Politiker aus Zug haben eine neue Idee ersonnen, wie der Kanton einen Teil seines Geldes sinnvoll investieren kann. Es ist ein ungewöhnlicher Vorschlag. Das Zauberwort heisst «Stromspeicherbahn».
Kantonsräte von nicht weniger als sechs Parteien wollen die öffentliche Hand dazu bewegen, den Bau einer solchen zu unterstützen. Die Luftseilbahn wäre eine Weltneuheit, nur in den Vereinigten Staaten gibt es ähnliche Projekte. Die acht Politiker hinter der Idee haben bereits einen Plan, wo das Novum einst stehen soll.
Idee breit abgestützt
Kantonsräte der SVP, FDP, SP, GLP und der Mitte haben gemeinsam eine Interpellation eingereicht. Sie fragen die Regierung, ob sie schon einmal von einer Stromspeicherbahn gehört habe und ob sie die Realisierung einer solchen nicht unterstützen möchte.
Eine Stromspeicherbahn tut, was ihr Name verheisst: Sie speichert Strom, um ihn später wieder abzugeben. Sie hat den Zweck, Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Für Personentransporte ist sie nicht gedacht. Mit ihr kommt kein Wanderer auf einen Berg.
Vorschlag sei sogar «notwendig»
Das Prinzip hinter dem Konstrukt ist einfach. Anstelle von Gondeln hängen an der Seilbahn Stahlpfähle. Wenn es beispielsweise zur Mittagszeit einen Überschuss an Strom im Netz gibt, zieht die Bahn die Gewichte auf den Berg. Wenn abends wieder mehr Strom aus dem Netz bezogen wird, schaukeln die Gewichte gen Tal. Dadurch treiben sie einen Generator an, welcher die «gespeicherte» Energie wiederherstellt.
Wie die Interpellanten ausführen, würden sie im vorgeschlagenen Projekt praktisch nur Vorteile sehen. Zumal das Vorhaben mit einer gewissen Notwendigkeit verknüpft ist. Denn laut einem Strategiepapier des Bundes aus dem Jahr 2021 ist die Realisierung von Speichertechnologien, wie die Bahn eine ist, zwingend, um die Energiewende zu schaffen.
Energieversorgung muss sich wandeln
Gemäss dem Netto-Null-Ziel des Bundes muss vermehrt auf Fotovoltaik- und Windkraftanlagen gesetzt werden. Solche Stromerzeuger produzieren aber nur Energie, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Ihr grossflächiger Ausbau verstärkt die Schwankungen, welchen das Stromnetz unterworfen ist.
Es braucht Anlagen, die kurzfristige Differenzen ausgleichen können. Wie dem Vorstoss zu entnehmen ist, könnte eine Stromspeicherbahn genau diese Aufgabe übernehmen. Sie würde andere Anlagen wie Stauseen ergänzen, welche Unterschiede zwischen Winter- und Sommerhalbjahr ausbügeln.
Geld ist da, günstig wäre sie auch
Die Kantonsräte argumentieren, dass der Kanton Zug mit seinen mächtigen Finanzressourcen das nötige Geld zur Förderung des Projekts hätte. Vergangene Woche wurde bekannt, dass die Zuger Finanzdirektion nächstes Jahr mit einem weiteren Überschuss von gut 226 Millionen Franken rechnet (zentralplus berichtete).
Der Kanton hat sich zudem schon einmal mit etwas Ähnlichem befasst. 2023 diskutierte er den Bau eines Pumpspeicherwerks zwischen dem Ägerisee und dem Zugersee. Er lehnte das Vorhaben aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und des Naturschutzes ab (zentralpus berichtete). Ein Pumpspeicherwerk ist wie eine Stromspeicherbahn, einfach mit Wasser und Turbine.
Im Übrigen beansprucht eine Seilbahn gemäss den Interpellanten kaum Land, kann unauffällig in das Gelände integriert werden und ist relativ günstig im Bau, was laut den Kantonsräten für das Konzept spricht.
Stahl anstelle Skifahrer
Die Talstation der Bahn könnten sich die acht Politiker beim Bostadel vorstellen, die Bergstation oben auf der Nordflanke des Gibels. Der Bostadel werde bereits durch den Kanton gebraucht, und das Gebiet habe wenig anderen Nutzen, erklären sie ihre Überlegung.
Würde der Regierung der Vorschlag nicht passen, könnte der Kanton ein solches Projekt auch ausserhalb von Zug unterstützen, finden die Interpellanten. Sie haben dabei alte Seilbahnen im Sinn, welche in den vergangenen Jahren wegen Schneemangels dichtgemacht haben.
Grüsse aus Nevada
Ähnliche Projekte gibt es bis anhin nur in den Vereinigten Staaten. Dort wurde eine alte Minenseilbahn zum Zweck der Stromspeicherung umgerüstet. Als Gewichtsmaterial verwendet sie Kies. Eine Standseilbahn, die nach den gleichen Grundsätzen funktioniert, entsteht in Nevada.
Im selben Bundesstaat baut eine Firma zurzeit eine Zugstrecke für die Stromspeicherung. Die Züge mit einem Gewicht von je rund 500 Tonnen fahren auf einer gut neun Kilometer langen Route leicht bergauf und generieren beim Herabrollen Energie.
Wegen der topografischen Begebenheiten fänden die Interpellanten in Zug eine Seilbahn am passendsten, wie sie schreiben. Und eine Speicherbahn, die Stahlpfähle verwende, gebe es noch nirgends.
Faszination Kabeltransport
Seilbahnen scheinen es der Zuger Politik im Allgemeinen angetan zu haben. Immer wieder taucht das Transportvehikel in Geschäften auf. Vor anderthalb Jahren liess der Kanton verkünden, er habe eine Seilbahn von Zug ins Ägerital bewilligt. Das Ganze war allerdings ein Aprilscherz (zentralplus berichtete).
Im vergangenen Mai reichte ein Kantonsrat ein Postulat ein, das die Regierung aufforderte, ein neues Verkehrskonzept für das Ägerital zu entwerfen. Ein Vorschlag des Postulanten: eine Seilbahn. Diesmal ernst gemeint (zentralplus berichtete).
Im Rennen gegen Batterien
Was die Regierung zum jetzigen Vorschlag der Interpellanten sagt, wird sich zeigen. Es ist vorstellbar, dass die Idee aus verwandten Gründen eine Abfuhr erhält, wie das Pumpspeicherwerk zwischen Ägeri- und Zugersee. Der Regierungsrat schrieb damals, dass kurzfristige Speichermöglichkeiten von Strom vor allem im Sommer gebraucht würden.
Im Winter hingegen weniger. Sorgfältige Prognosen müssten entsprechend zeigen, dass eine Stromspeicherbahn über das ganze Jahr hinweg wirtschaftlich sein kann. Ansonsten gibt es für das energiepolitische Problem von kurzzeitigen Netzschwankungen noch die Lösung durch Batteriespeicher, welche die Landschaft wohl weniger in Anspruch nehmen dürfte als eine Luftseilbahn.
Nathan Affentranger ist seit März 2024 Praktikant bei zentralplus. Er hat einen Entlebucher Dialekt, eine Antipathie für Beamtensprache und ein Masterdiplom in Philosophie. Am liebsten schreibt er über die kleinen Absurditäten des Alltags.