hat die Offense auf dem Feld, der Gegner die Defense. Das Feld ist 100 Yards lang, 53,3 Yards breit (91,4 x 48,7 m) und hat zwei je 10 Yards lange Endzonen mit Y- oder H-förmigen Toren. Die Spielzeit beträgt in der Schweiz 4 x 12 Minuten netto, dazu kommen diverse Unterbrechungen und Pausen. Nach dem ersten und dritten Viertel erfolgt ein Seitenwechsel, nach der Halbzeitpause ein erneuter Ankick.

Das Angriffsteam hat vier Versuche, um eine Strecke von mindestens zehn Yards (neun Metern) zu überwinden. Laufen oder Werfen sind die zwei Möglichkeiten, um Raumgewinn zu erzielen. Beim Run wird der Ball von einem Spieler, für den durch andere Spieler, sogenannte Vorblocker, Platz geschaffen wird, getragen. Beim Pass läuft der Spielmacher, der Quarterback, einige Schritte zurück und wirft dann den Ball zu einem Mitspieler, der ihn fangen muss, bevor der Ball den Boden berührt. Der nächste Versuch wird von dort weitergespielt, wo der Ballträger zu Boden gegangen ist. Gelingt es, mindestens 10 Yards zurückzulegen, erhält das Team eine neue Serie von vier Versuchen. Endziel ist es, die gegnerische Endzone zu erreichen bzw. auf andere Art Punkte zu erzielen. Wer mit dem Ende der Spielzeit mehr Punkte erzielt hat, hat das Spiel gewonnen.

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